2. Rundgang
Die Aachener Altstadt
Die Aachener Altstadt besticht mit ihrem Flair, ihrer Gemütlichkeit und natürlich ihrem Stadtschmuck. Rund um den Dom und das Rathaus kann man viele schöne Ecken entdecken, manche Überraschung erleben und Aachen zwischen gestern und heute kennen lernen.
1. Der Markt
Wir beginnen unseren Rundgang am Aachener Marktplatz. Dienstags und donnerstags finden hier die Wochenmärkte mit einem reichen Angebot an frischen Lebensmitteln aus dem Aachener Dreiländereck statt. Während des Weihnachtsmarktes verwandelt er sich in eine Budenstadt. Außerdem wird er im Laufe des Jahres für Open-Air-Veranstaltungen genutzt. Während der Sommermonate ist der Markt das größte Außencafé der Stadt.
Dem Bürger zugewandt, das Rathaus im Rücken, begrüßt Kaiser Karl der Große die Menschen auf dem Markt. Der Gründer des modernen Aachens steht mit Zepter und Reichsapfel in den Händen auf dem ältesten Brunnen der Stadt, dem Karlsbrunnen. Die Figur und die bronzene Schale wurden 1620 gegossen, die Brunnenschüssel von den Aachener Handwerkern Franz und Peter von Trier, die Figur von unbekannten Künstlern im südbelgischen Dinant.
Den Brunnenrand mit seinen fröhlich plätschernden Fischen erneuerte der Aachener Barockbaumeister Johann Josef Couven 1735-38. Kaiser Karls bronzene Statue ist eine Kopie, das Original steht im Centre Charlemagne, dem stadthistorischen Museum am Katschof. Die Aachener nennen den Brunnen wegen seiner grün angelaufenen Schale augenzwinkernd doppeldeutig Eäzekomp, was Erbsensuppenschüssel oder Erzschale bedeuten kann.
Kaiser Karl schaut auf Haus Löwenstein, das schönste mittelalterliche Aachener Stadthaus. Es ist auch das älteste private Steinhaus Aachens. Gebaut wurde es um 1344, zur selben Zeit wie das Aachener Rathaus, für die damals sehr vermögende Schöffenfamilie Lewe. Ida von Löwenstein gilt als erste dokumentierte Besitzerin. Die Keller sind sogar noch mehr als 100 Jahre älter, sie stammen aus der Zeit der Staufer. Die Fassade ist mit zahlreichen gemalten Wappen geschmückt. Sie beziehen sich auf ehemals unabhängige Gemeinden, die im Zuge der Kommunalreform von 1972 in die Stadt Aachen eingemeindet wurden. Am Turm erkennt man den Burtscheider Schwan. Der Stadtteil Burtscheid, bis heute das Kurgebiet Aachens, gehört schon seit 1897 zu Aachen. Deshalb hat sein Wappen eine so exponierte Stellung.
Seit 1969 ist das Haus im Besitz der Stadt. Es ist ein Bürogebäude der Stadtverwaltung. Den Sitzungssaal nutzt der Stadtrat für Ausschusssitzungen.
Die bronzene Figur an der Hausecke stellt den hl. Nepomuk (1747) dar. Er wird als Brückenheiliger verehrt. Die Statue bezieht sich auf den Namen der angrenzenden Pontstraße. Der Straßenname soll von Pons für Brücke stammen. Dort stand einst eine Brücke in einer Senke. Sie führte über den Johannisbach. Eine andere Erklärung für den Namen wäre der Familienname des Bürgermeisters van Punt. Er war mitverantwortlich für den Bau des Aachener Rathauses und wohnte in der heutigen Pontstraße.
Das Eckhaus auf der gegenüberliegenden Seite ist die Karlsapotheke, Aachens älteste Apotheke. Das Haus mit seinen flachen Bögen über den Fenstern und dem Keilstein in der Mitte wurde aus dem für die Region typischen Materialmix von Backstein und Blaustein erbaut. Seinen Architekturstil nennt man Couven-Stil (vgl. „ABC“, S. 109). Er geht auf den bekannten Aachener Baumeister des 18. Jahrhunderts zurück. Die Apotheke wurde schon 1615 von Peter Gersthoven betrieben.
Rechts neben ihrem Eingang hängt das sogenannte Siegel Karls des Großen. Es ist die eiserne Abbildung seines Monogramms. Mit dieser Unterschrift wurden die offiziellen Dokumente und Dekrete Kaiser Karls unterzeichnet. Mittelalterliche Herrscher bedienten sich bis ins 13. Jahrhundert hinein dieser Art der Unterschrift. Hier bilden die Vokale A O U die Mitte. Die Konsonanten K R L S sind in Kreuzform darum herumgruppiert. Zusammengesetzt ergeben die Buchstaben die lateinische Form von Karl, nämlich K A R O L U S. Immerhin ist das Monogramm 1.200 Jahre alt, doch die Buchstaben benutzen wir noch heute. Die Schrift heißt karolingische Minuskel und wurde zu Kaiser Karls Zeiten als allgemein gültige Einheitsschrift entwickelt. So konnte selbst die Bibel durch Alkuin von York (um 730-804), den Leiter der Aachener Hofschule, in eine für alle lesbare Form gebracht werden. Karl der Große beherrschte das Schreiben, wie viele seiner Zeitgenossen, nur mäßig. Deshalb wurde das Monogramm vorgefertigt und angeblich vom Herrscher persönlich durch den sogenannten goldenen Strich vervollständigt. Er ist hier golden markiert.
Links neben Haus Löwenstein befindet sich ein moderner Anbau aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Das ehemalige Haus zum Wolf wurde, mit modernen Stilmitteln an die mittelalterliche Architektur angelehnt, nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut.
Die beiden Traditionshäuser zum Goldenen Schwan und zum Goldenen Einhorn sind alteingesessene Aachener Gastronomiebetriebe. Der Schwan war eine mittelalterliche Herberge, dessen Gelände bis zum heutigen Kaiser-Karls-Gymnasium am Annuntiatenbach reichte. Dort war die dazugehörende Pferdewechselstelle.
Gehen Sie weiter über den Platz in Richtung Rathaus. Vor der Rathaustreppe ist ein auffällig schwarzer Stein in den Boden eingelassen. Der „arme Sünder Stein“ oder das „Schildchen“ erinnert an die Zeit, als die Delinquenten, in Ketten gelegt, vor der Rathaustreppe mit hängenden Köpfen ihre Gerichtsurteile verkündet bekamen. Der Treppenaufgang war zu dieser Zeit nur einseitig und hatte elf Stufen. Deshalb macht jemand, der ein langes Gesicht zieht, im Aachener Dialekt ein Elf-Trappe-Jeseech (Elf-Stufen-Gesicht).
Seit Januar 2014 steht links, vor dem Restaurant Ratskeller, ein bronzenes Modell des Rathauses. Der Lions Club Aachen Kaiserpfalz stiftete es, damit auch Blinde und Sehbehinderte das Haus sprichwörtlich erfassen können. Der Erkelenzer Bildhauer Michael Franke hat es modelliert. Dahinter, an der Rathausmauer, finden Sie Aachens ältestes archäologisches Fenster. Hier können Sie dem Rathaus bis auf seine karolingischen Grundmauern blicken.
Das Eckhaus heißt Postwagen und ist seit 1902 eine urige Aachener Kneipe. Das kleine Holzhaus erinnert an eine Postkutsche. Deshalb wurde die Gaststätte der Postwagen getauft. Es ist das einzige historische Holzhaus in Aachen, da nach dem großen Stadtbrand von 1656 (vlg. „ABC“, S. 118) keine Holzhäuser mehr gebaut werden durften. Der Postwagen und sein steinernes Nachbarhaus sind alte Aachener Stadthäuser mit einer langen Geschichte. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren beide Häuser Geschäftshäuser. Herunterhängende Fensterläden erinnern daran, dass man hier in einen Laden ging. Das Holzhaus wurde von Familie Freialdenhoven nicht nur bewohnt: Der Mann betrieb einen Buchhandel, seine Ehefrau einen Kurzwarenladen. Dabei fehlte es dem Familienvater an einer Grundvoraussetzung für seinen Beruf: er konnte nicht lesen. Findig wog er die Bücher aus und verkaufte sie nach Gewicht. Von Zeit zu Zeit stand er außerdem vor seinem Geschäft auf der Krämerstraße und „las“ den Passanten aus den Büchern vor. Meist erzählte er Eulenspiegel-Geschichten. Dass seine „Vorleserei“ auch eine „Eulenspiegelei“ war, das erkannten die Käufer, wenn sie die Geschichten vergeblich in den gekauften Büchern suchten. So bekam das Haus den Namen Eulenspiegelhaus. Eine spätere Mieterin nahm den Spitznamen kurzerhand mit, als sie auf die gegenüberliegende Straßenseite zog. Seitdem findet man am Teehaus nicht nur den Schriftzug Haus Eulenspiegel, sondern auch die Eulen auf den Spiegeln an der rechten und linken Hausmauer. Das Haus gegenüber hieß übrigens zunächst Zum Weinfass. Auch dieses Häuserzeichen ist erhalten geblieben. Es befindet sich unter der Laterne.
Neben dem traditionellen Steinhaus des Postwagens steht der Granusturm.
Er ist einer der beiden Rathaustürme (vgl. S. 14/15).
Das Kreuz am Turm stammt von 1754. Gegenüber vom Granusturm kommen Sie auf den Hühnermarkt.
Am benachbarten Standesamt hängt seit August 2010 wieder die Farbleiter von Peter Lacroix (1973) in Rot und Grün.
2. Hühnermarkt
Der Hühnermarkt wird durch eine lustige Brunnenfigur gekennzeichnet, den Hühnerdieb. Der arme Pechvogel hat nicht nur ein Huhn gestohlen, sondern auch einen Hahn, der ihn durch heftiges Krähen verrät. Freud und Leid liegen hier dicht beieinander. Die von Hermann Joachim Pagels 1913 geschaffene Figur wurde vom Aachener Bürgermeister Veltmann in Köpenick entdeckt. Der heutige...