Kapitel 1
Mein neues Heim
22. April 2011
Heute ist ein wichtiger Tag. Endlich bin ich hier!
Da bin ich!
Ach, hätte ich doch nur einen Spiegel! Ich kann es kaum erwarten herauszufinden, wie ich aussehe. Man hat mir gesagt, ich sei klein und flauschig, weiß mit einem braunen Ohr, einem braunen Fleck über einem Auge und einem wunderschönen weichen Schwanz. Mein Großvater war ein Papillon (ein Schmetterlingshund, der durch Marie Antoinette berühmt wurde) und meine Mutter ein Jack-Russell-Terrier. Was für eine erstaunliche Kombination: ruppig und robust gemischt mit weich und feminin. Meine Engel haben meiner Seele geholfen, diese Mischung auszuwählen. Jetzt tanzen sie gerade zur Feier meiner sicheren Ankunft.
Ich frage mich nur, ob die Welt für mich bereit ist.
Was meinst du?
21. Juni
Ich bin nun acht Wochen alt. Jetzt wird gleich eine Frau kommen, um sich meinen Wurf anzuschauen. Sie will einen von uns mitnehmen. Alle sind so aufgeregt, und ich bin sehr nervös. Ob sie mich wohl nehmen wird? Fluff ist gestern schon in sein neues Heim gekommen, und es scheint ohne ihn sehr still zu sein, obwohl wir immer noch zu sechst sind.
Da! Es klingelt an der Tür. Ich warte voller Vorfreude. Zwei Frauen kommen dicht gefolgt von ihren Engeln ins Zimmer. Der eine ist golden, der andere grün und silbrig. Das Zimmer ist ziemlich klein, und da unser Gehege ziemlich groß ist, setzen sich die Besucherinnen nebeneinander aufs Sofa. Wir Welpen werden aus dem Käfig gelassen, und meine Brüder und Schwestern fallen gleich über die beiden Frauen her und wollen mit ihnen spielen.
Hunde können sich sehr gut auf die Gedanken und Gefühle der Menschen einstimmen. Plötzlich spüre ich, welche der beiden Frauen einen Hund sucht, und ich weiß, dass sie sich für mich entscheiden wird.
Wir Tiere haben zwei Schutzengel, und man hat mir gesagt, dass wir beide brauchen. Als ich sehe, dass meine beiden Schutzengel mit dem goldenen Engel der einen Frau reden, weiß ich, dass mich mein Gefühl nicht getrogen hat. Während die anderen Welpen die Besucher an den Haaren ziehen, an ihnen hochspringen und sie abschlecken, sitze ich ganz still zu Füßen meiner neuen Mum. Der goldene Engel flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie lächelt, hebt mich auf, und ich kuschele mich an sie. Es fühlt sich so gut und vertraut an. Wir schauen uns an, und – auch wenn es sich kitschig anhört – wir verlieben uns ineinander.
»Ich nehme diese«, sagt die Frau und lächelt. Ganze Heerscharen von Engeln tauchen im Zimmer auf, jauchzen und applaudieren vor Freude.
Meine neue Mum lässt Geld da und sagt, dass sie mich morgen abholen wird. Ich habe richtige Schmetterlinge im Bauch.
Meine Brüder und Schwestern erzählen mir, wie wichtig es ist, meine neue Mum gleich richtig zu erziehen, damit sie weiß, wer das Sagen hat. Sie sagen, ich müsse die Chefin sein, und geben mir alle möglichen Ratschläge, wie ich das bewerkstelligen kann. Du meine Güte, ich mag die Frau und möchte ihr doch gefallen, und da sagen die anderen, ich muss die Ehre der Hunde aufrechterhalten. Dient das wirklich dem höchsten Wohl?
22. Juni
Gleich kommt meine neue Mum, um mich abzuholen. Als es klingelt, fahre ich vor Aufregung fast aus der Haut. Wieder setzt sie sich mit ihrer Freundin Dee aufs Sofa und streichelt mich. Mein gelber Engel vereinigt sich mit ihrem goldenen. Sie helfen uns, uns energetisch kennenzulernen. Ich fühle mich so geborgen, und es ist so schön warm, dass mein ganzer Körper vor Glück kribbelt.
Plötzlich wendet sich Dee meiner Mum zu und fragt: »Hast du dir schon einen Namen ausgedacht?«
Ich stelle die Ohren auf, denn ich habe ja schon versucht, ihnen meinen Namen telepathisch mitzuteilen. Wenn wir wirklich auf derselben Wellenlänge sind, wird sie sich für den richtigen entscheiden. Bitte, bitte, hör zu! Mum lächelt und antwortet: »Ja, das habe ich. Sie heißt Venus.«
Hurra!
Dee sieht ganz erstaunt aus und sagt: »Das wollte ich auch gerade vorschlagen.«
Natürlich wolltest du das, denke ich. Ich habe es euch doch telepathisch gesagt! Zum Glück sind wir auf derselben Wellenlänge. Es wäre schrecklich gewesen, wenn ich Sweetie oder Patch geheißen hätte. Ich hätte es wohl nicht ertragen.
Ich bin ein ganz besonderes Hundemädchen, und ich brauche auch einen ganz besonderen Namen. Venus, der Morgenstern, Hohepriesterin aus Atlantis, Göttin der Liebe: Jawohl, das bin ich.
Mum trägt mich nach draußen, und ich kuschle mich in ihre Arme. Am liebsten würde ich ihr das ganze Gesicht abschlecken, aber ich gebe mich damit zufrieden, ihre Hand zu lecken. Sie scheint es zu mögen. Dee steigt ins Auto, Mum setzt mich behutsam auf Dees Schoß, und dann steigt sie auf der Fahrerseite ein.
Mum ruft Erzengel Michael an und bittet ihn, uns während der Fahrt zu beschützen. Daraufhin hüllt dunkelblaues Licht das Auto ein. Das also ist das blaue Licht! Ich habe schon gesehen, wie es um andere Welpen oder Menschen herum leuchtet. Dann gibt es also wirklich Erzengel. Toll!
Wir fahren vorsichtig heim. Mum scheint sehr zufrieden zu sein, mich zu haben, und ich bin zufrieden, sie zu haben. Zumindest bis jetzt.
Ich soll in einem Körbchen neben Mums Bett schlafen, und ab und zu lehnt sie sich zu mir herunter und krault mich hinter den Ohren. Sie sagt, das sei mein Bett, aber mein Ziel ist es, in ihrem Bett zu schlafen. Eines Tages werde ich es auch schaffen. Da meine Engel wissen, dass ich in Sicherheit bin, warten sie auf der anderen Seite des Zimmers und schauen uns still zu. Sie sagen, ihre Aufgabe sei es, in meiner Nähe zu bleiben und zu beobachten. Es sei denn, ich brauche Hilfe oder bitte sie darum.
23. Juni
Ganz früh am Morgen bringt Mum mich nach unten und setzt mich nach draußen ins weiche Gras. Es wird schon hell, und der Chor der Vögel singt seinen Morgengesang. Meine Engel teilen mir mit, dass die Erzengel den Vögeln jeden Morgen Botschaften über die Natur und die kosmischen Energien geben, die sie dann den ganzen Tag über singen. Früher konnten Menschen und Tiere diese Informationen verstehen, aber heute berühren uns die kosmischen Nachrichten nur noch unbewusst.
Mum und ich sitzen auf der Schaukel im Garten. Ich liege auf ihrem Schoß, und wir schauen uns den Sonnenaufgang an und genießen den Frieden der Natur, bis sich die anderen Menschen um sieben Uhr zu regen beginnen. Das ist wahres Zen-Glück. Vielleicht soll ich ja so eine Art buddhistische, kontemplative Hundedame werden und, wohin ich auch gehe, Frieden verbreiten.
Zen-Glück
Mum stellt mich dem Postboten vor. Er ist untersetzt und pummelig und trägt kurze blaue Hosen. Ich sehe sofort, dass er nicht an Engel glaubt, weil sie überhaupt nicht in seine Nähe kommen können. Mum trägt mich zu ihm, und er streichelt mich, aber instinktiv mag ich ihn irgendwie nicht. Ich teile ihr das mit einem jämmerlichen kleinen Bellen mit, aber sie sagt: »Ich hoffe, ihr werdet Freunde sein.« Ist sie verrückt?
Der dicke Postbote berührt mich vorsichtig und sagt in näselndem Ton: »Braves Mädchen.« Ich kann riechen, dass er Angst vor Hunden hat.
Meine Engel wissen, dass ich ihn nicht mag, und versuchen mir einzureden, dass wir unsere Feinde lieben sollen. Da gebe ich ihnen völlig recht: Ich liebe alle meine Feinde – außer diesen einen. Das ist mein freier Wille hier auf Erden. Ach, zur Hölle mit Liebe und Licht, vielleicht werde ich doch lieber ein Kriegshund.
Komischerweise habe ich meine Brüder und Schwestern noch gar nicht vermisst. Mum und ich kuscheln oder spielen andauernd. Ich bringe sie zum Lachen, und sie hält mich für ein wunderbares, perfektes Hündchen. (Womit sie natürlich recht hat!)
Sie sagt mir, ich solle meine Schutzengel anrufen, wenn ich Hilfe brauche. Sie werden mir helfen, wenn es dem höchsten Wohl dient. Ich sage Mum auf telepathischem Weg, dass ich einen goldenen Engel bei ihr und einen grün-silbrigen bei Dee gesehen habe, als die beiden mich zum ersten Mal besucht haben. »Aha, du bist ja ein ganz besonderer Hund!«, ruft sie aus. »Du bist ja übersinnlich begabt. Du hast unsere Schutzengel gesehen. Alle Menschen haben einen, der sich um sie kümmert.«
Oho, ich bin erst ein paar Wochen alt, und schon dämmert es mir, dass diese Welt ein ganz erstaunlicher Ort ist.
Am Nachmittag
Ich freue mich darauf, Brutus, den Kater, kennenzulernen. Er gehört Mums Untermieterin Elisabeth und ist anscheinend ziemlich groß. Ich hoffe nur, dass wir Freunde werden.
24. Juni
Aber hallo, ich habe Brutus über den Rasen laufen sehen. Er ist nicht ziemlich groß, er ist riesig und macht mir Angst. Stell dir einen Tiger mit glühenden Augen vor und bring ihn auf die Größe einer Wildkatze. Elisabeth, Mums Untermieterin, hat ihn als kleines Kätzchen in Frankreich gefunden, wo er vor einer wütend kläffenden Hundemeute Schutz auf einem Baum gesucht hatte. Sie rettete ihn und nahm ihn mit nach England. Ich weiß, die Engel der Menschen und die Engel der Tiere arbeiten zusammen, um jene Synchronizitäten zu erzeugen, die den richtigen Menschen mit dem richtigen Tier zusammenbringen, aber wie kann diese grässliche Bestie zu irgendjemandem passen?
Und was tut Brutus in meinem Leben? Ich bin ein süßes, sanftmütiges Geschöpf. Haben meine Engel während der vorgeburtlichen Lebensplanung geschlafen?
Mum erklärt mir, dass er nur im Sommer so groß ist. Im Winter, wenn sein Fell wächst, ist er noch viel größer. Hilfe! Wenn der dicke Postbote Angst vor ihm hat, kann ich...