Qigong und Guolin Qigong
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Qigong (das früher auch als Xing Qi, Yang Xing oder Dao Yin bezeichnet wurde) hat eine jahrtausendealte Tradition. Bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. wurde eine Beschreibung für bestimmte Qigong-Übungen niedergeschrieben. Die älteste schriftliche Aufzeichnung, in der Qigong im heutigen Verständnis erwähnt wird, ist allerdings ein paar Jahrhunderte jünger. Es handelt sich dabei um das Werk »Huangdi Neijing Suwen« (der deutsche Titel lautet: Der innere Klassiker des gelben Kaisers) aus dem 2./3. Jahrhundert v. Chr. Im therapeutischen und medizinischen Sinn tauchte der Begriff Qigong angeblich sogar erst vor rund 80 Jahren auf, als ein gewisser Dong Hao 1936 ein Buch mit dem Titel »Spezialtherapie für Tuberkulose: Qigong« veröffentlichte.
Im »Gelben Kaiser« liest man bezüglich der Anfänge des Qigong, dass der mittlere Teil Chinas aufgrund ertragreicher Böden einst über eine Fülle an Nahrungsmitteln verfügte. Da die Bewohner aufgrund des überwältigenden Angebots viel zu viel aßen, sich gleichzeitig aber zu wenig bewegten, litten sie alsbald unter etlichen gesundheitlichen Beschwerden. Diese Krankheiten brachten die Menschen dazu, bestimmte Bewegungsformen zu üben, die die Lebensenergie Qi in ihren Körpern aktivieren und die Gesundheit zurückbringen sollten. So entstand Qigong.
»Entscheidung für Qigong bedeutet, selbst die Verantwortung für sein Schicksal zu übernehmen.«
NANDOR GERA
Qigong wurde seitdem unter strikter Geheimhaltung hauptsächlich in taoistischen und buddhistischen Klöstern im alten China weitergegeben. Qigong offenbart ein umfangreiches und detailliertes Wissen über die Kernkraft allen Lebens, über seine Aktivierung, Stärkung und ausgeglichene Verteilung in unserem physischen Körper. Es ist eine Energiearbeit, die Zugang zu feinstofflichen Energien bietet und bei regelmäßiger Übung ein physisches, emotionales und mentales Wohlergehen herzustellen vermag. Es fördert und stärkt den freien Energiefluss im Körper. Es bringt die Yin- und Yang-Kräfte in ein dynamisches Gleichgewicht. Es ermöglicht den Zugang zu einem Zustand, der in schamanischen Techniken und ursprünglichen Lehren aller Kulturen enthalten ist. Die Fähigkeit zur Selbstheilung wird dadurch unerschöpflich.
Mit der Lebensenergie arbeiten
Qigong besteht im Grunde aus drei Teilen:
•der Bewegung, wozu auch stille, ruhende »Bewegungen« zu zählen sind,
•der Atmung und
•der Visualisierung.
Jeder dieser drei Aspekte dient dem Ziel, das Qi im Organismus zu aktivieren, zu vermehren, Blockaden im Körper aufzulösen und für einen durchgängigen Energiefluss zu sorgen. Hierauf weisen auch die Schriftzeichen hin, aus denen der Begriff Qigong besteht. »Qi« bedeutet Lebenskraft, »Gong« weist auf Arbeit und regelmäßiges Üben hin. Qigong bedeutet somit frei übersetzt: die Fähigkeit, mit der Lebensenergie zu arbeiten.
Wenn man beginnt, ein sensibles Empfinden für feine Energien zu entwickeln, ist es möglich, verschiedenen Krankheiten und Beschwerden bereits im subklinischen Stadium entgegenzuwirken, also lang bevor irgendwelche messbaren Symptome festgestellt werden können. Veränderungen im Energiegleichgewicht des entsprechenden Kreislaufs oder Organs treten bereits vor dem materiell nachweisbaren Erscheinen auf, was darin begründet ist, dass jeder physische Körper eine Erweiterung von feinstofflichen Energien ist. Ein Zusammenhang zwischen erkrankten Organen und den jeweiligen Leitbahnen wurde unter anderem in den interessanten Forschungen des Arztes Dr. Ioan Dumitrescu nachgewiesen.
Unterschiedliche Richtungen
Im Laufe der Jahrhunderte entstanden mehr als 4000 Qigong-Schulen, von denen jedoch viele wieder in der Versenkung verschwanden. Heutzutage werden nur noch knapp über hundert verschiedene Qigong-Arten praktiziert, die man unter anderem in »stilles« oder »äußeres, bewegtes«, »weiches« und »hartes«, »medizinisches« (Yijia Gong) und »kampfkünstliches« (Wu Gong) unterteilt. Unter den verschiedenen Einteilungen sind weitere Differenzierungen möglich. So werden beispielsweise bei stillem Qigong je nach Schule unterschiedliche Aspekte betont – sei es die innere Stille, die Energie- und Willenssteuerung oder die bewusste Atemführung.
Die vier Schulen
Ganz grob unterscheidet man heutzutage zwischen vier Qigong-Schulen: der taoistischen, der buddhistischen, der konfuzianischen und der medizinischen. Allerdings existieren zwischen diesen Ausrichtungen Verbindungen und auch der Aspekt von Qigong als Kampfkunst sollte miteinbezogen werden.
Während der politischen Unruhen des letzten Jahrtausends geriet Qigong und das Wissen um die großartige Wirkung dieser Lehre in China jedoch immer weiter in den Hintergrund. Stattdessen gewann die westliche Medizin bis Mitte des 20. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung. Sie erfuhr ihren Höhepunkt in der Guo-Ming-Dan-Regierung, die die traditionelle chinesische Medizin und damit auch Qigong als Aberglauben abtat und verbot. In der etwa zehnjährigen Kulturrevolution bis 1976 wurden viele Wissensträger in Arbeitslager gebracht oder getötet. Erst nach einem Aufruf Mao Zedongs, der 1950 auf der nationalen Gesundheitskonferenz die Meinung vertrat, man könne dem chinesischen Volk besser dienen, wenn sich westliche und chinesische Medizin verbänden, lockerte sich die Situation ein wenig. Ab 1978 schließlich begann sich Qigong wieder zu verbreiten.
Guolin Qigong (Guo Lin Kang Ai Qi Gong)
Im April 1909 wurde in County of Zhongshan in der Guangdong Provinz die spätere Malerin Guo Lin geboren, auch bekannt unter den Namen Lin Guanming und Meishu. Bereits im Kindesalter wurde sie von ihrem Großvater, einem Daoisten, in die Qigong-Praxis eingeführt. Doch erst als die Ärzte um das Jahr 1941 herum eine unheilbare metastasierte Krebserkrankung bei Guo Lin diagnostizierten und sie nach etlichen Behandlungen als hoffnungslosen Fall nach Hause schickten, besann sie sich auf das alte Wissen. Sie suchte mehrere Großmeister auf, beobachtete die Wirkungsweisen von unterschiedlichen Qigong-Übungen, wandelte sie ab, damit man sie gegen Krebs einsetzen konnte, und entwickelte so eine neue Qigong-Form, die sie als »Neues Qigong« bezeichnete. Auch die Bewegungen der fünf Tiere (Tiger, Hirsch, Bär, Affe und Kranich), die von Hua Tuo, einem vor mehr als 2000 Jahren lebenden Arzt entwickelt wurden, nahm sie in ihr Programm auf. Zusätzlich setzte sie sich intensiv mit der chinesischen und der westlichen Medizin auseinander.
»Bewusstes Handeln schafft wirkliches Verstehen.«
WOLFGANG MÖHRING
Frau Guo Lin wurde gesund und begann daraufhin im Herbst 1971 in den Parks von Peking, die von ihr entwickelte Qigong-Art zu lehren. Etwa zehn Jahre darauf nahm im Juli 1982 das erste Krankenhaus in Xia Huliang in Zhuoxian County in der Hebei-Provinz ihre Übungen ins Programm auf. Seit nunmehr über 30 Jahren werden sie in China, Taiwan, Korea, Kanada, USA, Japan, Singapur, Australien und Malaysia im Kampf gegen Krebs und chronische Krankheiten eingesetzt, begleitend zur Schulmedizin.
Frau Guo Lin verstarb am 14. Dezember 1984 im Alter von 75 Jahren an einem Schlaganfall, ohne dass der Krebs je zurückkehrte. Sie hinterließ eine der medizinisch wirksamsten Qigong-Formen, die inzwischen nach ihr benannt ist: das Guolin Qigong.
Was ist das Besondere an Guolin Qigong?
Bei Guolin Qigong handelt es sich um leicht zu erlernende stehende, sitzende und gehende Formen, wobei in der Grundstufe das Hauptaugenmerk auf gehende Übungen gerichtet ist. Sie werden mit einer bestimmten Atemtechnik kombiniert und durch verschiedene Punkt- und Stimmansatz-Übungen ergänzt. Es finden sich drei Stufen:
• Die Grundstufe, aus der Sie einige ausgewählte Übungen im vorliegenden Buch finden, besteht aus zehn Haupt- sowie einigen ergänzenden Übungen. Der Fokus liegt hier im Heilen und im Ableiten von negativem Qi. Dadurch soll der gesundheitliche Zustand verbessert und stabilisiert werden.
• Die Übungen der Mittelstufe zielen darauf ab, Qi zu sammeln und die positive Wirkung, die in der Grundstufe erzielt wurde, zu festigen. Dazu werden vermehrt Visualisierungsübungen eingesetzt und die gehenden Übungen werden mit Tonübungen ergänzt. Tonübungen sind besonders für Übende mit tieferen Erkrankungen empfehlenswert. Man unterscheidet zwischen Organtönen, deren Schwingungen eine heilende Resonanz in dem jeweiligen Organ erzeugen, und Tönen, die gezielt auf Krebszellen einwirken. Ableitende Übungen...