Dr. med. Christian Fulghum, endogap-Klinik Garmisch Partenkirchen
Eigeninitiative ist das A und O des Operationserfolgs
Dr. med. Christian Fulghum ist Chefarzt der endogap-Klinik für Gelenkersatz in Garmisch-Partenkirchen. Das Klinikum Garmisch-Partenkirchen befasst sich seit 1969 mit dem künstlichen Ersatz von Hüft- und Kniegelenken und ist dafür weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt. Der erste Chefarzt in Garmisch-Partenkirchen, der im Mai 2013 verstorbene Professor Dr. med. Fritz Lechner, war im süddeutschen Raum der Pionier für diese chirurgisch-orthopädischen Eingriffe. Ab 1991 folgte ihm sein Oberarzt Dr. med. Holm Schlemmer, der die Abteilung entscheidend ausbaute und die endogap unter die Top-5 der Endoprothesen-Kliniken in Deutschland führte.
Seit 2010 ist Dr. med. Christian Fulghum, ebenfalls ehemals Oberarzt von Dr. Schlemmer, Chefarzt der endogap. Als eine der ersten Kliniken deutschlandweit hat die endogap-Klinik im November 2012 das Qualitäts-Zertifikat „endocert“ erhalten und darf sich seither „EndoProthetikZentrum“ nennen. Schon in unserem Buch „Mut zur neuen Hüfte!“ stand der 1956 in New Jersey, USA, geborene Dr. Fulghum den Lesern mit Rat und Tat zur Seite. Autor Peter Herrchen hat seine zweite künstliche Hüfte 2008 in Garmisch-Partenkirchen bekommen – und einige der Betroffenen in diesem Buch ihre Knie-TEP (Rudi Rauch, Michael Pause).
Herr Dr. Fulghum, der Einsatz von künstlichen Hüftgelenken gehört seit vielen Jahren zu den Routine-Eingriffen. Inzwischen werden aber auch über 160.000 künstliche Kniegelenke pro Jahr eingesetzt. Können Sie als Chefarzt der endogap-Klinik für Gelenkersatz diesen Trend auch in Ihrer Klinik bestätigen? Und was sind die besonderen Herausforderungen dieser OP?
Dr. Fulghum: Die Zahl der Kniegelenk-Ersatz Operationen hat sich in den letzten Jahren weltweit deutlich gesteigert. Das liegt vor Allem in der wesentlich verbesserten OP-Technik, den heute verfügbaren guten Implantaten, deren Langlebigkeit und der daraus gewonnenen Erfahrung, dass Knie-Endoprothesen „funktionieren“. Das wusste man früher nicht, und daher wurde oft vor diesem Eingriff so lange gewarnt, bis die/der Betroffene maximal beeinträchtigt war.
Auch in Deutschland holen die Knie gegenüber den Hüften auf, was die OP-Häufigkeit betrifft.
In den USA werden derzeit wesentlich mehr Knie als Hüften implantiert. Das liegt auch nahe, denn im Gegensatz zum Hüftgelenk ist das Knie kompliziert, alleine schon vom Aufbau und der Funktion her. Da kann wesentlich mehr kaputt gehen (z. B. alte Verletzungen am Meniskus) und: In der Regel kennt jeder von uns mehr Menschen, die Knieprobleme haben als Hüftprobleme …. Auch in Deutschland und folglich auch bei uns, holen die Knie deutlich auf, was die OP-Häufigkeit betrifft, aber die Hüften führen noch eindeutig.
In unserer Wahrnehmung gibt es in Bezug auf Knie-Implantate eine größere Vielfalt der Modelle und Varianten als bei Hüft-Endoprothesen. Können Sie dies bestätigen? Wenn ja, wodurch unterscheiden sich diese? Und was hat sich in Ihrer Klinik bewährt?
Dr. Fulghum: Die Vielzahl der Versorgungsformen und Varianten erklärt sich aus der Komplexität des Gelenks und den verschiedenen Aufgaben, die die Implantate erfüllen sollen. Von der Überkronung von Teilen des Kniegelenks (Uni-Schlitten, Kniescheibenrückfläche u. a.), der komplett neuen Gelenkfläche (Doppelschlitten, Oberflächenersatz) bis zu teil- oder komplett gekoppelten Kniesystemen, letztere zur Stabilisierung von instabilen Gelenksituationen, sind verschiedene Implantate nötig, um die unterschiedlichen Probleme, die entstehen können, zu beheben. Es gibt demnach nicht ein Implantat, das in allen Lagen passt, sondern der Spezialist wählt jeweils zur individuellen Situation das richtige Gelenk oder Teilgelenk aus.
Nach unserer Recherche gibt es vier Zugangsarten zum OP-Gebiet. Welche empfehlen und praktizieren Sie? Und wo liegen die wesentlichen Unterschiede? (Stichwort minimalinvasiv)
Dr. Fulghum: Grundsätzlich unterscheidet man den Zugang von der Knie-Innenseite (medialer Zugang) von dem der Knie-Außenseite (lateraler Zugang). Er wird meist je nach Art des Knieschadens gewählt (Arthrose mehr außen oder innen betont). Daneben wird an immer weniger beeinträchtigenden Zugangsverfahren gearbeitet (minimalinvasiv), um die Schäden an den Weichteilen so klein wie möglich zu halten.
Der Spezialist operiert so, dass Weichteile und Knochen so gering wie möglich beeinträchtigt und geschädigt werden.
Der Begriff minimalinvasiv ist leider nicht besonders gut gewählt, da damit die Vorstellung von „Schlüssellochchirurgie“, wie z. B. bei der Gelenkspiegelung (Arthroskopie) oder minimalinvasiven Bauchoperationen (an Blinddarm oder Gallenblase) verbunden ist, die bei der Kniegelenk-ersetzenden Operation nicht erfüllt werden kann. Das wird allein schon bei der unumgänglichen Größe des neu zu platzierenden Gelenks offensichtlich. Trotz des unbrauchbaren Begriffs ist es selbstverständlich, dass der Spezialist so operiert, dass Weichteile und Knochen so gering wie möglich beeinträchtigt und geschädigt werden: Die braucht man ja nach der OP dringend wieder.
Gibt es aus Ihrer Erfahrung allgemeine Aussagen dazu, ab wann und wie stark das künstliche Knie-Gelenk wieder belastet werden kann? Welche Rolle spielt dabei das allgemeine Körpergewicht?
Dr. Fulghum: Die Belastung des neuen Gelenks richtet sich vor allem nach den Beschwerden und der Weichteilsituation (Schwellung, Gelenkerguss etc.). Die Verankerung der Implantate im Knochen ist – außer in seltenen, komplexen Situationen – meist nicht die Ausschlag gebende Belastungskomponente. Daher „passiert“ auch nichts, wenn die/der neue Gelenkersatz-Inhaber aus Versehen am zweiten Tag nach der Operation das Bein voll belastet. Es kann dann zwar kurzzeitig mehr schmerzen, aber es entstehen keine dauerhaften Schäden.
Das operierte Gelenk braucht etwa drei Monate lang Schonung. Verbesserungen sind bis zu einem Jahr nach der OP möglich.
Schonung braucht das Gelenk für etwa drei Monate, in denen die Heilung hauptsächlich abläuft. Auch bis zu einem Jahr, selten auch zwei Jahre nach dem Eingriff sind allerdings noch weitere Verbesserungen des Ergebnisses möglich, denn gerade bei einer langen Leidensgeschichte vor der OP sind die Veränderungen an der Muskulatur und dem Bewegungsapparat insgesamt zum Teil erheblich. Das lässt sich nicht mit einem einstündigen Eingriff immer sofort beheben.
Das Körpergewicht spielt nach der Operation schon eine Rolle. Ob das neue Gelenk mit 50 oder 150 Kilogramm Körpergewicht belastet wird, ist nicht egal. Allerdings zeigen Langzeitstudien, dass Menschen mit höherem Gewicht im Vergleich zu Normalgewichtigen gleich gute Ergebnisse ihrer Knieprothesen aufweisen. Trotzdem ist es empfehlenswert, ein eventuelles Übergewicht zu reduzieren. Wenn die Knieschmerzen endlich weg sind, besteht ja dazu auch eine gute Gelegenheit (und eine Ausrede weniger…)!
Sie haben das endofit-Sportprogramm ins Leben gerufen. Welche Sportarten empfehlen Sie nach Knie-Operationen? Und wie sieht es mit potenziell weniger geeigneten Sportarten aus, die der Patient aber vorher intensiv ausgeübt hat und technisch beherrscht? Ist mit einem künstlichen Kniegelenk je wieder Joggen möglich?
Dr. Fulghum: Wie auch der Hüftgelenkersatz ist das künstliche Knie besonders für Sportarten geeignet, die wenig Belastungsspitzen aufweisen und das Gelenk eher gleichmäßig belasten. Diese sind z. B. Rad fahren, Schwimmen, Wandern, Skilanglauf, Nordic Walking etc.
Auch Sportarten wie Ski-Alpin, Joggen, Tennis etc. sind mit neuem Kniegelenk möglich – vorausgesetzt der Patient ist muskulär wieder fit und hat vor dem Wiedereinstieg trainiert!
Wichtig ist aber auch, dass der Patient die wieder angestrebte Sportart vor der OP bereits gut beherrscht hat. Dann ist der Bewegungsablauf bekannt und die Verletzungsgefahr minimiert, die Belastung insgesamt wesentlich kleiner. Auch Sportarten wie Ski-Alpin, Joggen, Tennis etc. sind mit neuem Kniegelenk dann möglich – aber nur, wenn der Patient muskulär wieder fit ist (Training vor dem Wiedereinstieg unbedingt nötig!).
Das von Ihnen erwähnte endofit-Sportprogramm bietet dem sportlichen Gelenkersatz-Patienten Gelegenheit, sich von kompetenter Seite medizinisch und trainigstechnisch mit Tipps und Tricks beraten zu lassen, um so den Wiedereinstieg in die geliebte angestrebte Sportart zu erleichtern. Angeboten werden bei uns bisher Bergsport, Golf, Ski-Alpin und Ski-Langlauf.
Trotz vieler Erfolgsgeschichten, die auch in Ihrer Hauszeitung, dem endolife Magazin, veröffentlicht werden, sind Komplikationen leider nicht auszuschließen. Wie hoch ist heute die allgemeine Komplikationsrate? Und wo steht Ihre Klinik im Vergleich? Wie machen Sie den Patienten Mut, sich operieren zu lassen bzw. wann würden Sie ggf. von einer Operation abraten?
Dr. Fulghum: Laut Statistik der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung in der stationären Versorgung (BAQ) liegt die Komplikationsquote bayernweit bei 4 %, unsere Klinik liegt bei 2,9 %. Enthalten sind hier je etwa zur Hälfte allgemeine Komplikationen (z. B. Thrombosen, Lungenentzündungen etc.) und eingriffsspezifische Komplikationen (z. B. Blutergüsse, Nervenschäden etc.).
Damit handelt es sich beim Kniegelenkersatz um einen...