Ein kurzer Rückblick
Im Folgenden sollen die Ergebnisse, die aus der Verwendung östlicher Meditationsmethoden im christlichen Raum gewonnen werden konnten, besprochen und einige weiterschauende Perspektiven zur Erwägung vorgelegt werden.1 Es vollzieht sich nämlich in dieser Frage eine beständige Entwicklung, die sowohl eine äußere wie eine innere Seite hat. Die östlichen Methoden sind in sich uralt. Ihre Anfänge liegen noch weit vor dem Auftreten des Christentums. Zum Teil sind selbst ihre Formen unverändert geblieben. Ein auf diesem Gebiet bewanderter Inder antwortete auf die Frage, was er von einer im Westen weit verbreiteten indischen Meditationsweise halte, prompt: „Das ist nichts Neues. Es ist alles schon in den Veden niedergeschrieben.“ Auch die Zen-Meditation ist im Wesentlichen so geblieben, wie sie schon vor tausend Jahren in ihrem Goldenen Zeitalter in China geübt wurde. Die 1700 Koan (denkerisch nicht zu bewältigende Rätselworte) stammen fast alle aus dieser Zeit. Uns geht es jetzt aber gar nicht so sehr um die östliche Meditation an sich, sondern um ihre Relevanz im christlichen Raum. Und hier hat sich in einer relativ kurzen Zeitspanne sehr viel getan; manches hat sich dabei klarer herauskristallisiert. Das gilt sowohl von der Stellungnahme der Christen im Allgemeinen und der Kirchen im Besonderen als auch im Sinne der Erfahrungen, die auf christlicher Seite mit den östlichen Methoden gemacht wurden. Mit „Christen“ sind in diesem Zusammenhang nicht nur Vertreter aller christlichen Konfessionen, die nicht-kirchlichen eingeschlossen, gemeint, sondern auch alle anderen aus dem christlichen Kulturkreis stammenden Menschen, selbst wenn sie das Christentum nicht mehr anspricht und sie keine Beziehungen mehr zu irgendeiner Kirche haben. Auch das sind ja oft ganz „christliche“ Menschen. Wir im Westen gehören alle dazu. Das stellt sich sofort heraus, wenn wir zum ersten Mal versuchen, eine Zen-Meditation zu machen. Die Schwierigkeiten mit dem im Zen vorgeschriebenen Sitz zum Beispiel sind mit wenigen Ausnahmen allen Menschen im Westen gemeinsam.
Zu derselben Zeit, da die genannten Erfahrungen gemacht wurden, konnten durch beständigen Kontakt mit Zen-Meistern (besonders in Japan) und durch Gespräche mit anderen Experten östlicher Methoden (in Indien, Birma, Thailand und Korea) neue Einsichten ermöglicht und frühere vertieft werden. Am wichtigsten sind jedoch die Erfahrungen mit diesen Methoden im christlichen Raum. Denn trotz der Wichtigkeit theoretischer Erwägungen lässt sich auf diese allein hin die Frage der Relevanz östlicher Meditationsmethoden für Christen nicht entscheiden. Die Erfahrungen sind sogar viel wichtiger, da es um die praktische Anwendung der Methoden geht.
Tatsächlich hat sich im letzten Jahrzehnt manches gewandelt. Das gilt zunächst besonders von der Stellung der katholischen Kirche zu dieser Frage. Während dieses Zeitraumes tagte bekanntlich das Zweite Vatikanische Konzil. Noch vor zehn Jahren hat die offizielle Kirche eine ablehnende Haltung gegenüber der Verwendung von Meditationsmethoden nicht-christlicher Religionen eingenommen. Diese Haltung erklärte sich unter anderem daraus, dass eine aktive Beteiligung an Gottesdiensten anderer Religionen nicht gestattet war. Auf die Schwierigkeiten, die aus diesem Verbot zum Beispiel den japanischen Katholiken bezüglich der offiziellen Besuche der nationalen Shinto-Heiligtümer erwuchsen, und auf ähnliche Fälle können wir nicht näher eingehen. Das Konzil hat als offizielle Vertretung der Kirche in diesem ganzen Fragenkomplex eine fundamentale Änderung herbeigeführt. Was die Verwendung von meditativen und kontemplativen Methoden anderer Religionen betrifft, so werden im Dekret über die missionarische Tätigkeit der Kirche die kontemplativen Orden sogar angewiesen, diese Methoden womöglich zu integrieren. Es ist bezeichnend, dass das Buch Zen – Weg zur Erleuchtung, das bald nach seinem Erscheinen wegen häretischer Tendenzen beanstandet worden war, noch während des Konzils von diesem Verdacht freigesprochen wurde, sodass Übersetzungen in andere Sprachen in Angriff genommen werden konnten. Die Zen-Kurse, die heute in vielen Ländern auch von christlicher Seite veranstaltet werden, wurden erst nach dem Konzil möglich. Gewiss haben schon viel früher Missionare Tage und Wochen in Zen-Klöstern zugebracht, um das Zen in seiner Theorie und Praxis kennenzulernen. Auch hat es schon vorher Zen-Meister gegeben, die in christliche Länder kamen, um dort Kurse zu geben, was allerdings in Amerika mehr als in Europa der Fall war. Aber man hat doch nie gehört, dass katholische Priester oder offizielle Vertreter anderer christlicher Bekenntnisse Zen-Kurse gehalten hätten. So etwas war eben damals noch nicht möglich. In Japan selbst haben wir damit in engem Rahmen schon kurz vor Beginn des Konzils angefangen. Im deutschsprachigen Raum wurde der Anfang im Jahre 1968 gemacht, nachdem ein Jahr zuvor auf der unvergesslichen Arzt-und-Seelsorger-Tagung in Schloss Elmau (Oberbayern) das Verlangen nach solchen Kursen von vielen Teilnehmern geäußert worden war. Als einmal der Anfang gemacht war, wurden die Kurse in den folgenden Jahren mit beständig wachsender Beteiligung fortgesetzt. Gegenwärtig ist die Nachfrage schon so groß, dass ihr aus Mangel an ausgebildeten Kräften nicht mehr vollkommen entsprochen werden kann. Oft reichen selbst die Räumlichkeiten nicht aus, um alle Bewerber aufzunehmen. Ganze Schulklassen bitten um geschlossene Kurse zu den Wochenenden.
Dazu kommen andere östliche Methoden, die ebenfalls und sogar in noch größerer Zahl beansprucht werden, wie zum Beispiel die transzendentale Meditation. Die Verbreitung der östlichen Methoden im Westen gleicht schon fast einer Lawine. Trotzdem ist bisher die Zahl derer, die nur aus Neugierde oder Modesucht kommen, verschwindend gering. Den meisten geht es doch um ein sehr ernstes Anliegen, das für sie selbst zentral und entscheidend ist.
Die Ergebnisse, die diese Meditationsformen im westlichen und speziell im christlichen Raum gezeitigt haben, sind nicht nur befriedigend, sondern übertreffen alle Erwartungen. Wenigstens können wir das bezüglich der Zen-Übungen bezeugen. Wie schon in meinem Buch Zen – Weg zur Erleuchtung berichtet, bin ich erst durch die eigenen guten Erfahrungen mit diesen Übungen auf den Gedanken gekommen, auch anderen zu solchen Übungen Gelegenheit zu geben. Über die Wirkungen der Zen-Übungen im Allgemeinen wurde schon an anderer Stelle genügend berichtet. Hier interessieren uns mehr jene Wirkungen, die mit Rücksicht auf das Christliche festgestellt wurden. Das sind besonders zwei: eine Befestigung im Glauben und die Öffnung eines Zugangs zu tieferem Gebet. Zum Ersteren ist auch die Tatsache zu rechnen, dass Christen, die nicht mehr an Gott glauben konnten, durch die Übung des Zen zum Glauben zurückfanden. Man spricht heute von verschiedenen Formen des Atheismus. Bei vielen Menschen ist es doch so, dass ihnen irgendetwas den Zugang zu Gott verstellt. Das kann zum Beispiel die Tatsache der Leiden in der Menschheit, wie Hunger und Krieg, sein. Aber es gibt auch andere Hindernisse, wie zum Beispiel allzu anthropomorphe Vorstellungen von Gott, wie sie viele Menschen aus der Jugend mitgenommen haben. Diese lösen sich auf dem Wege der Zen-Meditation gerade dadurch, dass das diskursive Denken zeitweilig eingestellt wird. Selbst denen, welche fest im Glauben stehen, stellen sich bei der heutigen Weltlage große Hindernisse für den Glauben in den Weg. Das Leben ist rastlos und geht fast ganz im Technischen und Materiellen auf. Für viele gibt es vielleicht gar kein anderes Mittel zur Bewahrung des Glaubens als die Meditation.
Die Wirkung auf das Gebet ist besonders auffällig bei solchen Menschen, die sich um ein tieferes Gebet bemühen. Diese Erfahrung wurde sowohl in Japan als auch in anderen Ländern gemacht. Es sind naturgemäß zum größten Teil Priester und Ordensleute, die diese Erfahrung machen. Die Letzteren sind von ihrer Ordensregel verpflichtet, täglich eine Betrachtung zu halten. Diese Vorschrift wurde zwar in vielen Ordensgemeinschaften gelockert, aber bei allen, die ihren Beruf ernst nehmen, bleibt doch das Verlangen bestehen, die für die Betrachtung vorgesehene Zeit aufs Beste zu nützen. Viele von ihnen haben schon immer die Erfahrung gemacht, dass die anfänglich sehr fruchtbare Betrachtung mit aktiver Betätigung von Verstand und Willen und unter Zuhilfenahme der Fantasie auf die Dauer nicht befriedigt. Damit ist eine Betrachtungsweise gemeint, bei der über eine Schriftstelle, eine religiöse Wahrheit oder sonst einen religiösen Gegenstand nachgedacht und reflektiert wird, wobei es auf diesem Weg zu einem Dialog mit Gott kommen soll. Immerhin hat diese Art in der Vergangenheit den beabsichtigten Erfolg wohl bei den meisten Menschen, die sich aufrichtig bemühten, auch gehabt. Sie wurden dadurch in ihrem religiösen und sittlichen Leben gefördert. In den letzten Jahren ist dies, soweit wir feststellen konnten, nicht mehr im selben Maß der Fall. Es gibt nun aber gegenwärtig sehr viele...