Sie sind hier
E-Book

Warum ich nicht mehr glaube

Wenn junge Erwachsene den Glauben verlieren

AutorMartin Hofmann, Tobias Faix, Tobias Künkler
VerlagSCM R.Brockhaus im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl248 Seiten
ISBN9783417227109
Altersgruppe25 – 60
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wie verliert man seinen Glauben? Warum geht es oft jungen Leuten so? Die Autoren lassen Menschen zu Wort kommen, die sich vom Glauben abgewandt haben, und forschen nach Gründen. Sie stoßen auf Erschütterndes genauso wie auf Unverständliches, auf Herausforderndes wie Bedauernswertes. Auch wenn jeder seine eigene Geschichte hat, lassen sich doch bestimmte Leitmotive ausmachen, die zu einer Abwendung vom Glauben beitragen. Ein erhellendes Buch für Pastoren, Jugendleiter etc.

Dr. Tobias Faix lebt mit seiner Familie in Marburg und arbeitet als Professor für Praktische Theologie an der CVJM-Hochschule in Kassel. Dort leitet er den Masterstudiengang Transformationsstudien und das Forschungsinstitut empirica für Jugend, Kultur und Religion. Kirchlich engagiert er sich in der Landessynode der EKKW und in der Kammer für Soziale Ordnung der EKD.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Kapitel 1


Annäherungen an ein verdrängtes Thema


„Ich habe angefangen, Traditionen und Handlungsweisen kritisch zu hinterfragen. Dabei ist mir langsam bewusst geworden, dass man Halt, Gemeinschaft, Freundschaft, Liebe bei seinen Mitmenschen findet und kein höheres imaginäres Wesen dafür braucht.“

Theo

„Ich habe die Anwesenheit Gottes nicht mehr gespürt und aufgrund einer starken Krankheit und diverser unerhörter Hilfegesuche ist mein Vertrauen gesunken. Auch ohne Gott und die christliche Gemeinschaft hatte ich genug Halt in meinem Leben, um dieses gut zu bewältigen.“

Henning

Vom neuen Atheismus zum Jüdischen Museum


Als wir begannen, uns mit dem Thema Dekonversion zu beschäftigen, fiel uns – wie zu erwarten war – auf, dass wir nicht die Einzigen sind, die sich damit beschäftigen. So stiefmütterlich es auch bislang von der Theologie behandelt wurde, wird es in ganz anderen Bereichen umso vielfältiger thematisiert und bearbeitet. Wir haben dazu vieles gesammelt, untersucht und ausgewertet. Letztlich greifen wir nun drei Schwerpunkte auf, die uns wichtig erscheinen, da sie die ganze Bandbreite widerspiegeln, in der das Thema diskutiert wird: den „neuen Atheismus“, Literatur und eine Ausstellung.

Wenn es Gott nicht geben darf: Richard Dawkins und der „neue Atheismus“


Infolge der Anschläge des 11. Septembers 2001 entwickelte sich der sogenannte „neue Atheismus“, dessen bekanntester Vertreter der britische Biologe Richard Dawkins ist. Sein 2006 in Deutsch erschienenes Werk Der Gotteswahn machte ihn zum Gesicht einer ganzen Bewegung. Der neue Atheismus hat zum Ziel, die Schädlichkeit von Religionen insgesamt zu beweisen und die Existenz Gottes zu widerlegen. Und dies tut er scheinbar mit Erfolg, so beginnt beispielsweise T. Jannusch seine Rezension des Buches im Internet mit folgenden Sätzen:

Ursprünglich bin ich mit der Haltung an das Buch gegangen, „know your enemy“. Leider ist es ja so, dass man oft erst die negativen Meinungen mitbekommt. Doch im Laufe der Seiten schmunzelte ich zuerst. Dann war es schon ein handfestes Grinsen. Gegen Ende hin kann ich nur sagen, dass ich schlichtweg begeistert bin!

So wie T. Jannusch ging es wohl auch anderen, die sich mit Dawkins Gotteswahn auseinandergesetzt haben. Der Autor entwickelt in seinem Buch die Hypothese, dass Religiosität und Gottesglauben nichts weiter als der Ausdruck einer massenhaft vorkommenden und menschlichen Projektion eigener Wünsche und Notwendigkeiten seien. Seine Argumente sind dabei für die einen logisch nachvollziehbar und für die anderen reiner Blödsinn. Das Buch verkaufte sich bisher über zwei Millionen Mal im englischen Original und über 250 000 Mal in der deutschen Übersetzung.

Doch nicht nur Dawkins hat die Diskussion um den neuen Atheismus angeheizt, sondern auch andere Werke wie Uwe Lehnerts Buch Warum ich kein Christ sein will: Mein Weg vom christlichen Glauben zu einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung oder Christopher Hitchens Der Herr ist kein Hirte: Wie Religion die Welt vergiftet. Beide Titel sind Bestseller und zeigen, wie intensiv dieses Thema momentan wahrgenommen und diskutiert wird. Natürlich gibt es auch Gegenmeinungen wie Der Atheismus-Wahn: Eine Antwort auf Richard Dawkins und den atheistischen Fundamentalismus vom Oxford-Professor Alister McGrath oder vom deutschen Philosophen Richard David Precht, der in seinem Buch Liebe: Ein unordentliches Gefühl Dawkins jegliche Wissenschaftlichkeit aberkennt und seine Theorien als veraltet und wenig überzeugend bezeichnet.5

Wir wollen an dieser Stelle gar nicht länger auf die Sinn- oder Unsinnigkeit der Argumente dieser Bewegung eingehen, sondern darauf hinweisen, dass sie auf breite Resonanz innerhalb der westlichen Welt trifft, wo die institutionelle Religiosität an Bedeutung verliert und die Phase der Postsäkularisierung begonnen hat. Dies bedeutet, dass es immer mehr Formen von Glaubensüberzeugungen gibt, die sich in ihrer Unübersichtlichkeit vor allem neben den großen Kirchen zeigen. Dabei gibt es auch eine in der Öffentlichkeit immer stärker werdende Positionierung von atheistischem Gedankengut, wobei man letztlich vier verschiedene Strömungen unterscheiden kann, wie eine amerikanisch-kanadische Studie festgestellt hat: (1) Atheismus aufgrund eines fehlenden Vorstellungsvermögens für eine höhere Wirklichkeit, (2) Gleichgültigkeit gegenüber Religion aufgrund andauernder existenzieller Sicherheit, (3) fehlende kulturelle Anregungen für religiöse Rituale und Symbole und (4) begründeter Atheismus.6

Interessanterweise können laut dieser Studie nur die wenigsten ihren Unglauben rational begründen. Man kann eher von einer „atheistischen Sozialisation“ sprechen, die viele der Befragten geprägt hat. Darüber hinaus merken die Autoren kritisch an, dass es zu wenige Gläubige gibt, die ihren Glauben so anschaulich erklären können, dass er für Atheisten interessant wäre. Es gibt also, ähnlich wie beim Glauben, auch beim Unglauben unterschiedliche Formen und Motive, auf die wir in diesem Buch immer wieder stoßen werden.

Wir waren bei der Auswertung der von uns geführten Interviews überrascht, dass das Thema neuer Atheismus für einige doch eine wichtige Rolle bei ihrer Abwendung vom Glauben spielte. Die Fragen, die Dawkins und Co. in ihren Büchern stellen, haben bei einigen einen Prozess ausgelöst, der mehr von ihrem Glauben hinterfragt hat, als sie zunächst annahmen.

„Zur Ehre Gottes ein Kleid“: das Thema Dekonversion in aktuellen Romanen


Neben der Brisanz, die das Thema neuer Atheismus in den letzten Jahren hatte, wurden wir auch auf zwei (autobiografische) Romane aufmerksam, die sich mit dem Thema Dekonversion auseinandersetzen. Trotz ihrer Verschiedenheit haben sie einige Parallelen. Während die Berliner Journalistin Sabine Rennefanz in Eisenkinder klar zu erkennen gibt, dass es sich bei den Geschehnissen im Buch um „ihre Geschichte“ handelt, sucht die Kölner Autorin Claudia Schreiber mit ihrem Roman Ihr ständiger Begleiter mehr Abstand. Erst durch verschiedene Interviews und andere Informationen wird klar, dass es auch bei ihr autobiografische Bezüge gibt.7 Beide Bücher geben einen guten Einblick in die psychologische und biografische Auseinandersetzung mit dem Thema Dekonversion.

Was im Leben Halt gibt


Sabine Rennefanz, Journalistin in Berlin (Berliner Zeitung) und 1974 in der Nähe von Eisenhüttenstadt geboren, beschreibt in ihrem Buch Eisenkinder: Die stille Wut der Wendegeneration ihr bisheriges Leben und legt dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Auswirkungen, die die Wiedervereinigung auf sie hatte. Es geht um den Prozess, nach dem Zusammenbruch aller Autoritäten, eine neue, eigene Identität zu entwickeln.

Mit 15 Jahren wird ihr durch die Wende die Heimat genommen und sie muss lernen, sich in einem neuen System zurechtzufinden. Eingebettet ist ihre Geschichte in das Geschehen um die gleichaltrigen Protagonisten des NSU, die aus ähnlichem Milieu wie die Autorin kommen. Sie fragt sich, warum ihr Leben diesen Verlauf genommen hat und nicht einen anderen bzw. ob das Aufwachsen in der ehemaligen DDR eine rechtsradikale Einstellung fördert und wie Ideologien entstehen. Sabine Rennefanz jedoch wurde weder rechtsnoch linksradikal, sondern bekehrte sich zu Jesus und begann einen Lebensstil entschiedener Nachfolge:

Nachdem das System der DDR zusammengebrochen ist, kommt Sabine Rennefanz in ein Milieu evangelikaler Freikirchen und lernt, die Herrschaft ihres Lebens jemandem ganz anderem zu geben. Schnell eignet sie sich den frommen Habitus an, lässt sich taufen, arbeitet in der Gemeinde mit und macht Missionsarbeit. Sie schreibt über diese Zeit weder neutral noch objektiv, sondern eher distanziert, vielleicht auch anklagend, aber nicht so sehr gegenüber den Mitchristen der damaligen Zeit, sondern gegenüber sich selbst. Sie fragt sich, wie sie sich trotz ihrer Bildung und Intelligenz diesen Lebensstil aneignen konnte. Den Schlüssel dafür sieht sie im Systemwechsel von der DDR zur BRD und einer fehlenden „Betriebsanleitung“ für das neue Leben. Die freikirchlichen Evangelikalen mit ihrer, wie sie es beschreibt, fundamentalistischen Grundeinstellung füllten hier eine Lücke. Zentraler Punkt sowohl für ihre Bekehrungsals auch Entkehrungsgeschichte ist die Frage nach Identität und Heimat in einem „übernommenen“ Staat, der sie als junge Frau identitätslos zurückgelassen hat. Ihre autobiografische Hypothese lautet deshalb, dass sie jeglicher Ideologie hätte verfallen können, wenn sie in dieser Zeit andere Menschen als Christen getroffen hätte. So schreibt sie:

Sechs Jahre nach der Wende sehnte ich mich nach Vorbildern, nach Halt, nach Orientierung. Wenn Katharina eine clevere Neonazi-Frau gewesen wäre oder eine radikale Muslimin, hätte sie mich vielleicht ganz genauso auf ihre Seite gezogen. Der Inhalt schien fast austauschbar. Ich kam aus einer Welt, in der Gut und Böse unterschieden wurde. Man konnte nicht beides sein, man musste sich entscheiden. Das machte mich anfällig für einfache Wahrheiten.8

Die Themen „Mündigkeit und Manipulation“ ziehen sich als Leitmotive durch das gesamte Buch und werfen viele interessante Fragen auf. Rennefanz beschreibt ihre Begegnungen mit Christen als junge Studentin in Hamburg aus der heutigen Perspektive selbstkritisch. So schreibt sie über ihre...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Theologie

Sich verzehrender Skeptizismus

E-Book Sich verzehrender Skeptizismus
Läuterungen bei Hegel und Kierkegaard - Kierkegaard Studies. Monograph SeriesISSN 12 Format: PDF

The study focuses on the sceptical forms of thought and expression with which Hegel and Kierkegaard link the claim for absolute truth. With his 'self-completing scepticism' (Phenomenology of…

Sich verzehrender Skeptizismus

E-Book Sich verzehrender Skeptizismus
Läuterungen bei Hegel und Kierkegaard - Kierkegaard Studies. Monograph SeriesISSN 12 Format: PDF

The study focuses on the sceptical forms of thought and expression with which Hegel and Kierkegaard link the claim for absolute truth. With his 'self-completing scepticism' (Phenomenology of…

500 Jahre Theologie in Hamburg

E-Book 500 Jahre Theologie in Hamburg
Hamburg als Zentrum christlicher Theologie und Kultur zwischen Tradition und Zukunft. Mit einem Verzeichnis sämtlicher Promotionen der Theologischen Fakultät Hamburg - Arbeiten zur KirchengeschichteISSN 95 Format: PDF

This essay collection presents a multi-facetted overview of five centuries of cultural history and the history of Christianity in Hamburg; at the same time, it places local historical aspects…

Werner Elerts apologetisches Frühwerk

E-Book Werner Elerts apologetisches Frühwerk
- Theologische Bibliothek TöpelmannISSN 142 Format: PDF

This study opens up a hitherto neglected chapter in the history of theology that at the same time reconstructs exemplars of problem complexes and lines of argumentation which are of present-day…

Werner Elerts apologetisches Frühwerk

E-Book Werner Elerts apologetisches Frühwerk
- Theologische Bibliothek TöpelmannISSN 142 Format: PDF

This study opens up a hitherto neglected chapter in the history of theology that at the same time reconstructs exemplars of problem complexes and lines of argumentation which are of present-day…

Albrecht Ritschl: Vorlesung 'Theologische Ethik'

E-Book Albrecht Ritschl: Vorlesung 'Theologische Ethik'
Auf Grund des eigenhändigen Manuskripts - Arbeiten zur KirchengeschichteISSN 99 Format: PDF

This first published edition of his lectures on ethics reflects the theology of Albrecht Ritschl (1822-1889) at a time when he advanced to become the most significant Protestant theologian in…

Die Welt der Götterbilder

E-Book Die Welt der Götterbilder
- Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche WissenschaftISSN 376 Format: PDF

Divine images create their own world of theological reflection and religious practice. Pictorial representations have to reduce complexity, yet at the same time they create their own complexity.…

Die Welt der Götterbilder

E-Book Die Welt der Götterbilder
- Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche WissenschaftISSN 376 Format: PDF

Divine images create their own world of theological reflection and religious practice. Pictorial representations have to reduce complexity, yet at the same time they create their own complexity.…

Die Welt der Götterbilder

E-Book Die Welt der Götterbilder
- Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche WissenschaftISSN 376 Format: PDF

Divine images create their own world of theological reflection and religious practice. Pictorial representations have to reduce complexity, yet at the same time they create their own complexity.…

Weitere Zeitschriften

Atalanta

Atalanta

Atalanta ist die Zeitschrift der Deutschen Forschungszentrale für Schmetterlingswanderung. Im Atalanta-Magazin werden Themen behandelt wie Wanderfalterforschung, Systematik, Taxonomie und Ökologie. ...

Correo

Correo

 La Revista de Bayer CropScience para la Agricultura ModernaPflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und am Thema Interessierten mit umfassender ...

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg) ist das offizielle Verbandsorgan des Württembergischen Landessportbund e.V. (WLSB) und Informationsmagazin für alle im Sport organisierten Mitglieder in Württemberg. ...

DGIP-intern

DGIP-intern

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e.V. (DGIP) für ihre Mitglieder Die Mitglieder der DGIP erhalten viermal jährlich das Mitteilungsblatt „DGIP-intern“ ...

dima

dima

Bau und Einsatz von Werkzeugmaschinen für spangebende und spanlose sowie abtragende und umformende Fertigungsverfahren. dima - die maschine - bietet als Fachzeitschrift die Kommunikationsplattform ...

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS ist seit mehr als 25 Jahren die Fachzeitschrift für den IT-Markt Sie liefert 2-wöchentlich fundiert recherchierte Themen, praxisbezogene Fallstudien, aktuelle Hintergrundberichte aus ...

Euro am Sonntag

Euro am Sonntag

Deutschlands aktuelleste Finanz-Wochenzeitung Jede Woche neu bietet €uro am Sonntag Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Themen Geldanlage und Vermögensaufbau. Auch komplexe Sachverhalte ...