Die Zeit davor
Was ich in den ersten Auflagen von „Zum Glück ins Jetzt“ nicht beschrieb und damals wegließ, waren Details wie ich dorthin, zum ersten Buch, zu meiner Vesseling Visions-/& Energieschule mit ihren Seminaren gekommen war. Die Anfänge des Institutes liegen ja fast 12 Jahre zurück (2001), die erste Auflage dieses Buches war 2003. Ich war damals zuvor über 8 Monate in verschiedenen Tageskliniken gewesen, lebte danach (fast) auf der Straße.
Ich wollte aber den Leser nicht mit zu schweren, vor allen Dingen vergangenen Geschichten dieser harten Zeit belasten.
Dennoch gab und gibt es während der Kurse immer wieder Fragen zu dieser Zeit, man beschäftigte sich damit. (Liebe(r) LeserIn, die folgenden 2-3 Seiten beschreiben sehr schwere Erfahrungen dieser Zeit, wenn es für Sie leichter weitergehen soll, dann überspringen Sie einfach diese Seiten!)
„... Januar 2001. Wir saßen in der Pause vor der nächsten Psychorunde alle auf dem Sofa. Da war ein Fenster. Auf einmal flog ein Schatten vorbei. Die Sirene ging. Alle Ärzte schnellten raus, in den Hinterhof der Klinik. Wir mussten drinnen bleiben. War es wirklich wahr, dass sich jemand umgebracht hatte? Uns wurde nichts gesagt, nur die Ärzte, die zurückkamen, waren alle schockbleich. Ich weiß bis heute nicht, was damals geschah. Ich weiß nur, dass ich damals bei der Idee, Gleiches zu tun, keine Angst davor hatte. Ich war in einem Zustand der absoluten Verzweiflung ...“
„... Früher hab ich immer über psychische Krankheiten gelacht. Die sollen sich alle mal zusammenreißen, habe ich immer gespöttelt. Als ich in die Tagesklinik kam, konnte ich mich schon nicht mehr selbst ernähren, die Schuhbänder zumachen, geschweige denn einkaufen. Wie stark die Psyche meinen Körper in Besitz nahm und ihn fast in die Lähmung trieb, hab ich am eigenen Leib erfahren. Für mich war es die schlimmste Krankheit, die ich je erlebt habe. Man ist außer Kontrolle, weiß nicht mehr, was man sagt, denkt, ist nicht mehr klar im Geiste – kurz vor der Entmündigung. Man braucht Hilfe. Man braucht die Medizin. Man braucht Ärzte. Keine schamanische Schule, auch nicht meine Vesseling Energieschule, hätte mir damals geholfen. Ich war heilfroh, brach in Tränen aus, dass es so etwas wie Tageskliniken gab ...“
„... der Grund meines Rauswurfs damals aus der letzten Tagesklinik war, dass die Psychologen merkten, dass es mir besser ging. Während der Morgenrunden in der Klinik, da gab es so einen Moment, in dem ich erzählte, dass ich wieder joggen würde, neue Ideen zur Gründung von Internetfirmen hätte und auch was mit einer Frau angefangen hatte. Außerdem erzählte ich, dass ich mich in der Tagesklinik sehr wohl fühlte, hier schon richtig Freunde gefunden hatte, eine Art Familie. All das muss wohl für die Psychologen zu viel gewesen sein. Ich wurde also wirklich regelrecht rausgeschmissen. „Zwei Wochen noch, aus, basta!“... Hinterher wurde mir klar, dass es mir ein wenig besser ging, und ich den Platz für einen Menschen, dem es deutlich schlechter ging als mir, blockieren würde ...“
„... Noch in der wohligen Wärme der Tagesklinik beschloss ich innerlich, dass es mir nach der Entlassung weiterhin so richtig gut gehen sollte. Aber als der Termin des letzten Tages nahte, wurde mir klar, dass Vorsätze wenig Kraft hatten: Mir ging es einfach nur noch scheiße. Dennoch gab es kein Zurück mehr. Ich hätte wohl auch nicht länger bleiben können – die Krankenkasse finanzierte wohl damals „nur“ 4 Monate am Stück und danach hätte ich eh gehen müssen. Der letzte Tag in der Tagesklinik glich einem Tränenmeer. Wir kannten uns alle schon fast vier Monate und so skurril wir uns in den Anfängen dieser Zeit gegenseitig fanden, desto mehr hatten wir uns lieb gewonnen. Die nächsten Wochen und Monate, bis ich die erste Berührung mit Schamanismus hatte, waren wie ein Horrorfilm für mich – ich stürzte in ein Megatief – die Tagesklinik gab mir mehr Halt, als ich dachte ...“
„... Ich wäre ohne Medizin und die Arbeit von Ärzten nicht da raus gekommen. Vor der Einlieferung in die Klinik war mein Körper wie eingefroren, steif, rot, schwitzig und kalt zugleich. Ich konnte mich nicht mehr selbst ernähren, geschweige denn einkaufen. Ich konnte noch nicht einmal 1+1 zusammenzählen, geschweige denn mir PIN-Nummern merken, Schnurbänder zuziehen, überhaupt mich anziehen – über Monate, das muss man sich mal vorstellen. Ich war der lebende Beweis, dass sich die Psyche irgendwann im Körper durchschlägt wie ein Vorschlaghammer. Ich war ein Wrack und auf Hilfe angewiesen. Hätte ich meine Eltern nicht gehabt, dann wäre ich in der Gosse gelandet – ohne Medizin in diesem Stadium wäre ich schon längst tot, da bin ich mir sicher ...Während der Entlassung sagten mir die Ärzte: „Herr Brune, Sie müssen sich psychologische Hilfe suchen, wir wissen nicht, ob Sie da jemals wieder raus kommen ...“ Das war meine gefühlte Abschlussdiagnose.
„Wir können nur lernen ‚Ja‘ zu sagen zu dem, was ist, den Widerstand gegen das, ‚was ist‘ auflösen.“
„... In den Nächten lag ich meistens wach. Ich grübelte, mein Körper war todmüde, aber im Geiste fuhr ich Karussell. Ich nahm Tabletten – Schlaftabletten, die angeblich nicht abhängig machten, aber auch solche, die es taten. Mir war alles egal. Wenn man ein paar Monate am Stück nicht schlafen kann, dann wird man fast wahnsinnig, dann ehrt man die Medizin, die Ärzte, einfach alle Menschen, die einem irgendwie helfen ...“
„...Meine Freunde hatte ich schon lange nicht mehr. Mit der Zeit verabschiedeten sich fast alle von mir. Damals dachte ich, dass es schon etwas von Darwin hat: ‚Die Schwachen werden ausgestoßen‘. Es war schrecklich. Selbst ‘gute‘ Freunde, von denen ich dachte, sie würden mit mir durch ‚dick und dünn‘ gehen, waren nicht mehr da. Heute vermute ich, dass ihnen meine Krankheit zu heftig war, sie nichts damit anfangen konnten. Nicht ein Telefonanruf kam mehr. Es gab aber auch solche, die sagten: ‚Der soll sich mal zusammenreißen, der Penner‘, dabei fühlte ich mich, als würden sie noch nachtreten.“
„...Der Sommer stand vor der Tür. Zum Glück, dachte ich damals, und da ich nicht wusste, wohin mit mir, setzte ich mich in den Park, den Kölner Volksgarten. Dort saßen sie alle – gestrandete Lehrer, Akademiker, Malermeister, junge Menschen, alte Menschen und ich auch. Ich versuchte mich damals mit der Idee abzufinden, dass ich da landen würde. Drei Monate saß ich da, im Park, ich war also ganz unten angelangt. Obwohl ich noch eine Wohnung hatte, blieb ich auch manchmal nachts da. Es wird einem irgendwann alles scheißegal. Aufgeweckt hat mich oft der Wagen vom Straßenfeger, der um die Parkbänke herum den Müll aufsog, oder ein Hund, der pissen musste ...“
„... Ich hatte einen Psychologen gefunden. Endlich. Die Krieger des Lichts aus der Tagesklinik (die Klinikärzte und Psychologen) rieten mir damals einen zu suchen ...“
„... Wenn man in dieser Lage ist, findet man nur schwer einen Therapeuten. Man glaubt gar nicht, wie ausgebucht die meisten sind, Wartelisten bis zu 6 Monate. Viele waren auch in der Position, Menschen auszuwählen. Aber ich brauchte jetzt Hilfe! ... Dieser war nett, kam auch aus dem Ruhrgebiet, hatte eine Praxis am Friesenplatz ...“
„... Mit ihm sollte ich in den nächsten Monaten und Jahren über 400 Stunden therapeutische Sitzungen haben ...“
„... Nach jeder Sitzung blickte er immer auf die Uhr, nahm einen Stift, machte einen Strich unter seine Aufzeichnungen, legte den Block zur Seite und beendete mit: ‚Herr Brune: Es bleibt schwierig‘, lächelte, gab mir die Hand, dann musste ich gehen ...“
„... Ich hatte ca. 1-2 Mal die Woche eine Sitzung. Jede Sitzung war wie ein Strohhalm für mich. Meine Woche teilte sich in diese zwei kostbaren Stunden der Offenheit. Dazwischen hing ich durch, schrieb Texte, versuchte mich abzulenken ...“
„... mich traf der Schock, als ich diesen Brief von der Techniker Krankenkasse las: Ab Oktober stellen wir die Zahlungen an Sie ein. Ab Oktober konnte ich also keine Miete mehr bezahlen ...das war das Ende!“
„... Herr Brune, um die Schuhe zu erstehen, können Sie bar oder mit EC-Karte bezahlen. Ich gab die EC-Karte. Die Dame probierte drei Mal das Geld einzuziehen. ‚Die Karte ist gesperrt!‘, raunte sie, nahm die Schuhe wieder an sich und bedeutete mir in Richtung Ausgang. Ich hab mich gefühlt wie ein Penner. Jetzt war ich es auch und lief wieder zum Park ...“
„... meine Eltern kamen am Sonntag. Ich schaffte es nicht, die Wohnung aufzuräumen. Ich war zu fertig. Ich bestellte Sie zum Hauptbahnhof, da gab´s ja auch ein Restaurant. Als ich dort ankam, war noch niemand da. Ich ging hoch in die Bücherei – Ludwig hieß die damals. Ich lehnte an einem Bücherregal und eine Dame brachte in einem Behälter neue Bücher. Da war ein Buch mit einem Menschen, aus dessen Kopf komische Bilder kamen. Ich fühlte mich sofort angesprochen ...“
„... Der Autor dieses Buches veranstaltete auch Seminare in Holland, mit echten Indianern. Da musste ich hin, ich fühlte mich angezogen ...“
„... Vor dem Indianer bildete sich eine Schlange, etwa 30 Meter lang. Als ich endlich dran war, wollte ich ihm meine Lebensgeschichte erzählen, ‚warum‘ ich so krank bin, die Zusammenhänge erklären usw. Er sagte aber nur: ‚Cállate y túmbate‘ – ‚Halt den Mund und leg Dich...