1 – Mein Weg zu Reiki
Von Oktober 2002 bis März 2008 habe ich in der Schweiz gelebt, um dort meine Doktorarbeit im Bereich der Klimaforschung zu verfassen. Meine Dissertation habe ich mit großem Enthusiasmus begonnen denn ich wollte unbedingt in der Klimaforschung arbeiten. Für mich war das ein wichtiges Thema, von dem ich annahm, dass es uns noch über Jahrzehnte hinweg beschäftigen würde. Ich sah in der Klimaforschung etwas, wo ich dazu beitragen konnte, Veränderung zu ermöglichen. Ich dachte und denke, dass wir gerade in der Klimapolitik einen Richtungswechsel brauchen und dass es so, wie es jetzt läuft, nicht weiter gehen kann. Ich dachte, wenn ich in der Klimaforschung an vorderster Front arbeite, gibt mir das die Möglichkeit, zu einem globalen Paradigmenwechsel (weg von fossilen — hin zu erneuerbaren Energieträgern) beizutragen.
Von dem großen Enthusiasmus war bald nichts mehr übrig. Ich habe mich an meinem Arbeitsplatz nicht wohl gefühlt, immer wieder traten Situationen auf, in denen ich mich nicht respektiert fühlte. Obwohl ich mich sehr bemühte, wurde mein Bedürfnis nach Anerkennung nur auf minimale Weise erfüllt, völlig anders, als ich es in früheren Dienstverhältnissen gewohnt war. Gleichzeitig blieben auch die erhofften wissenschaftlichen Erfolge aus. Im Jahr 2004 scheiterte eine Expedition mit dem Ziel der Probennahme auf einem Gletscher in die Anden Argentiniens. Schuld daran war ein für diese Jahreszeit ungewöhnlicher Schlechtwettereinbruch. Die Proben, die wir im Rahmen der Expedition zu nehmen geplant hatten, wären das Kernstück meiner Doktorarbeit gewesen. So war ich, nach der Hälfte meiner Dissertationszeit gezwungen, das Thema zu wechseln. Zunehmend ist so meine Arbeit zu einer Frustschiene geworden.
Außerdem wurde mir gegen Ende meiner Doktorarbeit immer klarer, wie wenig Platz und Perspektive im klassischen Wissenschaftsbetrieb für jemanden wie mich vorhanden ist. Mir waren seit jeher Phantasie, Kreativität und der Spaß am „Ent-decken“ besonders wichtig gewesen. Nur stand ich damit in einem Wissenschaftsbetrieb, in dem die Kunst des massenhaften Publizierens den obersten Stellenwert hatte, ziemlich alleine da.
Ich lebte 2005, als das Ende der Doktorarbeit in Sicht war, alleine in der Schweiz. Meine damalige Partnerin studierte in Wien, wir waren also immer wieder über lange Zeit von einander getrennt. Sie war zwar oft in der Schweiz, aber der Ort ihres Studiums war Wien. Diese Umstände haben dazu geführt, dass ich sehr einsam war. Vor diesem Hintergrund haben sich immer deutlicher Symptome von Depression breit gemacht, aber auch extreme Müdigkeit und Verdauungsbeschwerden. So war ich an meinem Arbeitsplatz dermaßen müde, dass ich oft nicht mehr effizient arbeiten konnte:
Es hat Tage gegeben, an denen ich ins Büro gekommen bin, ein paar E-Mails beantwortet, im Internet gesurft habe und ansonsten so müde war, dass ich den ganzen Tag nichts mehr leisten konnte. Wenn solche Tage vereinzelt vorkommen, ist das nicht weiter bedenklich. Tatsächlich war es aber so, dass solche Tage relativ häufig vorkamen. Immer wieder sah ich mich nach dem Mittag Essen zu einem Schläfchen gezwungen, nur war ich meist danach genauso erschöpft wie vor dem Schlafen. Die Müdigkeit war auch immer wieder mit einem Gefühl der Antriebslosigkeit und der Hoffnungslosigkeit gepaart.
In dieser Situation suchte ich zunächst unbewusst nach Lösungen. Ich begann, viel Sport zu machen, spielte mit Leidenschaft Badminton und nahm das extreme Klettern, das ich vor Beginn der Dissertation reduziert hatte, wieder auf. Ich steigerte mich in den Sport hinein und fand damit einen Weg, um mich vom lustlosen Dasein im Büro abzulenken. Endlich hatte ich mit dem Sport wieder etwas, das mich mit Euphorie erfüllte. Das war ein großes Glück, sonst wäre das Leben wohl sehr trostlos gewesen.
Gleichzeitig war aber die Ablenkung durch den Sport eine starke Verdrängung der Tatsache, dass ich im Büro und damit in meinem Beruf überhaupt nicht glücklich war. All das wurde mir allerdings erst viel später bewusst. Hätte man mich am Höhepunkt meiner sportlichen Aktivitäten gefragt, wie es mir geht, wäre die Antwort gewesen: „Gut, ich mache viel Sport, das macht viel Spaß.“
Ende 2005 kam meine Freundin in die Schweiz, sie hatte ihr Studium abgeschlossen und konnte nun endgültig bei mir leben. Als sie kam, wollte ich sie in die sportlichen Aktivitäten einbinden: „Komm, jetzt gehen wir klettern, Badminton spielen. Wollen wir laufen gehen? …“ Irgendwie hat sie dann gemeint: „Du spinnst ja, jetzt bin ich endlich in der Schweiz und wir können wieder miteinander leben. Und dir fällt nichts anderes ein, als jede freie Minute mit Sport zu verbringen.“
Sie hatte Recht. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass ich mir meines Elends immer mehr bewusst geworden bin. Mir wurde klar, dass ich überhaupt nicht wusste, wie es mir innerlich wirklich ging. Mir wurde zunehmends klarer, dass mein ursprünglicher Enthusiasmus für die Arbeit und somit ein großer Teil meiner Energie einfach weg waren.
Ich entschloss mich, etwas zu verändern und eine Akupunkturbehandlung zu beginnen. Mit chinesischer Medizin hatte ich mich schon länger beschäftigt und vertraute in die fernöstliche mehr als in die westliche Medizin speziell, wenn es um Themen wie Vitalität und Ernährung ging. Die Akupunkturbehandlung in Kombination mit einer Kräutertherapie war zunächst erfolgreich, sie half, die Müdigkeit ein wenig zu lindern. Allerdings war die Behandlung sehr teuer, dauerte etliche Wochen und einen wirklichen Durchbruch brachte sie nicht: Müdigkeit und Verdauungsschwäche waren nach wie vor da, allerdings in etwas milderer Form.
Mein Gefühl sagte mir, so lange meine Doktorarbeit nicht abgeschlossen ist und ich unter diesen Rahmenbedingungen, die mir überhaupt keinen Spaß machen, weiter arbeiten muss, kann es mir ja nicht wirklich gut gehen. Damit machte ich meine Arbeit für meine Symptome verantwortlich und wartete darauf, die Dissertation endlich abschließen zu können.
Im Mai 2006 schloss ich mein Doktoratsstudium ab, wir hatten uns einen Urlaub verdient: Meine Freundin und ich planten, die Arbeit für drei Monate niederzulegen und Spaß zu haben. Ich bin immer gern auf Reisen gewesen und freute mich wirklich sehr darauf. Ich glaubte an das Ende der Qualen, die ich während meiner Arbeit erlitten hatte und somit war Licht am Ende des Tunnels in Sicht.
In der Praxis lief es allerdings anders als gedacht: Die Probleme mit der Müdigkeit und Antriebslosigkeit traten zu meiner Überraschung selbst im Urlaub auf. Wir waren mit Auto und Zelt unterwegs, immer wieder passierte es, dass ich morgens viel zu erschöpft war, um aus meinem Schlafsack herauszukriechen. Schlimmer war noch, dass dieser Zustand mit einer absoluten Freudlosigkeit einherging. Außerdem konnte ich mich nicht mehr auf die Arbeit ausreden und musste mir eingestehen, dass hinter meiner Depression offenbar wesentlich mehr steckte als nur die schlechten Arbeitsbedingungen, die mir nicht zugesagt hatten. Das war eine harte Erkenntnis. Es war einfacher gewesen, global sich für die Rettung der Erde und gegen den Klimawandel einzusetzen als mir einzugestehen, dass offensichtlich auch in mir gewisse Dinge komplett aus dem Gleichgewicht geraten waren.
So reifte in mir der Entschluss, einen weiteren Schritt zu setzen und etwas Neues auszuprobieren. Ich wollte meine Lebensfreude zurück. Diesmal war es meine Absicht etwas zu finden, das ich selber in der Praxis umsetzen konnte und ohne auf einen Arzt oder Therapeuten angewiesen zu sein. Ich sprach darüber mit meinen Eltern. In diesem Gespräch fiel das Stichwort „Reiki“. Ich meinte davon noch nie etwas gehört zu haben. Doch ich entschloss mich, der Sache auf den Grund zu gehen und recherchierte zunächst im Internet. Dann ging es Schlag auf Schlag. Ich besuchte im August 2006 einen Vortrag der Reiki-Meisterin Julia Achermann und war einen Monat später bei ihr im Reiki I Basis Seminar.
Reiki ist eine komplementärmedizinische Technik der Behandlung von Menschen durch die Berührung mit den Händen, entweder in Form der Behandlung eines Klienten durch einen Reiki Praktizierenden oder dadurch, dass sich ein Mensch selbst behandelt. Bei der Behandlung wird Reiki, der japanische Name steht für eine bestimmte Form von Lebensenergie, übertragen. Damit werden die Selbstheilungskräfte des Körpers auf allen Ebenen gestärkt. Mit Reiki kann sich jeder Mensch selbst behandeln, es ist in der Handhabung extrem einfach und kann schnell erlernt werden. Die Einfachheit steht im Widerspruch zur weit verbreiteten Ansicht, dass gute Dinge kompliziert sind, und ist eine der größten Stärken von Reiki.
Nach dem Besuch dieses Seminars änderten sich in meinem Leben etliche Dinge grundlegend. Die regelmäßigen Reiki-Behandlungen zeigten ihre ersten Ergebnisse. Ich brauchte allerdings noch sehr lange, um diese Veränderungen mit Reiki in Verbindung zu bringen, die Zusammenhänge wurden mir zum Teil erst Monate oder Jahre später bewusst.
Ich hörte mit dem Extremsport auf. Das war kein bewusster Entschluss, es passierte einfach von selber. Ich finde es natürlich immer noch wichtig, Sport in gesundem Ausmaß zu betreiben, denn das dient unserem Wohlbefinden. Bei mir hatte der Sport jedoch die Funktion, aus einer Welt zu flüchten, in der ich resigniert hatte.
Beziehungstechnisch passierte auch Einiges. Ich machte meiner Freundin einen Heiratsantrag. Dazu brauchte ich nach langjähriger Partnerschaft eine große Menge Mut und hatte mir bis zu diesem Zeitpunkt diesen Schritt nie zugetraut. Es war Ausdruck meiner Bereitschaft, mich auf eine „ewige Bindung“ einzulassen. Die Hochzeit fand im...