In diesem Kapitel der vorliegenden Diplomarbeit wird beschrieben, wie mit den technisch-organisatorischen Herausforderungen und Problemstellungen im Projektmanagement eines globalen SAP System-Rollout verfahren werden kann. Die Zielsetzung muss hierbei lauten, eine möglichst effiziente und wirtschaftliche Zielerreichung des geplanten Projekts sicherzustellen.
Die Multinationalität eines solchen Projekts, sowie die Vorgehensweise eines Rollout bei der globalen SAP Systemeinführung stellt das gesamte Projektteam neben den ohnehin vorhandenen Aufgaben vor zusätzliche Herausforderungen. Es sind zusätzliche Faktoren im Projektmanagement eines Rollout zu berücksichtigen, die bei einer normalen SAP-Implementierung in einem deutschen Unternehmen vernachlässigt werden können. Hierzu zählen beispielsweise:
Unterschiedliche Sprachen, Sonderzeichen und landesspezifische Datumsformate
Berücksichtigung unterschiedlicher Zeitzonen
Berücksichtigung umfangreicher Reisetätigkeiten des Projektteams
Berücksichtigung unterschiedlicher Kontenpläne
Länderspezifische Verfahren zur Lohn- und Gehaltsabrechnung
Berücksichtigung des gesetzlich geforderten Berichtswesens im Rechnungswesen des Ziellandes
Steuerliche Besonderheiten für die Rechnungsprüfung sowie nationale Rechtsvorschriften im Zielland
usw.
Alle diese Aspekte erhöhen die Komplexität eines Rollout gegenüber anderen Einführungsprojekten und verlangen besondere Berücksichtigung in der Projektdurchführung.
Das Vorgehen bei der Projektarbeit wird im Folgenden durch vier elementare Phasen bestimmt. Dabei handelt es sich erstens um die Phase der Projektinitialisierung, zweitens um die Phase der Konzeption eines globalen Templates, drittens um den Rollout in die Landesgesellschaften und viertens um die Phase des globalen Produktivbetriebs. Abb. 2 zeigt anschaulich die geplante Vorgehensweise in ihren groben Zügen auf.
Abb. 2: Phasenkonzept eines globalen SAP System-Rollout
Quelle: eigene Darstellung
Die einzelnen Phasen werden zunächst jeweils theoretisch betrachtet. Jede Phase gliedert sich in einzelne Arbeitspakete die strukturiert umzusetzen sind. Zum Abschluss einer jeden Phase wird anhand von Gestaltungsempfehlungen ein direkter Bezug zwischen den theoretischen Inhalten der vorliegenden Diplomarbeit und dem praktisch umzusetzenden globalen SAP System-Rollout in der Wirtgen Group hergestellt werden.
Die erste Projektphase zu Beginn des gesamten Rolloutprojekts beschäftigt sich mit der Projektinitialisierung. Um die Durchführung des Rollout effektiv und effizient gestalten zu können, muss jederzeit gewährleistet sein, dass das gesamte Projektteam optimal zusammenarbeiten kann. Daher sollten in der Initialisierungsphase des Projekts standardisierte Projektabläufe aufgestellt und an alle Teammitglieder kommuniziert werden. Die Zielsetzung der Einführung von Projektstandards besteht darin, die Strukturen der Projektarbeit zu festigen und die Komplexität des Gesamtprojekts zu reduzieren. Durch ihre Anwendung wird insbesondere die Kommunikation der Projektmitarbeiter untereinander, sowie die Verständigung mit den Mitarbeitern der Landesgesellschaften enorm erleichtert. Bei den vielfältigen Möglichkeiten zur Definition von Projektstandards ist allerdings darauf zu achten, dass eine überschaubare Menge an Methoden und Werkzeugen zum Einsatz kommt, sodass überflüssige Arbeit vermieden wird, die inhaltliche Konsistenz der Projektarbeit jedoch jederzeit gewährleistet ist.[16]
Bereits vor Anfertigung der vorliegenden Diplomarbeit wurden in der Wirtgen Group einige Arbeitspakete der ersten Phase ausgeführt und entsprechende Ergebnisse definiert. So besteht beispielsweise zum jetzigen Zeitpunkt bereits Klarheit über das konkrete Projektziel, sowie die zugrunde liegende Einführungsstrategie für die globale Implementierung des SAP-Systems (vgl. Kap. 2). Gerade diese beiden Aufgaben können als wichtigste Arbeitsschritte dieser Projektphase angesehen werden[17], weil nur über geregelte Zielvereinbarungen eine Möglichkeit besteht das Gesamtprojekt und die jeweiligen Organisationseinheiten qualifiziert zu führen, zu steuern und zu entwickeln.[18]
Über diese beiden Arbeitspakete hinaus sind jedoch noch weitere Arbeitspakete auszuführen, bei denen es besonders in dieser ersten Vorbereitungsphase eines Rollout darum geht, grundlegende Entscheidungen zu treffen, um einen reibungslosen Projektablauf sicher zu stellen.
Für die Durchführung eines großvolumigen Rolloutprojekts ist zu Projektbeginn eine geeignete Projektorganisation zu definieren. Die Festlegung dieser Organisationsstruktur ordnet den Projektmitgliedern eine bestimmte Rolle zu, die einzuhaltende Entscheidungswege im Projekt definiert.[19] Sie wird zu dem Zeitpunkt arbeitsfähig, an dem die Projektmitarbeiter verbindlich für das Projekt gewonnen werden und ihre Position in den Organisationsstrukturen einnehmen.[20]
Die Vorgehensweise eines Rollout macht es erforderlich bereits bei dem Entwurf der Organisationsstrukturen zu berücksichtigen, dass die Projektorganisation mehrfach in unterschiedlichen dezentralen Einführungsprojekten Anwendung finden muss und dadurch einen hohen Standardisierungsgrad besitzen sollte. D.h. konkret, dass die Positionen übergeordneter Ebenen und Entscheidungsgremien während des gesamten Rollout nahezu konstant bleiben. Erst ab der Position des Projektleiters ist ein ständiger Wechsel der Projektmitarbeiter erforderlich, weil die Projektmitarbeiter der unterschiedlichen Landeseinheiten in die Projektarbeit einzubeziehen sind.
Die Bildung eines Projektteams ist grundsätzlich immer an der Aufgabenstellung auszurichten. Nach erfolgter Definition der auszuführenden Tätigkeiten sind die Teammitglieder auszuwählen. Der Hintergrund eines globalen Rollout erfordert eine sog. semi-flexible Zusammensetzung des gesamten Projektteams.[21] In dieser Projektphase geht es zunächst darum ein Kernteam von wenigen Mitarbeitern zu bilden, die das Projekt während der gesamten Laufzeit betreuen und somit den inflexiblen Anteil der Projektmitglieder bilden. Dabei handelt es sich insbesondere um die leitenden Gremien, sowie geeignete internationale Projektmanager. Bei der Auswahl der internationalen Projektmanager spielt die individuelle fachliche Kompetenz der potenziellen Teammitglieder die entscheidende Rolle. Die Unterstützung des Kernteams erfolgt in Phase 3, die den intensiven Rollout darstellt, durch die Mitarbeiter der jeweiligen Landesgesellschaften, sowie durch externe Berater, die ihr spezielles Fachwissen in die Projektarbeit einfließen lassen (vgl. Kap. 3.2.4). Je Land und lokalem Implementierungsprojekt ändert sich demnach das Projektteam teilweise in seiner Zusammensetzung, wodurch dieser Anteil der Projektmitglieder als flexibel zu bezeichnen ist. Die Besetzung der flexiblen Positionen erfolgt in dem ersten Arbeitspaket einer lokalen Systemimplementierung. Hierauf wird an anderer Stelle konkret Bezug genommen (vgl. Kap. 3.3.1).
Das Arbeitspaket zur Festlegung der inflexiblen Projektsstrukturen besitzt eine hohe Bedeutung für das Gesamtprojekt, weil an dieser Stelle für das Unternehmen am ehesten die Möglichkeit besteht auf den Projektverlauf des Rollout durch eine entsprechende Personalpolitik Einfluss zu nehmen. Von den internationalen Projektmanagern werden insbesondere folgende Fähigkeiten verlangt:
Erfahrung in der Einführung und im Einsatz von SAP-Systemen
Internationale Projekterfahrung
Sehr gute englische Sprachkenntnisse
Bereitschaft zu umfangreicher Reisetätigkeit und Auslandsaufenthalten
Weil das Projektteam bei der Durchführung eines globalen SAP System-Rollout ebenfalls für einen reibungslosen Ablauf des Veränderungsprozesses in den Landesgesellschaften verantwortlich ist und die Umsetzung eines geeigneten Change Management Konzepts ein gewisses Fingerspitzengefühl verlangt (vgl. Kap. 4), sind erste Erfahrungen in diesem Bereich ebenfalls von Vorteil.[22]
Drei persönliche Eigenschaften, die jedes Teammitglied weiterhin unbedingt mitbringen sollte sind hohes Engagement, ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten...