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Von Zillerthal nach Zillerthal

Der Weg der Zillertaler Protestanten von Tyrol nach Preussisch-Schlesien im Jahr 1837

AutorAnnegret Waldner, Sonja Fankhauser
VerlagMorawa Lesezirkel
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl Seiten
ISBN9783990577301
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Im Jahr 1837 wurden mehr als 400 Staatsbürger des damaligen Habsburgerreiches aus dem Tiroler Zillertal ausgewiesen, da sie sich zum protestantischen Glauben bekannten. Sie fanden in Zillerthal-Erdmannsdorf am Nordabhang des Riesengebirges im damaligen Preussisch-Schlesien eine neue Heimat. Diese Reisestrecke über 700 km, die diese Menschen unter für heutige Leser fremden Bedingungen zurücklegten, wurde von den Autorinnen nicht nur in den historischen Quellen aufgespürt und nachgezeichnet, sondern auch nachgewandert. So entstand im Unterwegs-Sein eine Annäherung an jene Eindrücke, die den damaligen Reisenden widerfuhren. Das Lese- und Wanderbuch zeichnet ein umfassendes Bild des historischen und des heutigen Weges, das die Autorinnen den Lesern und Wanderern mit auf den Weg geben möchten. Wander- und Reiseführer auf historischen Wegen von Österreich nach Polen. Die Spuren des Migrationsweges der Zillertaler Protestanten im Jahr 1837 aufgezeichnet und nachgewandert. Gedenkjahr 180 Jahre Ausweisung Tiroler Protestanten nach Preussisch Schlesien. Ein neuer Weitwanderweg von Tirol über Deutschland und Tschechien nach Polen basierend auf einem historischen Ereignis.

Annegret Waldner, geboren 1953 in Deutschland. Studium der Europäischen Ethnologie an der Universität Innsbruck, Promotion 2007. Diplomiert als Erwachsenentrainerin an der Österreichischen Weiterbildungsakademie 2011. Die Autorin ist begeisterte Weit-Wege-Wanderin und herzlicher Familienmensch. Seit 2013 leitet sie das Rätermuseum in Birgitz in Tirol. Sonja Fankhauser, geboren 1973, Sozialpädagogin, Studium der Europäischen Ethnologie an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck, Tagesmutter, Mutter von zwei Kindern.

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Leseprobe

Von Strass am Eingang des Zillerthals bis St. Johann in Tyrol


„Im Gebiete der Gemeinde Reith liegt noch das Dorf St. Gertrauden, westlich an der Poststrasse nächst am Inn. Ganz nahe bei dem Dorf steht das geschichtlich merkwürdige Schloß Kropfsberg auf einem bemoosten Felshügel, in seinen schwarz verwitterten Trümmern, den Vorübergehenden grell in die Augen fallend, eine der großartigsten und interessantesten Ruinen. Südwestlich ½ Stunde vor der Stadt Rattenberg liegt das ansehnliche Dorf Brixlegg an der Poststrasse, wo die Alpbacher-Ache in den Inn sich ergießt, und eine hölzerne Brücke auf das jenseitige Ufer in den Gemeinde-Bezirk von Kramsach führt. Hier sind zu bemerken: ... ein landesfürstliches Berg-, Hütten- und Waldamt mit ausgedehntem Geschäftskreise, einer Schmelzhütte, einem Kupferhammer und einer Kupferwalze.“16 Vorbei ging die Salzburger Strasse an Burg Matzen, die dem Verfall preisgegeben war. Ludwig Steub schrieb einige Jahrzehnte später in einem seiner Reiseberichte: „Einer der schönsten Aussichtspunkte ist unstreitig die nahe gelegene Ruine von Matzen, ... wohl eine der schönsten Burgruinen, sowohl durch die Eigenthümlichkeit der Lage, vermöge deren man durch das Thor zu ebner Erde einzutreten glaubt, sich aber sofort im vierten Stock über dem abstürzenden Felsen befindet, als auch durch die noch halb ruinenhaft vorhandenen Gelasse.“17 Der nächste Ort, den die Zillertaler durchquerten, war Rattenberg.

„Nordöstlich 5 Stunden vom Kreisamts-Sitze Schwaz, und in gleicher Richtung 1 ¾ Stunde von der Gerichtsgrenze – der Ziller-Brücke unter Straß – liegt an der Poststrasse nach Salzburg und Baiern, wo diese an schauerlichen Felswänden hinzieht, das Städtchen Rattenberg, eingeengt zwischen dem Innflusse im Westen, und einem grellen Felsvorsprunge (der Stadtberg genannt) im Südost, der, selbst düster, das Städtchen melancholisch beschattet, und manchen Gebäuden viele Wochen lang die Sonne gänzlich entzieht. Hier ist der Sitz des Landgerichts, zugleich Criminal Untersuchungsgerichtes. Das Städtchen ist Post-Station zwischen Schwaz und Wörgl, dann hat es vier Bierbrauereien, mehrere Gasthäuser ohne Auszeichnung. Unter den Gebäuden findet man kein vorzügliches, nur das Landgerichts-Haus auf dem geräumigen Stadtplatze gewährt eine gute Ansicht ...“18 Ludwig Steub weiß über Rattenberg zu berichten: „Man braucht bei einem Gange durch das nur aus zwei Strassen bestehende Städtchen nicht erst die Versicherung von dessen hohem Alter zu hören - die hohen, schmalen, eigenthümlichen Häuser erzählen von selbst die Geschichte ihrer Erbauung ... Zu den Häusern führen häufig Stufen hinauf und münden vor der meist spitz gewölbten Thüre mit Steingesims auf einen kleinen mit Bänken besetzten Vorplatz, auf dem es sich Abends recht behaglich und gastlich sitzen mag; die übrigen Stockwerke steigen meist mit geschlossenen Fensterreihen in gerader Wand empor, welche oben platt abgeschnitten ist. Von den Wänden strecken sich nicht selten Dachrinnen vor, um aus weiten Drachenmäulern ihren Ueberfluß mitten in die Straße zu entladen.“19 Der starke Verkehr von Frachtfuhrwerken und anderen Wagen, dem sich die Auswanderer mit ihren Pferdewagen oder mit größeren und kleineren Handkarren zu Fuß anschlossen, nahm seinen Zug durch die schmale Hauptstraße der Stadt. Die Auswanderergruppen konnten bereits auf der 1835 ausgebauten Straße durch die Klamm die Stadt erreichen und sahen auch noch die 1839 abgetragene hölzerne Brücke hinüber nach Kramsach, bevor sie der Straße nach Radfeld folgten, die durch ebene Kornfelder und Obstgärten führte. „Ziemlich öde, uninteressant, und zum Theil langweilig zieht sich die Straße von Radfeld ganz eben fort gegen Nordost zwischen sumpfigen Auen und Wiesen. Man stößt auf ein altes, im gothischen Style erbautes Kirchlein „St. Leonhard auf der Wiese“ links am Wege. Gegenüber, rechts an der Strasse, spricht ein großes Bauernhaus die Aufmerksamkeit an ... In ½ Stunde folgt das alte Dorf Kundl 2 ½ Stunden nordöstlich von Rattenberg am linken Ufer der Wildschönau-Ache, und unfern ihrer Ausmündung in den Inn. Kundl hat übrigens eine Schule, ein Armen-Versorgungshaus und eine Salpeter-Siedelei. Im offenen Felde, links von der Poststrasse, ganz nahe am Inn, am rechten Ufer der Kundler Ache, liegt das geschlossene Dorf Liesfeld ½ Stunde von Kundl. Von Kundl abwärts wird das Thal enger, einförmiger, öder, selbst die Versumpfung greift dem Inn entlang immer mehr um sich. Nur wenige Häuser zeigen sich da und dort auf dieser Strecke. Ohne sie müsste die Gegend bis Wörgl selbst unheimlich genannt werden. 4 Stunden östlich von Rattenberg findet man das Dorf Wörgl. Hier wechselt die Scene. Das Thal erweitert und erheitert sich wieder in einer fruchtbaren, von schönen Waldungen umkränzten Ebene voll interessanter, lebensfrischer Gebilde. In Rattenbergisch-Wörgl ist nur ein Wirthshaus zu vermerken mit einem alterthümlichen Nebengebäude, welches das einstige Dasein einer Mautstation verräth. Im Kufsteinischen Wörgl befindet sich ein Postamt an der Doppelstation zwischen Rattenberg und Kufstein und zwischen Rattenberg und Söll.“20 Im Wörgler Heimatbuch findet sich folgender Vermerk: „Nach dem Brand der Stadtpfarrkirche St. Laurentius von 1836: Gerade während des Aufmauerns des neuen Kirchturms an der Nordseite der Kirche zogen im Jahr 1837 ca. 400 Zillertaler mit Sack und Pack, alt und jung, vorüber. Einer der Maurer und spätere Schwazer Bürgermeister erinnerte sich noch Jahrzehnte danach an die Betroffenheit bei der Bevölkerung über das Schicksal der Landleute, die ihr Tal verlassen mussten, weil sie Protestanten geworden waren.“21

Abbildung 5: Wörgl um 1860

Weiter ging der Weg von Wörgl über den Wörgler Boden in Richtung St. Johann. Die Verbindung zwischen Wörgl und St. Johann folgt dem Einschnitt zwischen Hoher Salve und Kaisergebirge und dessen Vorberg. Der Anstieg bis Sölland und Ellmau war steil und mit Fuhrwerken schwer zu bewältigen, sodass man zusätzliche Zugtiere anspannen musste. Die Poststraße durch Sölland war Teil der Verbindungsstraße zwischen Innsbruck und Salzburg und weiter nach Wien, sie galt als wichtig und man war ständig bemüht, sie auszubessern. Pflasterungen gab es in Kundl, Wörgl und Ellmau bereits seit 1798. Die Straßenverbindung in den Salzburgkreis über den Pass Thurn, 1835 begonnen, war 1837 noch nicht fertiggestellt, sodass die Auswanderer über Lofer und Reichenhall ziehen mussten.

„Von Wörgl nördlich gelangt man in ½ Stunde zur Grattenbrücke an der Brixenthaler Ache. Hier verzweigt sich die Poststrasse in den nördlichen Zug nach Baiern, und in den östlichen nach Salzburg. Dieser letztere läuft am rechten Ufer der Ache, erst nach 2 Stunden tritt er in das Gemeindegebiet von Pirchmoos über, und zwar beim Markbächlein nächst außer dem Weiler Schwent. Der Hauptort dieser Gemeinde ist das Dorf Söll, 3 ½ Stunden östlich von Wörgl, mit einem Postamt im Gasthof „Nuimar“ als Station zwischen Wörgl und Ellmau. Die Gemeinde Ellmau, 2 ½ Stunden östlich von Söll, steht auf dem höchsten Punkte der Poststrasse zwischen Wörgl und St. Johann. Hier befindet sich ein Postamt und eine vorzügliche Sensenschmiede, deren beliebte Ware nach Baiern, Würtemberg, in die Schweiz und nach Norddeutschland versendet wird.“22 In Söll kamen die Auswanderer an der Pfarrkirche vorbei, die wegen ihrer Größe und Schönheit auch als Söller Bauerndom bezeichnet wurde, am Gasthof Postwirt konnten sie ihre Pferde tränken und ihnen Futter geben, um dann weiter über die Weiler Bocking, Blaiken und Auwald auf der Loferer Strasse Ellmau zu erreichen. Am Ortsrand lagen der Steinerne Tisch und in dessen Umgebung Söllhäuser, darunter das Wegmacherhaus. Beim Durchzug sahen die Auswanderer die Folgen eines Großbrandes und den Aufbau neuer Häuser und Höfe. In Ellmau hatte im Mai 1837 eine Feuersbrunst große Teile des Dorfes zerstört: Vikar Baldauf vermerkte in seiner Chronik, dass in weniger als drei Stunden die Post, Huben, Wirtshaus Lobenwein, das erst neu gebaute Schulhaus, Kaisermann, Keller, Tanzer und Wagner samt 10 Ökonomiegebäuden in der Asche lagen. Es sei beinahe alles in einem halben Jahr in Mauerwerk wieder aufgebaut worden.23 Die Zillertaler zogen am Wilden und Zahmen Kaiser, zwei markanten Gebirgszügen des Kaisergebirges, weiter über Going nach St. Johann.

„Vom Dorfe Going führt die Poststrasse in ¼ Stunde zum großen Gasthause, zum Stangel genannt und dann längs den Einzelhäusern von Reisch gegen St. Johann stets am linken Ufer der Reinthaler – Ache. Die Gemeinde St. Johann folgt nördlich der Gemeinde Oberndorf im schönen Leukenthale, und nimmt fast das Centrum des Gerichts-Bezirks Kitzbühel ein. Die Gegend ist hier offen, frei und heiter. Hier laufen fünf Thal-Radien zusammen. Im Osten und Westen beugen sich um die weite fruchtbare Ebene sanfte Hügel und zierliche Alpenhöhen im Wiesengrün und Waldesdunkel wechselnd. Die tieferen Gelände sind mit Häusergruppen und Einzelhöfen geschmackvoll übersäet. Überall begegnet das Auge den zartesten Umrissen, den weichesten Formen, überall der üppigsten Blüthe. Mit Recht wird diese Gegend als eine der ersten Schönheiten Unterinnthals gepriesen. In der Mitte der Thalebene, dort, wo die Pillersee-Ache in die Grossache sich ergießt, ruht von beiden Bächen umfangen das ansehnliche Dorf St. Johann an der Poststrasse nach Salzburg. Es hat ein Postamt als Station zwischen Ellmau und...

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