Begrüßung in Heidelberg
Wir begrüßen Sie in einer mittelgroßen, besonders liebenswerten Provinzstadt mit modernem und internationalem Flair. Heidelberg liegt am Neckar, da wo dieser nach schleifigem Durchzug durch den Odenwald sich in die Rheinebene ergießt, um bei Mannheim in den Rhein zu münden. Der Neckar ist ein mäßiger und mittelgroßer Fluss. Er bezieht sein Wasser vom Schwarzwald und, durch seine östlichen Nebenflüsse Kocher und Jagst, auch aus der schwäbischen Alb. Wenn in den Einzugsgebieten Dauerregen den Schnee schmilzt, führt er regelmäßig Hochwasser, welches zuweilen bei der Alten Brücke die Uferstraße schwemmt. Nur selten treten mächtigere Hochwasser tiefer in die Altstadt. Auch das Neckarvorland in Neuenheim wird dann vorübergehend überschwemmt. Da solches, wenn schon, nicht im Sommer geschieht, hat der Neckar kaum Einfluss auf die sommerliche „Festwiese“, die reichlich und nächtelang von der feierlustigen Jugend genutzt wird. Den ruheliebenden Anwohnern ist der Fluss zwar lieb und gut, die nächtliche Unruhe aber weniger.
Zum letzten Mal ist der Fluss 1963 gänzlich und wochenlang zugefroren gewesen. Ob Klimaschwankungen oder das Atomkraftwerk bei Neckarwestheim die Eisfreiheit verursachten, wird in Heidelberg eifrig und kontrovers diskutiert.
Heidelberg und seine Einwohner leben mit dem Neckar seit jeher in guter und trauter Gemeinschaft. Die „Alte Brücke“ verbindet seit alters die Altstadt mit dem anderen Ufer und zwei moderne Brücken tragen den Verkehr aller Arten in die nördlichen Quartiere Neuenheim, Handschuhsheim und ins Neuenheimer Feld mit dem mächtig sich ausdehnenden Campus unserer Universität. Stattliche Siedlungen ziehen sich auf beiden Seiten die Hänge hinauf bis zum „Schloss“, das über der südlichen Seite thronend die Altstadt dominiert, während über dem nördlichen Ufer der „Philosophenweg“ Siedlungen und Freizeitgrundstücke gleichsam überkrönt.
Der Neckar ist durch ein Schleusenwerk mit 27 Schleusen schiffbar bis in den Stuttgarter Raum und verbindet unsere Region mit dem Elsass, mit Basel und den niederländischen Häfen an der Nordsee. Von Heidelberg, 105 m. ü Meereshöhe, fließt das Wasser noch gut 600 km bis zum Meer. Bis zu 80 Lastkähne passieren täglich die Stadt, sommers wie winters. Da der Güterverkehr auf den Wasserstraßen ausgebaut werden soll, wird dem Neckar eine Steigerung bis weit über 3 Mio. Tonnen jährlich zugemutet. Damit wäre nicht nur eine Steigerung der Schiffspassagen zu erwarten, sondern auch eine Verlängerung der Schleusen von 110 auf 140 Meter nötig. Hinzu kommt im Sommerhalbjahr die bunte Vielfalt von Fahrgastschiffen, die Touristen nach Heidelberg bringen. Heidelberg lebt am Fluss und ist mit diesem vertraut. Und dennoch tun sich die Heidelberger schwer mit dem ambitiösen Projekt „Stadt am Fluss“, welches Stadt und Bewohner durch alle Gruppierungen hindurch in zwei Lager zu spalten vermag. Im Wesentlichen geht es um eine Tunnelführung der Uferstraße und darüber ein breiter Fußgängerbereich aus der Altstadt heraus bis direkt an den Fluss.
Vor einigen Jahren wurde mit einem Flusskraftwerk an der Karlstorschleuse die stadteigene Energieversorgung gestärkt, als Beitrag zur ökologischen Zukunft. Dem steht das Uferprojekt zur Qualitätsverbesserung der Altstadt gleichsam gegenüber, als auch ein Ziel für die wohl eher ferne Zukunft. Und noch immer sind kontroverse Stimmen laut, unterschiedliche Visionen in vieldeutigen Sinnsprüchen zu propagieren, wie „Lieber Stadt am Strom als Stadt im Fluss“, um nur einen zu zitieren.
Die Lebensqualität der Stadt und die Attraktivität für Touristen sind Ansprüche, die auch beträchtliches Konfliktpotential enthalten. Dazu kommt die Frage, die immer wieder neu gestellt werden will, wie und mit welchen Mitteln und unter welchen Kompromissen man das eine oder das andere fördert. Solches kann wohl kaum trefflicher gezeigt werden, als durch eines der modernen Märchen:
Ein Sonnenmärchen
„Es war in der fernen Zeit, als Beata Textora die Geschäfte der Stadt führte. In der Zeit der kalten Kriege war es, als es geschah. Man sorgte zu Recht sich um die Kraft für die Stadt und die Bürger. Damals hatte der biblische Ausspruch „die Letzten werden die Ersten sein“ in der Abwandlung „die Kleinsten werden die Größten sein“ enormes Gewicht und wurde geglaubt. Und allenthalben zitiert, auch da wo es gar nicht passend erscheinen wollte. Es galt die feste Meinung der Kraftmeister, dass aus den Kleinsten der kleinen Teile die größte Kraft zu holen sei. Gewaltige Werke wurden erstellt. Man glaubte an sie, da Not war im Land und der Bedarf riesengroß. Andere Berater aber wähnten, wie einst der 13. Gast in den Märchen, es sei Teufelsgedanke und Höllenwerk, solches zu wagen. Beata Textora hörte auf alle und sie fürchtete auch ob des mirakulösen Kraftgewinns beinahe aus dem Nichts. Wieder besann sie sich auf die Weisheit des Verkünders und den Sinnspruch des heiligen Paulus aus Tarsus über „Glaube, Hoffnung und Liebe“, den sie zum Wohle ihrer Stadt abwandelt und zum künftigen Gewinn der Kraft verkündet:
„Wind, Wasser und Sonne,
aber die Sonne ist die Größte unter ihnen“.
So wurde dem Neckar an der Schleuse Kraft abgewonnen. Windmühlen wurden erstellt, bis deren Brausen die Bürger zu stören anfing in der Nacht. Und der Sonne wird, wie der Sinnspruch gebietet, die vorzügliche Kraft abgeluchst. Die Fallen, gleich schluckenden Spiegeln, wurden überall aufgestellt, Strahlen zu fangen. Auf Dächern, schräg angestellt, zieren sie allenthalben Silhouette und First. Die Äcker wurden bedacht mit Fallen des Lichts, dass Schatten sich breitet drunter. Die Meister der Kraft frohlockten, wie Photonen gezwungen werden, die Elektronen der Kraft zu bedrängen, Licht in den Kammern der Bürger und Wärme dazu zu generieren.
Nach der Zeit von Beata Textora wählten die Bürger der Stadt Radix Fluvius zu ihrem Oberen. Er liebt den fließenden Fluss und möchte diesen den Bürgern näher wissen. So nahe wohl, dass der Fluss droht, in unwilligen Zeiten der Stadt die Füße zu nässen. So soll eine Ufermauer, durchtunnelt vom Straßenverkehr und belebt von Touristen, die Stadt und den Fluss begrenzen.
Und Schatten mag er nicht leiden, Radix der Liebhaber vom Fluss. Frei mögen die Strahlen der Sonne auf Bürger und Stadt wieder scheinen und nicht abgelenkt werden von Sammelgeräten der schwierigen Sorte. So geht das Geschehen der Stadt mal hin und mal her. Als stetige Wiederkehr beschreiben es Philosophen. Bewegt sind Gemüter und Zungen der Bürger der Stadt.“
Das Heidelberger Schloss ist seit mehreren Jahrhunderten schon das Wahrzeichen der Stadt Heidelberg und eines der renommiertesten Schlösser in Deutschland, eigentlich eine Schlossruine mit besonderem Symbolcharakter. Breit und majestätisch liegt es 80 Meter über der Altstadt auf einem bandartigen Felsvorsprung am nördlichen Abhang des Königstuhls. Von der Schlossterrasse gesehen, erscheint die zwischen Fluss und Abhang gedrängte Altstadt als eine dicht gepackte Ansammlung von Dächern, die sich unter den Schutz des Schlosses drängen. Es war die Residenz der Kurfürsten von der Pfalz. Erste Bauten wurden schon im 13. Jahrhundert dokumentiert. An-, Um- und Erweiterungsbauten, zumeist mit Neckartaler Sandstein, kamen hinzu, Gärten wurden angelegt und Befestigungen schlossen Altstadt und Schloss als eine kompakte Festungsanlage zusammen. Die einzelnen Baukörper werden nach ihren Erbauern benannt und repräsentieren die unterschiedlichsten Baustile.
Im Rahmen des Pfälzischen Erbfolgekrieges forderte der französische König Ludwig XIV die Pfalz für Frankreich. Diese Forderung versuchte er nach dem Ableben der Liselotte von der Pfalz, die seinem Bruder Philipp angetraut war, durchzufechten, obschon eine solche Erbfolge bei der Hochzeit schon vertraglich ausgeschlossen worden war. Die Pfalz wurde erobert, in mehreren Feldzügen verwüstet und Heidelberg sowie sein Schloss sowohl 1689 als auch 1693 geplündert und weitgehend zerstört. Noch immer erinnern die jeden Sommer mehrfach durchgeführten, nächtlichen Schlossbeleuchtungen mit ihrer roten Einfärbung an diese Brandschatzung durch den französischen General Melac. Auch die Benennung des von diesem zur Umgehung der Stadt genommenen Engpasses zwischen Neckargemünd und dem Königstuhl als Melac-Pass soll diese traurige Erinnerung wach halten. Zudem wurde in Heidelberg manch bissiger Hund „Melac“ genannt.
Der einst gesprengte und in diesem Zustand restaurierte Pulverturm an der Schloss-Ostflanke konserviert romantische Erinnerungen und zementiert das Gedenken an die Zerstörungen 1689 und 1693.
Im Kurpfälzischen Museum an der...