2. Grundlegende Bausteine von TPM
TPM und das darauf aufbauende Operational Excellence Reference Modell verwenden ein Säulenmodell bzw. ein Modell in Form eines Tempels oder eines Hauses. Dies hat den Vorteil einer strukturierten Darstellung. Zudem lässt sich daran auch anschaulich die Vorgehensweise verdeutlichen, die von den Autoren den interessierten Unternehmen nahelegt wird. Jedes Unternehmen muss aufgrund der individuellen Gegebenheiten festlegen, welche TPM-Bausteine wann eingeführt werden sollen. Beispielsweise hat sich gezeigt, dass der Baustein „TPM in administrativen Bereichen“ meist auch gleich zu Beginn einer TPM-Einführung Sinn macht, da hier häufig die größten Verluste auftreten.
Allerdings ist die Bereitschaft für einen solchen Veränderungsprozess in administrativen Bereichen häufig nicht gegeben. Jedes Unternehmen muss also auf Basis seiner Rahmenbedingungen „sein“ individuelles Haus bauen. „Fertighäuser“ bringen selten den gewünschten Erfolg. Dabei können auch zusätzliche Bausteine hinzugefügt werden, z. B. wenn es bereits ein etabliertes Verbesserungsprogramm im Unternehmen gibt, und es können Bausteine weggelassen werden, die für das Unternehmen keine Bedeutung haben, z. B. Anlaufmanagement für Unternehmen der Prozessindustrie mit einem weitgehend konstanten Produkt- und Anlagenspektrum. Bewährt hat es sich auch, dem Verbesserungsprogramm einen individuellen Namen zu geben, vorzugsweise in Landessprache. Die August Storck KG hat beispielsweise ihr Verbesserungsprogramm „TPM - Teams planen und machen“ genannt.
2.1 Zielgerichtete, kontinuierliche Verbesserung
Zielgerichtete, kontinuierliche Verbesserung, in der Fachliteratur auch als KVP oder Kobetsu Kaizen bezeichnet, bildet den ersten und zugleich wichtigsten Baustein des TPM-Systems. Ziel ist die Maximierung der Effizienz und Effektivität von Maschinen und Anlagen, von Prozessen und Verfahren, wie auch von administrativen Abläufen durch Eliminierung von Verlusten und Verschwendung. TPM hat von allen bekannten Verbesserungsprogrammen die umfangreichste Verlustsystematik.
Die Begriffe Verluste und Verschwendung werden bei TPM abweichend vom herkömmlichen Sprachgebrauch verwendet, was daher gelegentlich zu Diskussionen führt. Beide Begriffe haben sich als deutsche Übersetzung des japanischen „MUDA“ eingebürgert. Gemeint ist damit jeder Aufwand (z. B. Rohmaterial, Arbeitszeit) der größer ist, als für den gewünschten Zweck erforderlich.
Der japanische Begriff umfasst jedoch auch die positive Bedeutung Verbesserungspotenzial, die den deutschen Begriffen für den Nicht-Fachmann zunächst fehlt. Im Folgenden sind Verluste nicht im kaufmännischen Sinn und Verschwendung nicht als Leichtfertigkeit gemeint, sondern beides schlicht Beschreibungen für verbesserungsfähige Zustände.
Im Grunde meinen beide Begriffe annähernd dasselbe, allerdings wohnt dem Begriff Verschwendung etwas Vorwurfsvolles inne, so dass im Folgenden nur noch von Verlusten gesprochen wird. Auf diese Weise wird auch eine sprachliche Abgrenzung zu den sieben Mudas aus der Lean-Philosophie erreicht, die in der Literatur und Praxis üblicherweise mit Verschwendung übersetzt wird.
Die Eliminierung von Verlusten ist eine der Leitlinien von TPM. Es werden daher 16 Verlustarten unterschieden, die unterschiedliche Auswirkungen auf die Produktivität haben (vgl. Shirose 2005, S. 40 ff.). Sie werden in die drei Kategorien „Maschinen und Anlagen“, „Mitarbeiter“ und „Ressourcen“ gegliedert. Die folgende Abbildung 2 stellt diese Verluste dar. In den 16 Verlustarten von TPM finden sich die 7 Verschwendungsarten (Muda) wieder, die beim Toyota Produktionssystem bzw. in der Lean-Philosophie unterschieden werden (eine detaillierte Darstellung findet sich unter www.cetpm.de). Der Fokus dieser Systematisierungen ist allerdings – herkunftsbedingt - unterschiedlich: Während die 16 Verlustarten den Schwerpunkt auf technische und menschliche Aspekte legen, fokussieren die 7 Verschwendungsarten auf Logistikverluste.
Die ersten sieben Verluste, die sogenannten sieben großen Verluste, beeinträchtigen die Effizienz der Produktionseinrichtungen (vgl. Shirose 2005, S. 42 ff.):
Abb. 2: Die 16 Verlustarten
Verluste durch Anlagenausfälle: Diese Verluste entstehen durch sporadische oder chronische Fehler an den Produktionseinrichtungen und gehen mit einer Reduzierung der Ausbringungsmenge (Maschine steht und kann nicht produzieren) und/oder mit einer Erhöhung von Qualitätsproblemen einher. Ziel muss es sein, Null-Anlagenausfälle zu erreichen.
Verluste durch Rüsten und Einstellen: Auch während des Rüstvorgangs, also dem Umbau von einem Produkt auf das nächste, steht die Maschine und kann nicht produzieren. Viele Unternehmen haben bereits Rüstzeitreduzierungs-Workshops abgehalten, um Rüstzeiten im einstelligen Minutenbereich zu erzielen (Single Minute Exchange of Dies – SMED, entwickelt von Shigeo Shingo in Japan, vgl. Shingo 1995). Dies erfolgt durch die Trennung von internen und externen Tätigkeiten (vgl. auch Blom 2007). Bislang vernachlässigt worden sind die Einstellzeiten. Ziel muss es sein, dass bereits das erste Teil die Maschine in gutem Zustand verlässt (first-time-right).
Verluste durch Werkzeugwechsel: Hier entstehen Verluste durch den Austausch von Werkzeugen, wie z. B. Drehmeißel. Als Ursache kommt normale Abnutzung oder Werkzeugbruch in Frage.
Anfahrverluste: Anfahrverluste entstehen in dem Zeitraum vom Maschinenanlauf nach Reparaturen, Schichtbeginn oder anderen Stillständen bis die Maschine zuverlässig einwandfreie Qualität produziert. Neben dem Verlust an produktiver Zeit entstehen häufig Stückzahlverluste durch Ausschuss.
Verluste durch Kurzstillstände und Leerlauf: Für diese Verlustart sind kurzzeitige Funktionsstörungen (< 10 Minuten) die Ursache. Sie sind einfach zu beheben, beispielsweise durch Entfernen eines verklemmten Werkstücks, durch Reinigung eines Sensors oder durch Beheben eines Staus in der Materialzuführung. Obwohl es sich auf den ersten Blick um zu vernachlässigende Probleme handelt, beeinträchtigen sie teilweise erheblich die Produktivität. Zu ihrer Beseitigung ist es wichtig, den Ursachen des auftretenden Phänomens genau auf den Grund zu gehen.
Geschwindigkeitsverluste: Diese Verlustart entsteht durch zu langsam laufende Maschinen oder Anlagen. Dabei wird entweder die bei der Konstruktion vorgesehene Geschwindigkeit nicht erreicht, oder die gewählte Geschwindigkeit entspricht nicht dem aktuell technisch Machbaren. Häufig wird bei Qualitätsproblemen die Laufgeschwindigkeit einer Maschine reduziert, ohne den eigentlichen Ursachen auf den Grund zu gehen. Zudem sind den Mitarbeitern die optimalen Geschwindigkeiten häufig nicht durchgängig bekannt.
Verluste durch Ausschuss und Nacharbeit: Hier entsteht eine Reduzierung des Produktionsvolumens durch defekte Produkte oder durch Produkte, die nachgebessert werden müssen. Die Nacharbeit belegt häufig nochmals die Maschinen und es kann nicht regulär produziert werden.
Die achte Verlustart reduziert die zur Verfügung stehende Produktionszeit:
Verluste durch geplante Stillstände (Shutdown): Sie entstehen beispielsweise durch vorbeugende Wartungsmaßnahmen oder den vorbeugenden Austausch von Verschleißteilen. Dadurch wird die zur Verfügung stehende Laufzeit reduziert. Die Maßnahmen sind zwar unerlässlich, es ist jedoch auch in diesem Fall möglich, Aktivitäten zur Reduzierung der erforderlichen Zeitspanne zu ergreifen. Beispielhaft genannt seien hier die Standardisierung der Tätigkeiten und der Einsatz der Rüstzeitoptimierungsmethoden. Damit ist gemeint, dass Tätigkeiten, für deren Abarbeitung die Anlage nicht stillgesetzt werden muss („extern“) konsequent vor dem Abschalten bzw. nach dem Wiedereinschalten ausgeführt werden. Durch langfristige, mehrfache Optimierung können damit tatsächlich Rüstzeiten von Stunden auf Zeiträume im einstelligen Minutenbereich verringert werden. An vielen Stellen ist es z. B. möglich, Schmierstellen mit Leitungen zu versehen, um während des Betriebs schmieren zu können. Ebenso können Verschmutzungsquellen eliminiert oder zumindest kanalisiert werden, um ebenfalls ohne Unterbrechung des Betriebs reinigen zu können. Ein weiterer Punkt ist der Ersatz von Schrauben durch schnellere Befestigungsmöglichkeiten (Haken, Magnete, Klettverschluss…) an allen Arten von Verkleidungen. Auch Standardisierung und Vorbereitung sowie gegebenenfalls Spezialwerkzeuge können als Beispiele genannt werden.
Die Verlustarten 9 bis 13 beeinträchtigen die Effizienz der menschlichen Arbeit. Sie haben unmittelbar Auswirkungen auf die produktiv genutzte Arbeitszeit der Mitarbeiter.
Managementverluste: Sie entstehen durch Versäumnisse des Managements, z. B. Wartezeiten durch fehlendes Material oder fehlende Anweisungen für die Mitarbeiter. Zu den Managementverlusten gehören aber auch Überproduktion und zu hohe Lagerbestände, die durch mangelnde Planungsprozesse entstehen.
Verluste durch Bewegung: Diese Verluste entstehen durch schlechte Anordnung am Arbeitsplatz, schlecht in den optimalen Arbeitsabläufen geschulte Mitarbeiter und durch schlechtes Werkslayout.
Verluste durch falsche Linienorganisation: Sie entstehen durch Wartezeiten aufgrund schlecht abgestimmter Fertigungslinien oder...