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Die Friedenseinsätze der Vereinten Nationen im Wandel. Ein gescheitertes Instrument des internationalen Konfliktmanagements?

Grundlagen, Entwicklung, Perspektiven

AutorChristopher Schwarzkopf
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl63 Seiten
ISBN9783638896542
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Thema: Frieden und Konflikte, Sicherheit, Note: 1,0, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Institut für Sozialwissenschaften), Veranstaltung: Kolloquium Internationale Beziehungen, 35 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Vereinten Nationen wurden am 26. Juni 1945 mit dem Ziel geschaffen, Kriegsgräuel wie sie die beiden Weltkriege mit sich gebracht hatten, künftig zu verhindern. Das oberste Ziel der Weltorganisation ist daher die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Dieses normative Grundprinzip ist schon in Art.1, Abs.1 der UN-Charta, welche am 26. Juni 1945 verfasst wurde, niedergeschrieben. Das primäre und gleichzeitig wohl bekannteste Instrument der Organisation zur Wahrnehmung dieser Aufgabe besteht dabei nach wie vor im Einsatz so genannter Friedenstruppen, die aufgrund ihrer markanten Kopfbedeckung meist auch als 'Blauhelme' bezeichnet werden. Seitdem im Jahr 1948 im Rahmen der Suez-Krise die erste Friedenstruppe aufgestellt wurde, haben insgesamt 61 Missionen stattgefunden, von denen einige relativ schnell zum Abschluss gebracht werden konnten während andere seit Jahrzehnten andauern. Die Friedenseinsätze waren von Beginn an extremen Schwankungen im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit unterworfen. Vor allem nach den schweren Rückschlägen Mitte der neunziger Jahre in Somalia, Ruanda oder auf dem Balkan musste sich die Weltorganisation wiederholt vorwerfen lassen, mit ihren Friedensmissionen versagt zu haben. Die Tatsache, dass sich aber nicht nur die Konflikte dieser Welt sondern auch die Vorgehensweisen und Methoden zur angemessenen Reaktion darauf seit der Gründung der Vereinten Nationen grundlegend verändert haben, blieb von der Weltöffentlichkeit weitestgehend unbeachtet. Stattdessen wurde die Weltorganisation vor allem in den Medien wiederholt mit negativer Kritik überzogen und beispielsweise als 'zahnloser Papiertiger', 'Ineffektive Bürokratie' oder 'Versager' bezeichnet - Ein Phänomen, welches allgemeinhin auch als 'UN-Bashing' bezeichnet wird.

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Leseprobe

3. Das „klassische“ UN - Peacekeeping


 

Der folgende Abschnitt beschäftigt sich näher mit dem Beginn der friedenssichernden Missionen, welche die Vereinten Nationen unter dem Begriff des Peacekeeping durchführten. Zunächst soll dargestellt werden, auf welcher Rechtsgrundlage das Peacekeeping entstand und im Anschluss daran die grundlegenden Merkmale der ersten Friedensmissionen erläutert werden. Abschließend soll eine Bilanz der Friedenseinsätze gezogen werden, die in den ersten vier Jahrzehnten der UN - Friedenssicherung stattgefunden haben.

 

3.1. Entstehung des Peacekeeping als „Kapitel VI


 

Aufgrund der Machtverhältnisse nach Ende des Zweiten Weltkrieges, welche sich, wie bereits angesprochen auch im UN - Sicherheitsrat widerspiegelten, waren die Vereinten Nationen im Prinzip nicht in der Lage, ihrer Friedenssicherungsfunktion in ausreichendem Maße nachzukommen. Da insbesondere die kollektiven Zwangmaßnahmen gemäß Kapitel VII nicht derart zur Anwendung kommen konnten, wie es in der Charta vorgesehen war, war die Organisation schon früh gezwungen, eine angemessene Alternative zu finden, welche weder den Interessen der ständigen Mitglieder entgegenlief, noch der in der Charta verankerten souveränen Gleichheit der übrigen Mitglieder widersprach.

 

Daher entstand vor dem Hintergrund der Uniting for Peace - Resolution mit dem Einsatz von Friedenstruppen durch die Vereinten Nationen ein neues Instrument der Friedenssicherung: Das so genannte Peacekeeping. Dieser Terminus wurde erstmalig 1956 im Rahmen der Suez - Krise verwendet.[41] Damals hatte Ägypten die Suez - Kanal - Gesellschaft verstaatlicht und wurde daraufhin von Israel, Großbritannien und Frankreich angegriffen, die den ägyptischen Staatspräsidenten Gamal Abdel Nasser stürzen und die Kontrolle über den strategisch wichtigen Suez - Kanal zurückgewinnen wollten. Da zwei der ständigen Mitglieder involviert waren und gegen Vermittlungsversuche ihr Veto einlegten, konnte der Sicherheitsrat nicht angemessen handeln, sodass auf Grundlage der Uniting for Peace - Resolution die Entsendung einer multinationalen Friedenstruppe, der United Nations Emergency Force (UNEF I), beschlossen wurde.

 

Diese sollte die Feuerpause, die kurz zuvor auf Druck der USA durchgesetzt worden war und den Abzug der Streitkräfte Frankreichs, Großbritanniens und Israels aus dem ägyptischen Staatsgebiet überwachen.[42]

 

Vor diesem Einsatz gab es bereits zwei Missionen, die im Nachhinein als Peacekeeping - Operationen bezeichnet werden können, für die dieser Begriff allerdings noch nicht ausdrücklich verwendet worden war: Die United Nations Truce Supervision Organization (UNTSO)[43] und die United Nations Military Observer Group in India and Pakistan (UNMOGIP)[44]. Beide hatten die Aufgabe, Waffenstillstände zu überwachen, und dauern bis heute an.

 

Peacekeeping in seiner ursprünglichen Form umfasste Maßnahmen der Vereinten Nationen, die von der Entsendung unbewaffneter Militärbeobachter bis zum Einsatz leichtbewaffneter militärischer Friedenstruppen reichten.[45] Das klassische Peacekeeping der ersten Generation stellt eine Form der militärischen Friedenssicherung dar, die jedoch, im Gegensatz zu den Maßnahmen gemäß Kapitel VII, nicht auf Zwang beruhte. Zudem ist das Einverständnis aller Konfliktparteien bezüglich des Einsatzes von Friedenstruppen erforderlich. Dadurch wird in gewissem Maße ein Veto im Sicherheitsrat umgangen, da es eher auszuschließen ist, dass nach der Zustimmung der betroffenen Staaten eines der ständigen Mitglieder den Einsatz blockiert.[46]

 

Somit ist der Begriff des Peacekeeping, welcher in der UN - Charta keinen näheren Niederschlag gefunden hat, gewissermaßen als eine Art „Modifikation“, angesiedelt zwischen den „weichen“ Maßnahmen nach Kapitel VI und den „harten“ Maßnahmen nach Kapitel VII, zu verstehen. Der damalige UN - Generalsekretär Dag Hammarskjøld bezeichnete diesen Bereich der Friedenssicherung daher auch als „chapter six-and-a-half“ (Kapitel VI ½).[47]

 

3.2. Grundsätze des Peacekeeping


 

Im Vorfeld der ersten Friedenssicherungseinsätze nach dem Peacekeeping - Prinzip formulierte Hammarskjøld in mehreren Berichten an den Sicherheitsrat und die Generalversammlung wichtige Grundprinzipien, nach denen die Friedensmissionen ablaufen sollten. Die wichtigsten möchte ich hier kurz erläutern:

 

1. Konsens: Das Mandat, auf welcher Peacekeeping - Operationen der klassischen Art beruhen, kann ohne einen Konsens aller Konfliktparteien weder beschlossen, noch erneuert oder geändert werden.[48] Dies bedeutet im Endeffekt, dass der Einsatz von Friedenstruppen durch die Vereinten Nationen nur dann erfolgen kann, wenn sich alle involvierten Parteien darüber einigen, ob diese Truppen zum Einsatz kommen und welche Tätigkeiten zu ihrem Aufgabenfeld gehören sollen. Dafür ist natürlich zumindest ein Waffenstillstand erforderlich. Der Konsens als wichtigste Vorraussetzung soll vor allem die Akzeptanz der „Blauhelm - Soldaten“ vor Ort erhöhen, die andernfalls leicht in Kampfhandlungen miteinbezogen werden könnten. Selbstverständlich dient dies im Endeffekt auch dazu, die Bereitschaft der UN - Mitgliedsstaaten bezüglich der Bereitstellung von Truppen für den jeweiligen Einsatz zu steigern. Zwar kann der Staat, in dem die Operation stattfindet, seine Zustimmung widerrufen, jedoch geschah dies lediglich ein einziges Mal in der Geschichte der klassischen Peacekeeping - Operationen.[49] Neben dem Konsens zwischen den Konfliktparteien ist selbstverständlich die Einigkeit auch innerhalb der Vereinten Nationen bezüglich des Einsatzes von Friedenstruppen eine Grundvorrausetzung für das Peacekeeping.

2. Verantwortlichkeit der Vereinten Nationen: Die klassischen Peacekeeping - Operationen werden durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen autorisiert und unter der operativen Leitung des Generalsekretärs durchgeführt. Auch hat für die Zeit des Einsatzes in militärischer Hinsicht der, vom Generalsekretär ernannte, Force Commander die Kommandogewalt über die Truppen. Dies führte dazu, dass die Friedenstruppen zwar in allgemein- und dienstrechtlicher Hinsicht ihrem Herkunftsland unterstanden, jedoch im Einsatz gewissermaßen als „Nebenorgane“ des Sicherheitsrates fungierten.[50] Diese Tatsache erhöhte die Akzeptanz der Friedensmissionen durch das betroffene Land, welches sich eventuell durch den Einsatz fremder Truppen in seinem Hoheitsgebiet bedroht fühlen und daher die Operation ablehnen könnte.

3. Unparteilichkeit: Die von den Vereinten Nationen im Rahmen einer Peacekeeping - Operation der ersten Generation eingesetzten Truppen müssen strikte Unparteilichkeit bewahren. Die Autoren Sven Bernhard Gareis und Johannes Varwick bezeichnen die eingesetzten „Blauhelm - Soldaten“ der klassischen Friedensmissionen daher auch als „Pufferzone“ zwischen den Streitkräften der Konfliktparteien.[51] Ein Eingreifen in den Konflikt war in klassischen Peacekeeping - Operationen nicht vorgesehen, nicht einmal im Fall einer Verletzung des Waffenstillstandes durch eine der Parteien. Dieses Prinzip der non - intervention sollte vor allem die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen in Bezug auf die Bemühung zur friedlichen Konfliktbeilegung unterstreichen.[52] Zudem sollte bei der Zusammensetzung der Truppen stets darauf geachtet werden, die Länder, welche die Soldaten bereitstellen, bewusst so auszuwählen, dass der jeweilige Konflikt in keinem Zusammenhang mit ihren eigenen Interessen steht.

4. Selbstverteidigung: Die Truppen, die im Rahmen der Friedensmissionen eingesetzt werden, sind im Gegensatz zu unbewaffneten Beobachtergruppen, in der Regel mit leichten Handfeuerwaffen ausgerüstet, die sie jedoch ausschließlich zur Selbstverteidigung einsetzen dürfen. Bis in die 1990er Jahre hinein war der Waffengebrauchsrecht der „Blauhelme“ äußerst eingeschränkt, da man den Konfliktparteien keinen Vorwand liefern wollte, die Friedenstruppen in die Kampfhandlungen einzubeziehen.

5. Freiwilligkeit: Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Entsendung von Truppen im Rahmen einer Peacekeeping - Operation nicht um eine Zwangmaßnahme gemäß Kapitel VII handelt, sondern eher um eine Empfehlung, wie sie in Kapitel VI zu finden ist, ist den Mitgliedsstaaten freigestellt, ob sie der jeweiligen Mission Teile der eigenen Truppen zur Verfügung stellen. Ebenso können die Staaten ihre Truppen jederzeit wieder zurückziehen.

 

3.3. Die ersten vier Jahrzehnte der Friedenssicherung


 

Beginnend mit der bereits angesprochenen UNEF I - Mission fanden im Verlauf der ersten vier Jahrzehnte der UN - Friedenssicherung insgesamt 13 Friedensmissionen im Rahmen des klassischen Peacekeeping statt, von denen lediglich acht abgeschlossen...

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