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Agrarverhältnisse im Altertum

Die Agrargeschichte: Mesopotamien + Aegypten + Israel + Hellas + Der Hellenismus + Rom + Grundlagen der Entwicklung in der Kaiserzeit

AutorMax Weber
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl290 Seiten
ISBN9788026817987
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Agrarverhältnisse im Altertum' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Max Weber (1864-1920) war ein deutscher Soziologe, Jurist und Nationalökonom. Er gilt als einer der Klassiker der Soziologie sowie der gesamten Kultur- und Sozialwissenschaften. Global wird Webers Werk übergreifend von verschiedenen politischen und wissenschaftstheoretischen Lagern anerkannt. Er nahm mit seinen Theorien und Begriffsdefinitionen großen Einfluss auf die Wirtschafts-, die Herrschafts- und die Religionssoziologie sowie auf weitere spezielle Soziologien. Außerdem ist das Prinzip der Wertneutralität auf ihn zurückzuführen. Er zählt neben Karl Marx Simmel zu den bedeutenden Klassikern der Wirtschaftssoziologie. Inhalt: Zur ökonomischen Theorie der antiken Staatenwelt Die Agrargeschichte der Hauptgebiete der alten Kultur Mesopotamien Aegypten (Altes Reich, Mittleres Reich, Neues Reich) Israel Hellas (Vorklassische Zeit, Klassische Epoche: Athen) Der Hellenismus Rom Grundlagen der Entwicklung in der Kaiserzeit

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Leseprobe

II. Die Agrargeschichte der Hauptgebiete der alten Kultur.


1. Mesopotamien.



Was den asiatischen Orient anlangt, so liegt das Material, welches die erstaunlichen Leistungen der Keilschriftforschung zutage fördern, bis jetzt, auch nach der Auffindung des »Codex Hammurabi«, nicht in einer solchen Verfassung vor, daß derjenige, welcher auf das Studium der übersetzt vorhandenen Texte und im übrigen auf das Schöpfen aus zweiter Hand angewiesen ist, von definitiven Resultaten für die Analyse des Wirtschaftslebens wird sprechen dürfen. Gerade die für die juristische und sozialgeschichtliche Betrachtung wichtigsten Texte sind in der Deutung oft unsicher. Und bei Verwendung der alttestamentlichen Schriften bleibt die Frage, wo die nachexilische »Staatsroman«-Produktion aufhört, die tatsächlichen Zustände zu färben, gerade für manche charakteristischen Institutionen trotz der Arbeiten von Wellhausen, E. Meyer, Guthe, Jeremias, Winckler, jüngstens: A. Merx noch höchst dunkel. Auch die nachfolgenden notgedrungen kurzen Bemerkungen können daher nur mit allem Vorbehalt gemacht werden.

In den mesopotamischen Kulturstaaten ist neben der Aufzucht der sämtlichen Haustiere die Landwirtschaft sehr früh – besonders in Babylonien – in starkem Maß zur intensiven Gartenkultur entwickelt. Neben dem Getreide erscheinen namentlich die Dattelpalmengärten als regelmäßige Bestandteile aller erheblichen Vermögen und Sesam als ein Hauptbedarfsgegenstand; daneben finden sich in den Urkunden alle denkbaren Gemüse und Hülsenfrüchte, Rüben, Rettich, Gurken, Koloquinten, Zwiebeln, Knoblauch, – dieser ist in ungeheuren Quanten (Hunderttausende von Maßeinheiten) Gegenstand von Lieferungsgeschäften, – Dill, Lattich, Mangold, Koriander, Safran, Ysop, Thymus, Brombeeren usw., die namentlich in den königlichen Gärten gezogen wurden. Dagegen fehlt der Wald: Bauholz erobert der König von Assyrien im Libanon, von seinen Jagden in den Wäldern der nördlichen Berghänge berichten die Inschriften promiscue mit Kriegstaten. Die Viehzucht (Schafe und Rindvieh) spielt in Hammurabis Kodex eine erhebliche Rolle, offenbar ist aber der weitaus größte Viehbesitzer der König selbst. – Grundlage der Bodenbebauung ist die Bewässerung: mit jeder Neusiedelung ist die Anlage eines Kanals verbunden, der Boden in spezifischem Sinne Arbeitsprodukt; die Stelle der relativ individualistischen Rodung im Urwald vertritt hier der notwendig in irgendeiner Form gemeinwirtschaftliche Kanalbau. Im letzten Grunde hierin ist das ökonomische Motiv der, ähnlich wie in Aegypten (s.u.), auch hier übermächtigen Stellung des Königtums zu sehen. Schon Inschriften aus dem ältesten (»sumerisch-akkadischen«) Kulturzentrum wimmeln von Kanal- und Bewässerungsfragen, und im assyrischen Nordland ist es später nicht anders. Alle möglichen Deich- und Kanalfronden auf der einen Seite, zahlreiche königliche Aufseher auf der anderen lenkten das alte Stadtkönigtum alsbald in die Bahn bureaukratischer Verwaltung. Im Kriege erobern die Könige von Babel und Assur, – namentlich diejenigen des letzteren, eines expansiven Raubstaates, – vor allem regelmäßig Eins: Untertanen, welche alsdann einen neuen Kanal für eine neue Stadt zu graben haben und in dieser, mit zeitweiligen Fronden- und Abgabeprivilegien, angesiedelt werden, um demnächst die Einnahme- und Machtquellen des Königs zu vermehren. Die Assyrerkönige der Eroberungszeit heben hervor, daß die Unterworfenen »Tribut und Steuern zahlen gleich den Assyrern«, – welche also auch ihrerseits als Besitzobjekt des Königs gelten. Das ist nicht das Ursprüngliche und auch später nicht voll durchgeführt. Die Stadt Babel beruft sich in einem Schreiben an den Assyrerkönig auf Privilegien, die ihr von dessen Vorfahren erteilt worden seien (Immunitäten bestimmter Art, vor allem ein sehr günstiges Fremdenrecht im Interesse des Handels). Auch andere Städte haben garantierte Privilegien. Es kommt vor, daß die »Aeltesten«, etwa von Babel und Sippar, zur Beratung über einen Tempelbau zusammenberufen werden, wie auch der Assyrerkönig die »Edelen und Bürger« der Assyrer nach Erbauung seines neuen Palastes darin bewirtet. Aber den Grundcharakter alteriert das nicht mehr.

Die Wirtschaft des Königs ist ein die Privatwirtschaften überragender Oikos. Er wird gespeist 1. aus den Domänen des Königs und seinem umfangreichen Leibeigenen- und Hörigenbesitz – der Sumererkönig hat, ebenso wie offenbar alle späteren Könige, eigene Hirten –, 2. aus den a) Fronden und b) Naturalabgaben der Untertanen. Wie sich in den einzelnen Zeiträumen die Bedarfsdeckung auf Domänen (bzw. Eigenbesitz an Vieh) und Tribute verteilt hat, ist unsicher. Für die Feldfrüchte überwiegen wohl – im Gegensatz vielleicht (wenigstens in der Frühzeit) zum Vieh – die letzteren. Ebenso ist das Verhältnis von Sklavenbesitz des Königs und Untertanenrobot unsicher, – aber wohl auch ziemlich flüssig. Das liegt in der Sache begründet: Ganz wie die Pharaonen haben schon die sumerisch-akkadischen Stadtkönige mit Regulierung der Robot, Fürsorge für Speise und Trank der requirierten Arbeiter und für die ihnen zu gewährenden Naturalgratifikationen unausgesetzt zu schaffen. Der König hat die allerverschiedensten Speicher (Wagenhaus, Getreidehaus, Rinderhaus, Gewürzhaus, Schatzhaus usw.) und Werkstätten. Der sumerische König läßt Gold importieren und verarbeitet es zu einem Prunkköcher in eigener Werkstatt, Steine werden gebrochen und in eigener Werkstatt Statuen daraus hergestellt, vor allem alles für die Bauzwecke des Königs in eigener Regie bereitet, dazu Holz von weither importiert. Es sind offenbar um die Königsburg herum mit Grundstücken angesiedelte und zur Robot verpflichtete Handwerker, die ihm dabei als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Die Assyrerkönige benutzen später für ihren kolossalen Baubedarf nebeneinander die Kriegsgefangenen und ihre einheimischen robotpflichtigen Handwerker, letztere für die feineren Arbeiten. Sanherib rühmt sich technischer Neuerungen in der Bronzeplastik und macht sich über seine Vorfahren lustig, die »in ihrem Unverstand .... alle Handwerker stöhnen ließen«. Eine sichere Grenze zwischen Königssklaven und robotpflichtigen politischen Untertanen bestand also offenbar nicht. – 3. Der Sumererkönig hebt »Bootsleute und ihren Kapitän« aus und dediziert sie dem Tempel: Eigenhandel selbst zu treiben scheint der König also damals nicht geneigt gewesen zu sein. Daß er es aber ursprünglich tat, erscheint zweifellos, und daß in Form eines stetigen »Geschenk«-Austausches mit fremden Fürsten dieser Eigenhandel noch 1000 Jahre später bestand, ist bekannt. Sicherlich ist gerade die Monopolisierung des Zwischenhandels an den Strommündungen die älteste Grundlage der Machtstellung der Stadtkönige des Südlandes, welches deshalb der älteste Träger königlicher »Oiken« war, wie die Deltagegend in Aegypten. – 4. Namentlich in Assyrien flossen dem Tresor des Königs Mittel zu aus der Beute der, auf der Höhe der Macht alljährlich, unternommenen Raubkriege.

Als eines der wichtigsten staatlichen Machtmittel, speziell als Reservefonds zu Anleihezwecken, haben hier, wie im ganzen orientalischen und auch im hellenischen Altertum, die Tempelschätze gedient. Die Speisung dieser Schätze, die Fixierung der Kasualien und (speziell: Ehe-)Gebühren und die Verfolgung von Winkelpriestern (»Zauberern«) und Ketzern zugunsten des Monopols des anerkannten Gottes ist eine Angelegenheit schon der sumerisch-akkadischen Stadtkönige. Der König schuf freilich so, durch die Entstehung von großen Edelmetall- und Naturalienvorräten, auch Grundbesitz, in den Händen der Tempelpriesterschaft eine ökonomische Macht, welche ihm eventuell gefährlich werden konnte und welche tatsächlich weiterhin mit den weltlichen Lehensträgern und Beamten fast überall in einen wechselvollen Interessenkampf um die Beherrschung des Thrones und die Ausbeutung dieser Herrschaft getreten ist. Die Priestergeschlechter verhalten sich sozial, wo sie die Macht haben, nicht anders als die Stadtgeschlechter in Althellas. Das alte lokale Stadtkönigtum der Zeit vor Hammurabi hat fortwährend einerseits gegen Gebührenüberforderung, Verschuldung und Besitzberaubung der »Armen« durch die Priester zu kämpfen. Andererseits muß es die Beamten 1. an Ausbeutung der Fronpflicht der Untertanen im eigenen Interesse, 2. an Verkürzung der bei Ableistung der Robot zu gewährenden Kost, 3. an Preisdruck beim Abkauf ihrer Produkte oder direkten Zwang zum billigen Verkauf (speziell von Vieh) an die »Großen« hindern, – letzteres durch Feststellung von Preistarifen. Wenn ein Sumererkönig von sich sagt, er habe die »Freiheit eingesetzt« und »die ehemals bestehende Leibeigenschaft« beseitigt, so ist damit wohl nur gemeint: 1. die Herabsetzung oder der Erlaß gewisser öffentlicher Fronden (»in dem Gebiet von X war fortan kein Aufseher mehr«), 2. wohl auch die Beseitigung privater Aneignung des Rechts auf solche, vor allem aber immer wieder 3. der Schutz der »Armen« durch Sicherung konstanter Rechtssprechung, und des bäuerlichen und kleinbürgerlichen Erwerbes und Besitzes gegen willkürliche Eingriffe, – in welchem speziellen Sinn letzteres, bleibt zweifelhaft (s.u.). Namentlich das Drückende des Verlangens der »Großen« (d.h. der Beamten und der großen Besitzer, weltlicher oder, unter Umständen, Priester-Geschlechter), daß der dem Staat oder dem weltlichen oder geistlichen Adel verschuldete (dies heißt: »leibeigene«) Kleinbesitzer bares...

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