Vorwort
Mein Ururur-Großvater Friedrich Wilhelm Erdmann v.Frankenberg-Ludwigsdorf muss ein bedeutender Mann gewesen sein. Das sagten mir als Junge seine Orden auf schwarzem Samt mit einem silbernen Totenkopf darüber, die bei uns im Treppenhaus hingen. Und als Jugendlicher las ich, dass seine Erinnerungen in irgendeinem Archiv lagerten. Außerdem hatte mein Onkel Ruthard in Hamburg ein stattliches Ölbild von ihm in Uniform.
Inzwischen weiß ich: Erdmann machte 1809 den berühmten Zug der Schwarzen Schar des Herzogs von Braunschweig durch Norddeutschland mit und hat an drei Napoleonischen Kriegen in Deutschland, Portugal, Spanien und Frankreich teilgenommen. Dreimal wurde er verwundet, davon zweimal in historischen Schlachten: 1806 als Fähnrich bei Jena und Auerstedt und 1815 als Hauptmann bei Waterloo, buchstäblich in letzter Stunde der Napoleonischen Epoche und genau da, wo sich die Schlacht entschied. Von dieser Schlacht berichtet er als Augenzeuge bislang unbekannte Tatsachen.
In deutschen Geschichtsbüchern taucht Erdmann nirgends auf, und auch in der Regimentsgeschichte der Schwarzen Braunschweiger erscheint er unter ferner kämpften. Also doch kein so bedeutender Mann? Jedenfalls war er ein Vorfahr, der zu bedeutender Stunde an entscheidender Stelle geradlinig und mutig seinen Mann gestanden hat. Das macht seine Bedeutung aus. Nicht nur für mich: Erdmanns Kinder und Nachfahren haben seine Memoiren, Porträts und Orden bewahrt. Mit ihrer Hilfe zeichnet dieses Buch sein Leben nach.
Den Löwenanteil machen die Memoiren aus. Mit Begebenheiten, die noch nirgends verzeichnet sind. Die weiteren Kapitel beschreiben Erdmanns spätere Jahre, veröffentlichen erstmals einen vollständigen Lebenslauf, dokumentieren seine Porträts und seine Orden.
Köln, im Sommer 2014
Impressum
© edition von frankenberg
Familienverband von Frankenberg e.V. Hamburg 2015
(HR 6460)
www.von-Frankenberg.com
Gestaltung u. E-Book-Umsetzung: martinez-design.de
ISBN 978-3-95690-404-2 für das E-Book
ISBN 978-3-00-048000-3 für die Printausgabe
Einführung in die Memoiren
Friedrich Wilhelm Erdmann von Frankenberg-Ludwigsdorf (im Folgenden Erdmann1) muss seine Kriegserlebnisse von 1806 bis 1815 zeitnah aufgezeichnet haben. Das zeigen schon die vielen Einzelheiten in seinen Augenzeugenberichten. Echte Notiz- oder Tagebücher sind aber nicht erhalten.
1 Das erspart dem Leser Verwechslungen, insbesondere mit Herzog Friedr. Wilh. v.Braunschw., einer Hauptperson der Memoiren. Die 3 Vornamen sind anscheinend Nachbenennungen nach Herrschern: „Friedrich Wilhelm“ wohl nach Friedr. Wilh. II. (1744–1797), der mit dem Tod des Alten Fritz am 17.08.1786 König von Preußen geworden war – 3 Tage vor Erdmanns Geburt (s. S.M1). „Erdmann“ mutmaßlich nach dem letzten Herzog von Oels aus dem Hause Württemberg-Weiltingen, Karl Christian Erdmann (1716–1792).
Manuskript
Das Manuskript umfasst sechs Bände im Folio-Format mit insgesamt 1615 Textseiten. Es entstand zwischen 1843 und 1847/48, spätestens 1859. Denn 1843 war das Tagebuch des Generals v.Wachholtz erschienen, das Erdmann benutzt hat. Da Erdmann das Fehlen einer britischen Auszeichnung für Subalternoffiziere kritisiert2, müssen bereits 1847/48, als die britische „Military General Service Medal“ gestiftet wurde, wesentliche Textteile vorgelegen haben. 1859 − gut ein Jahr vor Erdmanns Tod − brachte sein jüngster Sohn Hugo3 unter dem Titel „Erinnerungen an das Schwarze Corps… Aus dem Tagebuche eines Veteranen“ bearbeitete Teile des Manuskripts als Buch heraus. Der Name seines Vaters kommt darin nicht vor.
2 Memoiren, S. M687 mit Fußnote.
3 Hugo (* Braunschweig 09.11.1833, † Berlin 04.10.1901, FA86). 1859 war er Leutnant (vgl. ESchC, Titelblatt).
Erdmann schreibt, dass er außer Wachholtz noch mehrere andere Schriften zugezogen hat. Hugo erläutert: „Insofern er nicht als Augenzeuge berichtet, stützen sich seine Mittheilungen theils auf glaubwürdige Erzählungen geschätzter Cameraden, welche bald nach den Ereignissen niedergeschrieben wurden, theils auf später veröffentlichte amtliche oder doch zuverlässige Quellen.“4 Wie Wachholtz’ Tagebuch zeigt, hat der Autor seine Quellen außerdem benutzt und oft wörtlich angeführt, um die politischen und militärstrategischen Zusammenhänge der Jahre 1809 bis 1815 darzustellen. Entsprechend seiner subalternen Position als Leutnant beziehungsweise Hauptmann konnte er diese Hintergründe nicht aus eigener Kenntnis beitragen. Durch die Übernahme von unterschiedlichen Quellentexten wechseln immer wieder persönlich gehaltene und sprachlich leicht altertümliche Passagen mit weniger persönlichen und moderneren ab. Außerdem weist das Manuskript neben Erdmanns eigener vier weitere Handschriften auf. Eine davon wird wohl Hugo gehören, weil er als Herausgeber der „Erinnerungen“ ohnehin intensiv mit dem Manuskript befasst war. Wer sonst mitgewirkt hat und wie, ist ungeklärt und nicht so wichtig: Erdmann lebte noch und dürfte die Niederschrift sowie deren redaktionelle Bearbeitung geleitet oder maßgeblich mitbestimmt haben.
Das heutige Staatsarchiv Wolfenbüttel erwarb die sechs Bände im August 1892 von Hugo und bewahrt sie unter der Signatur VI Hs 11 Nr. 91 auf.
Abb. 1: Die erste Seite, geschrieben zwischen 1843 und 1848.
Textauszug
Den Frankenberg’schen Ahnenexperten der folgenden vier Generationen, die alle Offiziere waren, genügte wohl die fachmilitärischen „Erinnerungen“. Ende des 20. Jahrhunderts wuchs dann das Interesse für das außermilitärische Leben der Vorfahren. Zu Erdmann war die Frage, was davon in dem Buch weggelassen worden war. Aus konservatorischen Gründen durfte die umfangreiche alte Handschrift nicht fotokopiert werden. Deshalb gab der Familienverband von Frankenberg 2004 bei dem Braunschweiger Diplom-Bibliothekar und Genealogen Jens Th. Kaufmann eine teilweise Abschrift in Auftrag. Sie gibt ein gutes Drittel des Manuskriptes wieder, und zwar nach Art einer wissenschaftlichen Transkription in der Originalschreibweise.5
5 Details im Anhang „Einzelheiten zu Manuskript und Teiltranskription“.
Anders als erwartet zeigt der Textauszug, dass auch die vollständigen Augenzeugenberichte, persönlichen Erlebnisse, Sichtweisen und Kommentare des Autors fast ausschließlich den militärischen Bereich betreffen. Privates klingt hin und wieder, Familiäres am Anfang und an einzelnen weiteren Stellen an.
Trotz des autobiografischen Schwerpunkts und der notwendigen starken Kürzungen sollte die Teilabschrift die Zusammenhänge des Originals wahren und zügig lesbar sein. Deshalb hat Herr Kaufmann nach eigenem Ermessen viele Passagen, die Erdmann nach Berichten Dritter wiedergibt, durch kurze Hinweise oder Zusammenfassungen ersetzt. Ganz weggelassen hat er sie nur, wenn das nicht die Verständlichkeit minderte. So besonders bei zahlreichen allgemein politischen und militärischen Ausführungen, die in der einschlägigen Literatur über die Napoleonischen Kriege nachgelesen werden können. Doch hat er den Feldzugbericht von 1815 vollständig übertragen, weil die „Erinnerungen“ diesen nur kurz zusammenfassen. Wie sich herausstellte, hatte das Buch sogar wichtige militärische Fakten...