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Mikropolitik als Wertschöpfungsquelle

Versuch einer mikropolitischen Aufklärung der Wissenschaft von der Personalentwickung

AutorPeter Wasem
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl56 Seiten
ISBN9783638686310
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich BWL - Unternehmensführung, Management, Organisation, Note: 1,0, Technische Universität Kaiserslautern (ZFUW), 66 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Peter Wasem erläutert Mikropolitik als 'Dimension menschlichen Verhaltens in Organisationen'. Für ihn ist sei nicht gut oder schlecht, funktional oder dyfunktional sondern einfach vorhanden. Er fragt nicht, wie Mikropolitik zu bekämpfen, sondern wie sie als Quelle unternehmerischen Erfolgs zub erschließen ist. Zentraler Erfolgsfaktor bei Integration mikropolitischer Verhaltensweisen in organisationen sind für ihn Motivation, Vertrauen und LOyalität sowie Kommunikation. Ausgehend von grundsätzlichen Überlegungen macht er für jeden dieser Bereiche konkret in die Praxis umsetzbare Vorschläge für Personalentwicklerinnen und Personalentwickler. Er holt das Gespenst Mikropolitik aus seiner 'Schmuddelecke' und zeigt bei Lichte betrachtet ein unglaubliches Potenzial für den Unternehmenserfolg umsetzbarer Humanenergie: 'Wir sind gut beraten, Mikropolitik als etwas alltägliches, als Beziehungsphänomen neben Macht und Kommunikation zu verstehen und unaufgeregt zur Kenntnis zu nehmen. In dieser Arbeit wurde zunächst aus der Perspektive der Personalentwicklung ein Einblick in die Begriffe Mikropolitik und Wertschöpfung gewonnen, um von diesem Fundament unterschiedliche Problemkreise aus unserem betrieblichen Alltag zu untersuchen und die sich aus ihnen ergebenden personalentwicklerischen Aufträge zu identifizieren. Es hat sich gezeigt, dass eine um Mikropolitik wissende und diese bei ihrer Arbeit berücksichtigende Personalentwicklung sich neue Potenziale erschließen kann, um erfolgreicher zu sein.' Ass. iur. Peter Wasem M.A., geb. 1974 arbeitet derzeit als Manager bei der DB Regio AG und lebt in Leipzig. Von ihm erschien bereits 'Charisma - Fluch oder Segen für die Lernende Organisation?' - ein eindrückliches Plädoyers für die Entwicklung 'charismatischen Bewusstseins' in Organisationen.

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Leseprobe

2. Begriffe


 

Sehen wir einen Begriff als die Beschreibung „wesentliche(r) Merkmale einer Sache oder Gruppe von Erscheinungen, die zu einer gedanklichen Einheit zusammengefasst sind“[7]. „Ein Begriff ist eine an Sprache gebundene, sprachlich formulierte und geschichtlich bedingte Vorstellung, die wir aufgrund unseres je gegenwärtigen Erkenntnisstands an die uns umgebende Welt herantragen“.[8]

 

Damit ist die Aufgabe dieses ersten – zugegebener Maßen eher trockenen und fast ausschließlich theoretischen – Teils umrissen: Er dient unserer Verständigung über den Gegenstand der Untersuchung, denn erst wenn wir hinreichend genau geklärt haben, worüber wir sprechen, können Dialog und Ergebnisse aus der gemeinsamen Erschließung dieses Spielfelds folgen.

 

2.1. Mikropolitik


 


2.1.1. zum Begriff des Politischen


 


„Die Politik macht rau, pöbelhaft und stupid. Neid, Frechheit und Begehrlichkeit ist alles was sie lehrt. … Ich will nicht Politik. Ich will Sachlichkeit, Ordnung und Anstand.“ schrieb Thomas Mann[9]. Unter Politik wird zunächst die Lenkung eines Staates, aber auch die Festlegung und Durchsetzung bestimmter Ziele von Regierungen, Parlamenten, Parteien, Organisationen verstanden.[10] Verallgemeinernd verstehen wir unter ihr aber auch „klug berechnendes Verhalten“[11]. Ähnlich der Duden, der Politik u. a. als berechnendes, zielgerichtetes Verhalten, Vorgehen versteht[12]. Die politische Theorie des 20. Jahrhunderts sieht Politik als einen Prozess der „Machtbildung und Machtverteilung“.[13]

 

Nun suchen wir aber nach der Bedeutung des „Politischen“. Was also ist das Gemeinsame von „großer“ Politik und ihrer „kleinen“ Schwester Mikropolitik, was beide aber gleichzeitig auch von anderen Begriffen unterscheidet und somit abgrenzt? Jörg Bogumil meint, dass unsere Vorstellung vom politischen Handeln weit gefasst sein soll, so „… dass alle Ausgleichs- und Aushandlungsprozesse in Organisationen als politische bezeichnet werden, auch wenn sie sich von spezifischen Aushandlungsprozessen im politischen System unterscheiden mögen.“[14]

 

Das Politische ist also mit dem Versuch der Einflussnahme und des Interessenausgleichs verknüpft. Dies ist aber z. B. Führung auch. Wesentlich aus meiner Sicht ist, dass das Politische immer mit unterschiedlichen Interessen umgeht und diese als dynamisch und gestaltbar, weniger als statisch von Außen gesetzt begreift. Die politische Arena nimmt Interessen wahr, bündelt, verdrängt, modifiziert und manipuliert sie.

 

An diesem Umstand orientiert sich Huber. Sie verortet das „Politische im Unternehmen … (als) ein kollektives Handlungsmuster individueller Akteure bei Interessendivergenz ….“[15]

 

Auf diese Art und Weise fügen sich die Interessen einzelner Bestandteile des Ganzen zu gemeinsamen zusammen. Das so verstandene Politische bildet aus meiner Sicht ein Fundament für Kooperation und Commitment.

 

Wir werden im Folgenden das Politische an der Schnittstelle zwischen Eigeninteresse, Interessen der Anderen und dem ideellen Gesamtinteresse des konkret betroffenen Systems, an das die Beteiligten angeschlossen sind, verorten.

 

2.1.2. Politik in / und Organisation


 


Handlungsfeld der Personalentwicklung ist die produktive Sphäre, der Wirtschaftsraum. Im Betrieb treffen die Interessen der einzelnen Betriebsangehörigen aufeinander, bilden sich Team- und Abteilungsinteressen, entsteht kulturelle Hegemonie – und es gibt ein Gesamtinteresse bzw. Eigeninteresse der Organisation am eigenen Überleben: „Der Betrieb ist als ein eigenständiges Beziehungsgeflecht innerhalb und zwischen den betrieblichen Sozialgruppen zu betrachten, als ‚sozialer Raum’ und ‚konkretes Handlungssystem’, in dem alle Beteiligten als sozial kompetente Akteure handeln und in komplexen Konfigurationen aus asymmetrischen Machtbeziehungen, Kooperationsstrukturen, Aushandlungsforen sowie Konsens und Opportunitätsverhältnissen eingebunden sind.“[16]

 

(Mikro)Politik ist also zentral für die Einbindung der Subjekte in das Organisationssystem Betrieb. Dabei werden die Interessen der Subjekte nicht abgetötet, sondern miteinander in Verhältnisse gebracht: „Als betriebspolitischer Raum ist der Raum zwischen den Subkulturen ein Raum der Verhandlung der unterschiedlichen Interessen mit dem Ziel, in der Auseinandersetzung mit den anderen Akteuren die eigenen subkulturell-partikularistischen Ziele zu erreichen. Aus macht- und herrschaftssoziologischer Perspektive kann der betriebspolitische Raum als ‚mikropolitischer Raum’ konzipiert werden, als Ort der Auseinandersetzung um die Strukturierung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen, als Spielfeld für individuelle und kollektive mikropolitische Spielzüge.“[17] Dabei ist Mikropolitik mehr als ein notwendiges Übel, denn durch die Verhandlung ihrer Interessen nehmen sich die Subjekte gegenseitig in Bezug aufeinander wahr, das Konstrukt Organisation wird so zur Person, erhält ein Gesicht, denn „… die Balance zwischen Nähe und Distanz im koalitionären Verhältnis ist nicht nur vom potenziellen Wechsel des Koalitionspartners, also von Auflösung bedroht, hinzu kommt die Problematik unabgegrenzter Nähe, was Baudriel mit dem Begriff des ‚Verschlingens’ fasst. So sehr Koalitionen in Organisationen auch in erster Linie aus Interessengründen geschlossen werden, bilden sich doch häufig auf einer untergründigen Ebene moralische Loyalitätsanforderungen und sozi-emotionale Umschließungstendenzen heraus, die über die Zweckbindung weit hinausgehen und von den koalierenden Parteien durchaus als verschlingend, als Einverleibung in den betriebspolitischen und kulturellen Wirkungsbereich des Koalitionspartners und damit als Bedrohung der eigenen subkulturellen Identität erlebt werden können.“[18] Das Politische wird also auch aus dem Spannungsfeld der Objekt-Subjekt-Beziehung geboren und wirkt als eine Art Fugenkitt, der trotz autonomer, teilweise gar auseinander driftender Entwicklungen zusammenhält, was zur Organisation gehört. Thomas Meyer begreift aus dieser Sicht das „Politische als regulatives Prinzip“[19], welches sich in institutioneller Veränderung, der Umsetzung politischer Handlungsprogramme und kultureller Veränderung verwirklicht[20].

 

Politisches Verhalten ist demzufolge konstitutiver Bestandteil einer Organisation von Subjekten. Es ermöglicht Autopoiesis, die Selbstorganisation lebender Systeme.

 

Ungeachtet dessen finden sich in der Management-Literatur zahlreiche negativ fixierte Konnotationen von Politik. So widmet sich beispielsweise Henry Mintzberg bei der Betrachtung der „funktionale(n) Rolle von Politik in Organisationen“ unvermittelt „dem dysfunktionalen Einfluss …“ zu[21]. Er sieht Politik meines Erachtens als etwas künstliches, der Organisation aufgeprägtes. So meint er: „Politische Prozesse können eine Organisation bis zu einem Punkt paralysieren, am dem ein effektives Funktionieren zum Stillstand kommt und keiner davon profitiert. Das Ziel einer Organisation ist schließlich die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen, nicht die Schaffung einer Kampfarena.“[22]

 

Diese Sichtweise hält – wie oben dargelegt – der Komplexität der Wirklichkeit nicht Stand. Sie sieht nur die Spitze des Eisbergs und vergisst, dass es das unter der Wasseroberfläche liegende Eis ist, was den Auftrieb gibt und sie über Wasser hält. Zu Recht warnt Mintzberg vor Gefahren aus un(auf)gelösten Machtfragen in einer Organisation, verkennt aber m. E., dass deren Negation diese Gefahren verstärkt und nicht eindämmt. Dem will sich wohl auch Mintzberg nicht verschließen, räumt er doch versöhnend ein „… obwohl ich persönlich von Politik in Organisationen nicht begeistert bin und kein Verlangen habe, in einer politischen Organisation zu leben, …, so akzeptiere ich doch, …, dass diese Konfiguration wie die anderen eine natürliche Rolle in unserer Gesellschaft von Organisationen zu übernehmen hat, Organisationspolitik mag uns irritieren, sie kann uns aber auch nützlich sein.“[23] Eine Verteufelung sähe wohl anders aus, Klarheit über den Gegenstand der Untersuchung allerdings auch.

 

Politik ist soziale Vitalität.

 

2.1.3. Macht


 


Max Weber sah Macht als „… jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung, den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwohl worauf diese Chance beruht …“[24].

 

Nunmehr besteht eine weite Einigkeit, dass „… die webersche Machtdefinition … nur eine von mehreren Möglichkeiten ist.“[25] Es hat sich gezeigt, dass diese Beschreibung den komplexen Machtbeziehungen der modernen Welt nicht gerecht...

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