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E-Book

Psychopathologie

Merkmale psychischer Krankheitsbilder und klinische Neurowissenschaft

AutorFriedel M. Reischies
VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl346 Seiten
ISBN9783540372547
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis32,99 EUR

Wie erklärt die Neurowissenschaft Bewusstsein? Was passiert im Gehirn z.B. bei Angstzuständen, Antriebslosigkeit oder Bedrücktheit? Psychiatrische Krankheitsbilder sind Merkmalskomplexe, die eine genaue Beobachtung und Wertung benötigen. Hier finden Leser zum ersten Mal die Psychopathologie mit ihren neurowissenschaftlichen Grundlagen umfassend dargestellt. Systematisch und übersichtlich sind alle Symptome beschrieben. Fallbeispiele vertiefen Beobachtung und klinische Erfahrung. Jedem Kapitel folgen Definitionen, klinische Gesichtspunkte und Diagnostik. Mit neurowissenschaftlichen Modellen für jede Merkmalsgruppe und spezielle Aspekte.

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Leseprobe
Aufmerksamkeit (S: 79-80)

4.1 Einführung –60
4.2 Definitionen –61
4.2.1 Kategoriale Unterscheidungen –62
4.2.2 Dimensionale Merkmale –63
4.2.3 Kontrolle/Faktoren der Aufmerksamkeit –64
4.2.4 Verlauf der Aufmerksamkeit –65
4.3 Störungen der Aufmerksamkeit, klinische Störungsbilder –66
4.3.1 Beispiele gestörter Aufmerksamkeitsfunktionen bei psychiatrischen Krankheitsbildern –66
4.3.2 Störung der Komponenten der Aufmerksamkeit –67
4.3.3 Inhaltliche Aufmerksamkeitsstörungen –69
4.3.4 Aufmerksamkeit und Alter –69
4.3.5 Neglekt –70
4.4 Diagnostik –70
4.5 Neurowissenschaft –72
4.5.1 Vigilanz und Müdigkeit –74
4.5.2 Arousal, Attentiveness –75
4.5.3 Fokussierte Aufmerksamkeit –77
4.6 Psychopathologische Merkmale der Aufmerksamkeit –83
Literatur –87


4.1 Einführung

Die Aufmerksamkeitsfunktionen sind vielfältig. Zunächst soll eine Reihe von Beispielen den weiten Bereich von Phänomenen anschaulich machen, um den es bei der Aufmerksamkeit geht.

Ungerichtete Aufmerksamkeit

Beispiel
Ein Mann döst auf dem Sofa, in seiner Wohnung in den oberen Etagen eines Hochhauses. Plötzlich klingelt es. Er schreckt hoch und drückt den Türöff ner, wobei er durch den »Spion« in der Tür schaut und sieht, dass nicht ein Nachbar vor der Wohnungstür steht. Es kommt off enbar jemand zu ihm mit dem Fahrstuhl hochgefahren. Der Mann ist »hellwach« im Vergleich zum vorigen Zustand auf dem Sofa.


Das Beispiel soll demonstrieren, dass Aufmerksamkeit vor allem auch eng mit Handlungsbereitschaft in der nahen Zukunft zu tun hat. In dieser Form der Aufmerksamkeit ist der Zustand reaktiv ausgelöst. Zuerst kam eine Phase des Schrecks und Alarmzustands und danach eine andauernde Phase aufmerksamer Wachheit. Diese Aufmerksamkeit kann aber noch nicht auf ein Objekt gerichtet sein, das zu sehen oder zu hören ist. Es laufen mentale Suchprozesse ab, in der Art »Wer könnte das sein?«. Bei psychiatrischen Krankheitsbildern wie der paranoiden Störung kommt es zur Veränderung des tonischen und ungerichteten Aufmerksamkeitsniveaus. Es wird eine hohes Aufmerksamkeitsniveau beobachtet, der Patient ist überwach und achtet auf alles in der Umgebung mit gespannter Aufmerksamkeit. Dieser Zustand ist im Kontrast zu wacher aber tiefer Entspannung zu betrachten. Man hat diesen Zustand als hypervigilant bzw. als Zustand gesteigerter Attentiveness bezeichnet.

Gerichtete Aufmerksamkeit

Beispiel
Eine Familie fährt im Auto in mittlerer Geschwindigkeit auf einer Schnellstraße. Das Auto wird von vielen anderen Autos überholt. Der Fahrer bemerkt, dass ein blaues Auto, das ihn gerade überholt hat, ein neuer Typ ist, den er nicht kennt. Er sagt zu seinem Sohn, »schau einmal, dort fährt ein neues Auto, ich versuche einmal es zu überholen«. Er versucht, das blaue Auto unter den vor ihm fahrenden zu fi nden und mit den Augen zu verfolgen und gibt Gas, um es zu erreichen.

In diesem Beispiel ist der Fahrer zwar beim Autofahren allgemein aufmerksam, seine Aufmerksamkeit wird aber beim Betrachten der vorbeifahrenden Autos auf eines besonders ausgerichtet, da es ihm nicht vertraut vorkommt. Er richtet die Aufmerksamkeit darauf. Hier ist die gerichtete Aufmerksamkeit wie im ersten Beispiel reaktiv ausgelöst. Auch die gerichtete Aufmerksamkeit hat mit Handlungsvorbereitung zu tun, allerdings mehr mit der konkreten Handlungskontrolle. Wenn eine Person eine Routinetätigkeit aufmerksam durchführen will, vielleicht weil ihr gerade dabei ein Fehler unterlaufen war, meint dies, dass sie im Gegensatz zur automatischen Durchführung im Alltag nun auf alle Details der Handlung achtet: sowohl die Zielrichtung der Handlungen, die sensomotorischen Rückmeldungen als auch die Schnelligkeit der Ausführung von motorischen Akten.

Verzichtbarkeit des psychopathologischen Symptoms Aufmerksamkeitsstörungen?

Bei einer Intoxikation mit Beruhigungsmitteln oder Alkohol und beim Delir springt eine Veränderung der Aufmerksamkeit ins Auge. Der dazu gerufene Polizist spricht wie jeder Laie in der Beschreibung von Personen mit derartigen Syndromen von gestörter Aufmerksamkeit, auch wenn er nicht defi nieren könnte, was Aufmerksamkeit ist. Jeder Mensch deutet das Hinwenden und Hinsehen eines Menschen als dessen »Aufmerksamsein« auf das, was er dort wahrnehmen könnte. Wenn diese Aufmerksamkeitsbegleitenden Bewegungen nicht nachvollziehbar sind oder ausbleiben, nehmen wir eine Störung der Aufmerksamkeit an. Der Begriff der Aufmerksamkeitsstörung ist aus den angedeuteten Gründen nicht verzichtbar.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort5
Inhaltsverzeichnis7
Psychopathologie und Neurowissenschaft11
Was ist Psychopathologie?12
Einführung in die Kapitelstruktur23
Wahrnehmung – neuropsychologische Störungen29
Wahrnehmungselemente30
Objektwahrnehmung31
Klinik32
Neurowissenschaft33
Psychopathologische Merkmale der Wahrnehmung38
Episodisches Gedächtnis41
Einführung42
Autobiographisches Gedächtnis43
Gedächtnisprozesse43
Modalitäten45
Methoden46
Klinik46
Diagnostik49
Neurowissenschaft52
Psychopathologische Merkmale des episodischen Gedächtnisses61
Aufmerksamkeit68
Einführung69
Definitionen70
Störungen der Aufmerksamkeit, klinische Störungsbilder75
Diagnostik79
Neurowissenschaft81
Psychopathologische Merkmale der Aufmerksamkeit92
Zentrale Motorik98
Abgrenzung und Überblick99
Hierarchische Ebenen der Spontanmotorik100
Klinik der Störung zentraler Motoraktskripte bzw. Aktionsschemata103
Diagnostik104
Neurowissenschaft106
Psychopathologische Merkmale der zentralen Motorik107
Exekutive Funktionen und Arbeitsgedächtnis110
Einführung111
Störung exekutiver Funktionen und des Arbeitsgedächtnisses112
Neurowissenschaft112
Neurowissenschaft der komplexen exekutiven Regulation114
Psychopathologische Merkmale der exekutiven Kontrolle114
Antrieb, Intentionsbildung – Handlungs- und Bewegungsstörungen117
Das Konstrukt des Antriebs118
Klinik122
Diagnostik124
Neurowissenschaft125
Psychopathologische Merkmale des Antriebs131
Bewusstsein146
Einführung147
Definitionen149
Klinik154
Diagnostik156
Neurowissenschaft158
Psychopathologische Merkmale des Bewusstseinsbereichs166
Sprache171
Einführung172
Klinik175
Diagnostik177
Neurowissenschaft179
Psychopathologische Merkmale der Sprache183
Denken185
Einführung186
Funktionen des Denkens im Alltag189
Elemente des Alltagsdenkens190
Klinik192
Diagnostik194
Neurowissenschaft196
Psychopathologische Merkmale des Denkens205
Emotion und Affekt216
Einführung217
Klinik225
Diagnostik226
Neurowissenschaft229
Psychopathologische Merkmale der Emotion und Aff ekte246
Sinnestäuschungen280
Einführung281
Klinik284
Diagnostik285
Neurowissenschaft287
Psychopathologische Merkmale295
Wahn – inhaltliche Denkstörungen310
Einführung311
Erscheinungsformen des Wahns313
Klinik317
Diagnostik319
Neurowissenschaftliche Erklärungsansätze320
Psychopathologische Merkmale326
Urteilsfähigkeit333
Einführung334
Störung der Urteilsfähigkeit335
Diagnostik der Urteilsfähigkeit336
Psychopathologische Merkmale der Urteilsfähigkeit336
Ausblick341
Sachverzeichnis343

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