2 Entwicklungen des Luftverkehrsmarkts
Mit dem Beginn der Zivilluftfahrt wurden zwischen einzelnen Staaten sowie zwischen einzelnen Luftfahrtunternehmen bilateralen und multilateralen Verträgen abgeschlossen, auf denen die Luftfahrt vor dem Zweiten Weltkrieg basierte.
Die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges führten zu einem weitgehenden Stillstand in der Luftfahrt in Europa.[22]
In der Konferenz von Chicago im Jahre 1944, unter der Leitung von Großbritannien und den USA, wurden grundlegende Neuordnungen des internationalen Luftverkehrs vorbereitet. Man verständigte sich auf die Gründung der ICAO[23] und auf einheitliche Transit- und Transportvereinbarungen. Der in diesem Abkommen geregelte Liberalisierungsversuch des Luftverkehrs führte durch die Divergenz zwischen den USA und Großbritannien über den Grad der Liberalisierung zu einem Scheitern, welches noch heute zur Folge hat, dass die zivile Luftfahrt weitgehend durch bilaterale Abkommen geregelt werden muss. Jeder Staat durfte meist nur einer Fluggesellschaft die bilateralen Rechte bewilligen, sodass sich aus dem staatlichen Protektionismus die nationalen Fluggesellschaften (Flag-Carrier) entwickelten. Die Luftverkehrsindustrie ist im Vergleich zu anderen Industriezweigen stark an nationale Prioritäten gebunden.
In Europa entwickelte sich die Luftverkehrswirtschaft zu einem schnell wachsenden Wirtschaftszweig. Zwischen 1960 und 2000 verdoppelte sich die Verkehrsleistung alle acht Jahre.[24]
In Folge der Ölkrise und der daraus verbundenen Ölpreissteigerung kam es zu einer drei Jahre anhaltenden Stagnation.
Kurz darauf folgte die Deregulierung des europäischen Luftverkehrs, die tiefgreifende Veränderungen hervorrief. Die Folgen der Umstrukturierungen erleichterten den Low Cost Carriern, die mit ihrem aggressiven Preiskampf an den Markt treten, den Eintritt in den europäischen Luftverkehrsmarkt. [25]
Die Terroranschläge 2001 und die daraus resultierenden volatilen konjunkturellen Entwicklungen stürzten die Airlines in eine dramatische Krise. Neben SARS sowie weiteren Terroranschlägen (London und Madrid) wirkte sich der hohe Kerosinpreis negativ auf die Verkehrsströme aus. Nach Angaben der IATA[26] flogen 2003 die Fluggesellschaften weltweit einen Verlust von 5,6 Milliarden Dollar ein. Dabei hatte es die US-Carrier am härtesten getroffen.[27]
In Europa kam es zu der Pleite der schweizer Swissair und der belgischen Sabena. Air France und KLM kündigten 2003 eine Fusion an, um gestärkt dem harten, internationalen Wettbewerb entgegenzuwirken.[28]
Abbildung 2
Quelle: Lufthansa, „Netzwerkcarrier dominieren Luftverkehr“, in FVW, Nr. 7/05, S. 61
In Deutschland fassen gerade mehr und mehr Golf-Carrier Fuß und drängen mit aggressiven Expansionsplänen auf mehr Flugrechte, um ihre geplanten Megahubs auszulasten.[29] Emirates, Etihad und Royal Brunei sind nur einige der Golf-Carrier, die mit außergewöhnlichen Leistungen, Preisen und Komfort um deutsche Gäste werben.
Das Ziel der Emirates, 100 Ziele (87 heute) mit 150 Maschinen bis 2010 zu erreichen, wird sich nachhaltig auf die Luftverkehrswirtschaft auswirken.[30]
2005 konnte Qatar Airways allein in Deutschland sein Passagieraufkommen um 47% auf 110 000 Fluggäste steigern.[31]
Die von EU-Umweltkommissar Stavros Dimas geforderte Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen Emissionshandel ab 2011 bedeutet für die Fluggesellschaften eine Erhöhung des Ticketpreises auf Flügen innerhalb der EU. Das wird massive Wettbewerbsnachteile für die europäischen Fluggesellschaften nach sich ziehen.[32]
Das am 30 März 2008 in Kraft tretende „Open Skies Abkommen“[33] zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten wird den prognostizierten Konsolidierungsprozess der europäischen Luftverkehrswirtschaft beschleunigen.[34]
2.1 Deregulierung europäischer Flugmärkte
In liberalisierten oder freien Märkten wird die Preisbildung durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage ohne staatlichen Eingriff reguliert.[35]
Die Liberalisierungsprozesse im Luftverkehr setzten in den USA in den siebziger, in Europa in den achtziger Jahren ein und haben bis heute Auswirkungen auf die Luftverkehrsindustrie. Ziel der Liberalisierungsbestrebungen war es, einen einheitlichen Binnenmarkt für alle Anbieter und Nachfrager im Sektor des zivilen Luftverkehrs in Europa zu schaffen.[36]
Durch die Liberalisierung der Luftverkehrsmärkte in Europa wurde dem Staat die Macht entzogen, direkt oder indirekt in die Märkte eingreifen zu können.
Die Entwicklung des europäischen Luftverkehrsmarktes lässt sich in vier Stufen der Deregulierung aufzeichnen, wobei die erste Stufe der Deregulierung 1987 stattfand. Sie war gekennzeichnet durch die Einführung ermäßigter Flugtarife, d.h. es kam zu Deep Discounts von 35% - 40% unter dem Normalpreis. Des Weiteren kam es zur Lockerung und Vereinfachung der Kapazitätsverhältnisse zwischen den EU-Staaten.
Die zweite Stufe der Deregulierung setzte ab 1989 ein. Es kam zu noch weiteren Deep Discounts, die sich bis zu 70% unter dem Normaltarif einstellten. Die Genehmigungspflicht für Tarife durch die nationalen Verkehrsministerien wurde aufgehoben und es wurden erhöhte Kapazitätsaufteilungen während einer Saison genehmigt (bis 75:25 der Kapazitätsaufteilungen zwischen den beteiligten Airlines unterschiedlicher EU-Länder).[37] Der dritte Schritt der Deregulierung der Flugmärkte fand 1993 statt und stellte eine der tiefgreifendsten Reformen dar. Somit wurden alle Beschränkungen hinsichtlich der Strecken und Kapazitäten aufgehoben. Zudem konnte jede europäische Fluggesellschaft jede Strecke innerhalb der EU anfliegen, solange sie in einem EU-Land zugelassen war.[38] Als einzige Ausnahme galt es bis 1997, keine vollständige Kabotage[39] zu betreiben.
Ab dem 1. April 1997 wurde auch dieses Gesetz modifiziert und es ist seitdem möglich, eine vollständige Kabotage zu tätigen.
Die National Carrier stellen für die einzelnen EU- Länder ein nationales Prestige dar, sodass trotz der Liberalisierungsprozesse insbesondere grenzüberschreitende Übernahmen oder Zusammenschlüsse von Airlines verhindert werden (national owner rule).[40]
Streitigkeiten zwischen EU-Kommission, Verkehrsministern und den Fluggesellschaften finden dennoch statt. Dabei nimmt das Thema der Slotvergabe (An- und Abrecht) eine zentrale Rolle ein. Neueinsteiger haben meist Schwierigkeiten, gute Slots zu erhalten, da die jeweiligen Linienfluggesellschaften diese schon besitzen oder sich auf ihr so genanntes „Großvaterrecht“[41] berufen.[42]
Ein weiterhin strittiger Punkt sind die Subventionen, die in liberalisierten Märkten ausgeschlossen sind, da sie eine wettbewerbsverzerrende Wirkung haben. Einige EU-Staaten halten sich trotz des Verbots nicht an diese Vereinbarungen und sehen diese als „einmalige Anpassungshilfen“ oder werden durch politischen Druck als „Finanzspritzen“ den Kapitaleigner genehmigt.[43] (siehe Beispiel Alitalia).
Die Folgen der Deregulierung bzw. Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs hatten starke Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation in der Luftverkehrsindustrie.
2.2 Folgen der Deregulierung
In Folge der Deregulierung und des in diesem Zusammenhang freien Streckenzugangs erleichterten Fluggesellschaften (new entrants) mit innovativen Konzepten die bisherigen Fluggesellschaften anzugreifen. Der Wegfall von genehmigungspflichtigen Tarifen führt zu einem immer stärker werdenden und aggressiveren Preiskampf am Markt.
Ferner kommt es zunehmend zu einer Liberalisierung der Vertriebskanäle, die sich nachteilig auf die Absatzmärkte niederschlagen. Die Auswirkungen der Globalisierung führen zur Gründung neuer Unternehmensformen, beispielsweise der Allianz. Durch die stetig fallenden Flugpreise wurde das Produkt „Flug“ als Luxusgut vom Massenkonsumgut verdrängt. Die Konsequenz der fallenden Preise führt zu einer Veränderung des Nachfrageverhaltens.b Der Konsument kann sich zwischen verschiedenen Airlines entscheiden. Er ist preissensibler und es besteht eine geringe Markentreue.[44]
Customer Relationship Management und Kundenbindungsprogramme werden immer häufiger genutzt, um sich gegenüber Kontrahenten zu differenzieren und mit dem Konsument eine besondere Verbindung aufzubauen.[45]
Die Entwicklungen des Luftverkehrmarktes sind seit Mitte der 80er durch einen starken Wettbewerb gekennzeichnet, den nicht zuletzt die Low Cost Carrier...