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Kapitel 3
SEI ES DIR WERT: LERN DICH SEHR GENAU KENNEN
BERUFUNG BAUT AUF SELBSTERKENNTNIS.
Für ein Frauenleben gibt es kein einfaches Rezept. Aber Frauen sind auf jeden Fall ausgezeichnet. Auf Spurensuche gehen, wer man ist (Kindheit, Bücher, Tests, Mitmenschen). Und mehrfachbegabte Frauen?
FÜR FRAUEN GIBT ES KEIN BACKREZEPT
Wir Frauen finden nirgends ein „Backrezept“ für unser Leben. Dann wäre es ja schön einfach: Backbuch öffnen, unter Rührteig (oder Hefe-, Mürbteig …) nachschauen, und im Handumdrehen wissen wir alles, was zu beachten ist. Wohl denen unter uns, die nur zum Marmorkuchen geboren sind und nicht zur Erdbeerbiskuitrolle! (Für die Herzhafteren unter uns: zum Brötchen oder zum schwäbischen Zwiebelkuchen.)
Nein, es gibt keine Anleitung für unser Leben, die wir durchlesen und anwenden können. Neben uns liegt kein wunderbarer, übersichtlicher Zettel, auf dem zu finden ist: „Annette, du bist die geborene Krankenschwester. Mach auf jeden Fall die Ausbildung fertig. Und eigentlich hast du sogar das Zeug dazu, in Afrika tätig zu sein.“ – „Elke, du bist kinderlieb. Gründe mit deinem Mann eine Großfamilie, ihr packt das.“ – „Corinna, spätestens mit 32 solltest du Gemeindeleiterin werden. Du hast den Blick für die Menschen und das organisatorische Geschick.“
Diese Zettel gibt es nicht. Das macht die ganze Sache anstrengender. Jetzt müssen wir ja selbst so viel denken und fragen und ausprobieren … Aber es macht die Frage nach unserer Berufung natürlich auch spannender. Vielleicht gibt es sogar wesentlich mehr Möglichkeiten, als der einen oder anderen von uns lieb ist?
FRAUEN SIND AUSGEZEICHNET
Auch wenn die folgenden Worte von einem Mann aufgeschrieben wurden, gelten sie für Männer und Frauen: „Ich danke dir, dass du mich so herrlich und ausgezeichnet gemacht hast! Wunderbar sind deine Werke, das weiß ich wohl“ (Psalm 139,14).
Ausgezeichnet gemacht! Testurteil „sehr gut!“ Sie, liebe Leserin, sind ausgezeichnet worden! Damit lässt sich leben, oder meinen Sie nicht?
Na ja, antworten Sie vielleicht. Und dann könnte die übliche Litanei folgen, was alles noch anders und besser bei Ihnen sein könnte.
Von außen mal angefangen:
- Mit dem Gesicht Lehrerin werden? Die Nase ist zu komisch. Das geht doch nicht.
- Regelmäßig ein Mittagessen für ein Nachbarskind anbieten, obwohl ich mit meinem Geld gerade so über die Runden komme?
Erst recht kritisch werden wir, wenn wir unsere Fähigkeiten und Möglichkeiten betrachten:
- Mit 62 Jahren noch etwas ganz anderes beginnen? Die werden mich doch alle auslachen und gar nicht akzeptieren.
- Kann ich mich wirklich selbständig machen? Habe ich die ausreichenden Begabungen, um eine gute Seelsorgerin zu werden?
- Ich würde ja gern studieren, jetzt wo die Kinder groß sind. In mir ist so ein großer ungestillter Wissensdurst, aber packen wir das finanziell oder übernehmen wir uns?
- Die türkischen Frauen in der Nachbarschaft liegen mir schon lange am Herzen. Am liebsten würde ich im nahegelegenen Bürgerhaus einen Raum anmieten und nachmittags mal etwas für sie anbieten. Aber bekomme ich das organisiert? Und kriege ich einen Ton raus, wenn die Frauen wirklich kommen?
Viele von uns finden sich als Frau nicht ganz so ausgezeichnet. Wenn wir verantwortlich für unsere Erschaffung gewesen wären, dann wäre ganz was anderes dabei herausgekommen. Herrlich und ausgezeichnet gemacht? Wir reiben uns erst einmal daran.
Das Erfreuliche ist nun aber: Ein Testurteil wird nicht von uns selbst erstellt! Stiftung Warentest ist objektiv. Wenn Ihre Butter eine 1,8 in der Wertung hat, dann vertrauen Sie darauf, freuen sich und essen sie mit Hochgenuss.
So ist es auch bei Ihnen: Das objektive Urteil kommt von außen. Deshalb schicke ich gleich noch ein weiteres Testurteil über Sie hinterher: Als Gott seine gesamte schöpferische Arbeit mit
Testurteil sehr gut! Sie sind ausgezeichnet worden! dieser Welt und den Menschen hinter sich hatte, lehnte er sich zum Betrachten zurück und gab das Urteil: sehr gut gelungen! Eine Eins, könnte man sagen. Nachzulesen ist das in 1. Mose 1,31.
Mit diesem Urteil über uns selbst können wir loslegen! Es soll uns nicht überheblich und hochmütig machen. Aber es soll uns ermutigen und stärken. Gegen die vielen Stimmen in uns selbst, die uns klein machen, entmutigen, entkräften, klingt jetzt eine andere Stimme an. Die sagt: Ich bin gut gemacht! Das habe ich gar nicht selbst verantwortet. Mein Schöpfer hat mich gut gemacht.
SPURENSUCHE
Unter dieser Voraussetzung kann die Spurensuche gelingen. Denn was nun als Nächstes ansteht, ist, sich selbst, so gut es geht, kennenzulernen. Wünschenswert wäre, dass wir unsere Begabungen irgendwann benennen können! Da wir nun mal kein Rezept bei der Geburt mit auf die Welt bekommen haben, müssen wir selbst unsere Fähigkeiten herausfinden, erproben und ausbilden. Außerdem ist es hilfreich, wenn wir viele Eigenschaften und Vorlieben von uns kennen (zum Beispiel ob wir gern im Team arbeiten, mit Menschen oder lieber mit Dingen – wie Blumen, Materialien, Werkzeug – Umgang haben, ob wir Früh- oder Spätaufsteher sind …). Um das Bild von uns zu vervollständigen, ist es auch wichtig, über die eigenen Schwächen und Begrenzungen Bescheid zu wissen (zum Beispiel ob wir Druck brauchen, um gut arbeiten zu können, körperlich nicht sehr belastbar sind, langsam arbeiten oder oft perfektionistisch eingestellt sind).
Ihre Spurensuche können Sie entlang von mindestens vier Aspekten gestalten:
SPURENSUCHE IN DER KINDHEIT
Fragen Sie sich selbst oder Ihre Eltern und Geschwister (falls vorhanden), was Sie als kleines Mädchen von Herzen gern gemacht haben. Als Kinder sind wir vorbehaltlos. Gerade in dieser Zeit gehen wir den Dingen nach, zu denen wir eine tiefe innere Neigung verspüren. Das andere lassen wir meist schnell in der Ecke verschwinden: Bei der einen war das die Strickliese, bei der anderen waren es die unzähligen Klamotten der Barbiepuppe. Bloß weg damit! Wenn wir aber das suchen, was uns schon sehr früh begeistert hat, dann finden sich vielleicht gute Spuren, die wir weiterverfolgen können.
Waren Sie eine Leseratte und haben Bücher verschlungen? Haben Sie gebastelt und die gesamte Familie mit Bildern, Lesezeichen, Figuren aus Kastanien versorgt? Sind Sie in Gesellschaft aufgeblüht und waren immer gern mit anderen zusammen? Vielleicht waren Sie sogar Klassensprecherin und haben sich für andere eingesetzt? Konnten Sie mit Zahlen umgehen, als wäre es ein Kinderspiel? Haben Sie sich als Verkäuferin versucht und Ihre ersten Erfolge auf dem Flohmarkt gefeiert? Haben Sie Ihre Puppenfamilie untersucht und operiert und gepflegt? Oder schon früh mit oder ohne Kochbuch gekocht?
Welche Bücher haben Sie fasziniert? Und warum war das so? Hatten Sie bereits als Kind Träume für Ihr Leben: Wenn ich groß bin, dann werde ich Bäuerin? Oder Grundschullehrerin?
Ich selbst hatte diesen Traum: Wenn ich groß bin, dann heirate ich einen Pastor! Ist dann auch so geschehen. Und es war gut so. Der Traum hat sich also erfüllt. Dennoch habe ich in der Lebensmitte erneut nach Spuren in der Vergangenheit gesucht. Ich fand nach einiger Zeit auch welche, die verschüttet waren: Schon als Teenie habe ich eigene Texte verfasst und später häufig Referate oder Andachten für ältere Jugendliche vorbereitet. Ich habe das von Herzen gern gemacht und es hat mich erfüllt, wenn ich von anderen das Signal bekam: Die Texte haben mir etwas gebracht! Außerdem merkte ich, dass hinter der Traumvorstellung, einen Pastor zu heiraten, noch ein weiterer großer Wunsch gestanden hatte: Ich wollte und will Gott mit meiner Arbeit auf besondere Weise dienen können. Ich habe ja nur dieses eine Leben!
Als ich 37 Jahre alt war, habe ich dann entlang alter Träume und Spuren noch einmal neu nach meiner ganz persönlichen Berufung gefragt: Was kann und soll und will ich tun – unabhängig von dem, wozu mein Mann berufen ist? Das waren die Mut-Fragen, die mich in meiner persönlichen Berufung weiter vorangebracht haben – und das in der Lebensmitte! Wir sehen also: Für die Spurensuche ist es nie zu spät, auch nach der Lebensmitte nicht!
Natürlich liegt die Kindheit schon eine Weile zurück. Ich denke dennoch, dass es Ihnen gelingen wird, Ihre früheren Leidenschaften aufzuspüren. Vielleicht fahren Sie einmal zu Ihren Eltern und verbringen eine Zeit in Ihrem alten Kinderzimmer? Oder Sie reden mit Ihren alten Kinderfreundinnen oder mit Tante Else, die neben Ihnen wohnte: „Leute, was habe ich früher eigentlich den lieben langen
Gestalten Sie Ihre Spurensuche! Tag gemacht?“ So werden Sie auf Dinge stoßen, die Ihnen vielleicht schon eine Weile nicht mehr bewusst sind, die Sie aber in Sachen Selbsterkenntnis einen ordentlichen Schritt voranbringen können. Halten Sie sie innerlich für sich fest, schreiben Sie sie sich auf oder kaufen Sie sich eine schicke Dose, in der Sie Zettel mit Kinderspuren aufbewahren . Lassen Sie sich irgendetwas einfallen, damit Sie Ihre Spuren nicht mehr verlieren.
Vielleicht ist es auch nicht mehr möglich, die Familie zu befragen, weil die Eltern tot sind oder das Verhältnis zueinander schwierig. Dann besitzen Sie möglicherweise noch Ihre alten Tagebücher? Nein, das ist nicht alles nur peinlich und zum Totlachen, was darin steht. Sie erfahren vielleicht verschüttete Dinge über sich, die...