Der Handelsplatz Lübeck war der wichtigste Handelsknotenpunkt im Nord- und Ostseehandel im Mittelalter. „Krakau ist ein Kupferhaus, Visby ein Pech- und Teerhaus, Reval ein Wachs- und Flachshaus, Rostock ein Malzhaus, Danzig ein Kornhaus, Stettin ein Fischhaus, Halberstadt ein Frauenhaus, Hamburg ein Brauhaus, Lübeck ein Kaufhaus, Braunschweig ein Zeughaus, Magdeburg ein Backhaus, Köln ein Weinhaus und Lüneburg ein Salzhaus.“[5] Diesem hansischen Merkspruch aus dem 15. Jahrhundert kann man Einiges entnehmen. Für jede Stadt steht ein bestimmtes Handelsgut. Die einzige Stadt, bei der dies nicht der Fall ist, ist Lübeck. Es ist ein Handelsplatz, an dem alle Waren gehandelt werden und der keine Spezialität aufweist. Lübeck nimmt eine gesonderte Stellung ein. Es war der Hauptumschlagsplatz für Waren an die Ostsee. Dies soll nun anhand des Lübecker Bierhandels, des Fischhandels und des Lübecker Handels mit Schweden gezeigt werden.
Der Bierhandel in der Hanse war von großer Bedeutung. Dies lag daran, dass das hansische Bier auf Grund des besseren Geschmacks gegenüber den heimischen Bieren, wie zum Beispiel in Skandinavien und Holland, beliebter war als das heimische Bier. „So galt das importierte bjorr in Skandinavien geradezu als Göttertrank im Vergleich zum einheimischen alu.“[6] Das hansische Bier hatte auch den dreifachen Preis des heimischen skandinavischen. Die Geschmackspräferenz lag bei dem in der Hanse gebrauten Hopfenbier, das vor allem haltbarer war als das in Skandinavien verbreitete Grutbier.[7] Wichtig für Lübeck war, dass die Hafenstädte gegenüber den Binnenstädten beim Bierhandel im Vorteil waren, da sie das Bier leichter verschicken konnten. So wurde das beliebte Einbecker Bier, das man schon als eine Luxusware des Mittelalters bezeichnen kann, über den Handelshafen Lübeck in den gesamten Ostseeraum verschifft, da Einbeck, da es im Binnenland liegt, nicht über eine eigene Seeanbindung verfügte. Bier war im Mittelalter ein wichtiges Handelsgut, da es ein verbreitetes Getränk war und zudem billiger als Wein und sauberer als Wasser war. Lübeck war aber nicht der größte Bierexporteur der Hanse – diese Stelle nahm Bremen ein. Aber Lübeck hatte trotzdem einen nicht vernachlässigbaren Anteil im hansischen Bierhandel. Lübeck produzierte ca. 20.000 Hektoliter Bier pro Jahr, im Vergleich zu der Produktion von den „Brauhäusern der Hanse“ wie Hamburg und Danzig war die Lübecker Produktion eher gering, aber dennoch genügend für den Absatz auf den lübischen Märkten.
Ein wichtiger Handelsplatz, auf dem Lübeck Bier anbot, waren die Märkte von Schonen. So wurden auf Schonen in Skanör und Falsterbo mehrere 100.000 Liter Bier pro Jahr gezapft. Aus Lübeck wurden nach Schonen im Jahr 1368 1673 Tonnen Bier verschifft. Nach Gotland 104 Tonnen und nach Kahrmar 24 Tonnen. Dagegen war die Ausfuhr nach Oldesloe mit 521 Tonnen schon von größerer Bedeutung als die Ausfuhr nach Schweden.[8] In Schweden gab es das Problem der großen Gemeinde deutscher Einwanderer, die zum Großteil aus Handwerkern und Fernkaufleuten bestanden und damit auch aus Bierbrauern. Deshalb konnte hier eigenes, gutes Bier gebraut werden und man war so unabhängig von der Einfuhr hansischen Bieres.
In Norwegen nahm der Lübecker Bierexport eine bedeutendere Rolle als in Schweden ein. In den Jahren 1247/48 gab es Hungersnöte in Norwegen. So bat der norwegische König Hakon Hakonsson die Hansestadt Lübeck, Getreide zu schicken. Allerdings schickte Lübeck Bier nach Norwegen, was auch zur Beendigung der Hungersnot beitrug. So wurde Norwegen zu einem wichtigen Ausfuhrort der wendischen Städte, da Norwegen von jeher ein getreidearmes Land war. Zuerst lag das Biermonopol bei den Städten Bremen und Lübeck, später bei Lübeck und Wismar. Das Gegengut für das Bier war der beliebte norwegische Stockfisch.[9]
Die Ausfuhr nach England und in das hansische Kontor, in den Stalhof, ist zu vernachlässigen, da das hansische Bier hier sehr schwer absetzbar war. Der Grund hierfür war, dass das englische Bier dem hansischen Bier in der Qualität nicht nachstand. Nach Holland gab es eine größere Einfuhr des hansischen Bieres, da Holland ebenfalls eine getreidearme Gegend war. Hier nahm Lübeck aber eine eher unbedeutende Rolle ein. Das Biermonopol im Nordseeraum lag bei den Städten Bremen und Hamburg.
Abschließend kann gesagt werden, dass für Lübeck der Bierhandel vor allem auf Schonen und Norwegen interessant war und Lübeck dort auch die Monopolstellung einnahm, in Holland eine unbedeutende und in Schweden und England auf Grund der eigenen Bierherstellung keine Rolle spielte.
Den bedeutendsten Platz für den Heringshandel im Mittelalter nahm Lübeck ein. Dies lag zum einen daran, dass Lübeck die Schaltstelle für den überregionalen Handel war, zum anderen daran, dass es ein Verteilerhafen war, von dem aus in alle Richtungen gehandelt wurde. Das heißt, dass es keine Fixierung auf einen bestimmten Absatzmarkt gab, wie es bei Städten wie Stettin oder Thorn der Fall war. Hering war in Lübeck auch nur eine Handelsware von vielen.[10] Hering war neben dem Stockfisch deswegen ein so wichtiges Handelsgut, weil beide eine beliebte Fastenspeise in West- und Mitteleuropa waren.
Einen großen Stellenwert nahmen die Schonischen Messen ein. Zum einen war das Gebiet um die Schonischen Inseln eines der besten Fanggebiete und zum anderen war wegen ihrer geographischen Nähe zu den wendischen Städten der Einkauf des Herings natürlich für diese Städte besonders attraktiv. Auf Schonen fanden jedes Jahr von Ende Juli bis Anfang November die Heringsmessen statt, bei denen die Kaufleute der Hansestädte auf Grund ihrer Privilegien einen großen Vorteil gegenüber nichthansischen Kaufleuten hatten. Diese Privilegien bestanden aus vier Elementen: „Sicherheit der Kaufleute, berechenbarer Markt, Handelsfreiheit und Unabhängigkeit der Vitten[11], wobei Lübeck die größte Vitte besaß, wurden im Laufe der Zeit zu einem Privilegienkomplex gebündelt, der sich unter dem Stichwort des lübischen Rechtskorpus zusammenfassen läßt.“[12] „Aufgrund seiner Bedeutung für die Märkte von Schonen erhielt Lübeck nämlich die ersten und auch immer die weitestreichenden Privilegien.“[13] Diese Privilegien zu behalten und zu sichern, zog sich wie ein roter Faden durch die Politik Lübecks und der Hansestädte, der sich durchgehend bis zum Ende der Hanse fortsetzte, da diese zu einem beachtlichen Teil den Reichtum dieser Städte begründeten.
In den Jahren von 1398 bis 1400 wurden in Lübeck 69.975,5 und 81.172,5 Tonnen Hering aus den Schonischen Messen sowie einiger kleinerer Märkte wie Aalborg verzollt. Dies entspricht der sieben oder achtfachen Menge des Herings, der in Danzig im Jahr 1460 verzollt wurde. Man sieht dadurch, welchen Stellenwert Lübeck im Heringshandel hatte.[14] „Man schätzt die Einfuhr von Salzhering in die wendischen Städte am Ende des 14. Jahrhunderts auf 150 000 Fässer, von denen die Hälfte nach Lübeck ging.“[15]
Verschifft wurde der Hering von Lübeck nach Reval, Stettin aber auch Danzig. Lüneburger Kaufleute brachten Salz nach Lübeck und nahmen Hering mit. Der Salzhandel ist eng mit dem Heringshandel zu verbinden, da es zum Haltbarmachen des Herings gebraucht wurde. Wegen des geringen Salzgehaltes der Ostsee war die Gewinnung von Salz schwierig. Salinen gab es nur in Lüneburg und kleinere in Kolberg. „Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts wurde Osteuropa fast ausschließlich durch Lübeck mit Lüneburger Salz versorgt, einer der Grundlagen Lübecker Reichtums: es war 1368 bei weitem sein Hauptausfuhrartikel.“[16] Das Salz wurde auch zu einem nicht unerheblich Teilen nach Schonen verschifft.[17] So wurden im Jahr 1400 ca. 1400 Last[18] lübisch nach Schonen exportiert. Der Grund hierfür war, dass es in Dänemark nur in bescheidenem Maße gewonnen werden konnte und Lübeck mit den Salinen in Lüneburg und Oldesloe über genügend Salz verfügte.[19] Zeugnis hierfür sind heute noch die erhaltenen Salzspeicher entlang der Trave.
Über die Route Lüneburg-Lübeck wurde der Handel in die Harzregion und die mitteldeutsche Tiefebene bis Magdeburg und Hannover vorangetrieben. Städte wie Braunschweig und Hannover bezogen den Hering sogar direkt aus Lübeck. Aber auch nach Erfurt in Thüringen oder in die oberdeutschen Gebiete wie Frankfurt oder die Reichsstadt Nürnberg gingen Heringe aus Lübeck.[20] Für diese langen Reisen war die Konservierung mit Salz natürlich von großer Bedeutung, was auch wieder die Beziehung zwischen dem Salz- und dem Heringshandel zeigt. Der Lübecker Kaufmann war bei diesen Reisen nicht zugegen. Er saß in seinem Kontor in Lübeck und leitete von dort seinen Handel. Hier bekam er auch die besten Informationen über den Handel und er saß am Ort des Geschehens des Heringshandels.
Neben dem Heringshandel war auch der Handel mit Stockfisch für Lübeck von Bedeutung. Insgesamt hatte der Hansehandel in Norwegen drei Kontore: In...