Eine ungewöhnliche Verbindung: Schulmedizin und Naturheilverfahren
Zwei Sprachen solle ein Arzt sprechen – die der Schulmedizin und die der Naturheilkunde –, so könne er im Einzelfall entscheiden, welche Methode die besten Heilungschancen für einen Patienten biete. Diese Aussage stammt von Dr. Veronica Carstens (1923–2012), der Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Karl Carstens (1914–1992). Veronica Carstens war Internistin und gründete gemeinsam mit ihrem Mann 1982 die Carstens-Stiftung, die sich das Ziel gesetzt hat, die Verbreitung naturheilkundlicher Behandlungsmethoden zu fördern und diese als zweite Säule neben der Schulmedizin zu etablieren.
Dieses Anliegen ist heute mindestens ebenso wichtig wie 1982. Zwar sind die früher geradezu verhärteten Fronten zwischen schulmedizinisch und naturheilkundlich orientierten Ärzten längst durchlässig geworden. Heute gibt es viele Ärzte, die sich in beiden Bereichen auskennen und Schulmedizin und Naturheilkunde gleichermaßen anwenden. Doch das Wissen um die Chancen und Grenzen beider Bereiche ist immer noch zu gering und von allzu vielen Vorurteilen geprägt.
Da gibt es auf der einen Seite ein großes und gefährliches Misstrauen vieler Menschen gegen die Schulmedizin. Das ist gefährlich, weil Misstrauen immer dem Behandlungserfolg schadet und weil es dazu führen kann, dass lebenswichtige ärztliche Behandlungen nicht oder zu spät erfolgen. Wenn Patienten aus einem solchen Misstrauen heraus zu spät oder gar nicht zum Arzt gehen oder wenn sie sich zwar Medikamente verschreiben lassen, diese dann aber nicht oder nicht ausreichend lange einnehmen, kann das gravierende Folgen haben.
Auf der anderen Seite gibt es die beinharten Vertreter der Schulmedizin. Damit sind gar nicht unbedingt Ärzte gemeint; häufig handelt es sich auch um Journalisten und Buchautoren, die gegen die vermeintliche »Scharlatanerie« und »Quacksalberei« der Naturheilkunde – im Augenblick gilt das ganz besonders für die Homöopathie – zu Felde ziehen, als gälte es, einen Krieg zu gewinnen.
Beide Haltungen schaden vor allem den Patienten. Ihre Heilung steht auf dem Spiel, wenn mit ihrer Gesundheit fast schon ideologische Kämpfe ausgetragen werden. Und kranke Menschen sind nun einmal in einer schlechten Position, um sich zu wehren. Es ist also an der Zeit, im Interesse der Patienten und des Heilerfolgs, tatsächlich auf allen Gebieten der Medizin – Schulmedizin, Naturheilkunde und Homöopathie – das Richtige zu tun, um Krankheiten zu heilen, Schmerzen zu lindern und ein gutes, gesundes Leben möglich zu machen.
Die »Zweisprachigkeit«, von der Dr. Veronica Carstens spricht, ist auch ein Merkmal der Mesotherapie. Denn diese Methode schlägt eine Brücke zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde. Auch so darf ihr Name also verstanden werden: Meso = Mitte – diese Methode nimmt eine vermittelnde Position zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde ein.
Ihre Grundlagen sind:
Neuraltherapie
Heilen mit schulmedizinischen, pflanzlichen und homöopathischen Medikamenten
Akupunktur und das Wissen um Reflexzonen und Meridiane
Wenig – selten – an der richtigen Stelle
In der Praxis heißt das: Bei der Mesotherapie werden vom Arzt oder Heilpraktiker geringste Dosierungen an schulmedizinischen, naturheilkundlichen oder homöopathischen Substanzen mit feinen Nadeln direkt an der betroffenen Stelle sehr sanft unter die Haut gespritzt. Dabei werden feinste Nadeln mit einem ganz speziellen Schliff verwendet, die praktisch nicht oder nur sehr wenig zu spüren sind.
Es wird eine spezielle Spritztechnik verwendet, um oberflächliche Reize zu setzen und die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Zudem entstehen kleine Medikamentenvorräte oder -depots unter der Haut, die über einen längeren Zeitraum die heilenden oder schmerzlindernden Substanzen an der richtigen Stelle freisetzen. So kommt es zu einer sehr schonenden Heilung und zu einer oft lang andauernden Schmerzfreiheit.
Grundlage 1: Die Neuraltherapie
Die Neuraltherapie wurde in Europa entwickelt, ist aber trotzdem in gewisser Weise mit der Akupunktur verwandt: Auch ihre Begründer gingen davon aus, dass Krankheiten und Schmerzen durch bestimmte Störungen des Energieflusses im Körper hervorgerufen werden (sogenannte »Störfelder«). Michel Pistor, der »Erfinder« der Mesotherapie, nutzte die Neuraltherapie in seiner Praxis, bevor er die Mesotherapie entwickelte. Für ihn war diese Behandlungsmethode sicher der wichtigste Ausgangspunkt.
Die Neuraltherapie wurde in den zwanziger Jahren in Deutschland entwickelt, vor allem durch zwei Brüder, die Ärzte Ferdinand und Walter Huneke. Auch hier war eine zufällige Beobachtung der Auslöser: Ferdinand Huneke spritzte einer Patientin mit chronischer Migräne versehentlich Procain und stellte zu seiner großen Überraschung – und zum Glück der Patientin – fest, dass die quälende Migräne schnell und dauerhaft verschwand.
Bei der Neuraltherapie wird ein lokal wirkendes schmerzlinderndes Mittel, in der Regel Procain oder Lidocain, in kleinsten Mengen unter die Haut gespritzt – das sogenannte »Quaddeln«. Manche Patienten kennen diese Gruppe von Medikamenten von der Behandlung beim Zahnarzt: Bei den meisten Zahnbehandlungen wird heute Lidocain als örtliche Betäubung verwendet. Das ältere Mittel Procain war früher ebenfalls in der Zahnmedizin weit verbreitet, wird heute aber eigentlich nur noch in der Neuraltherapie eingesetzt.
Mit Hilfe dieser Mittel und des Quaddelns sollen bei der Neuraltherapie die Weiterleitung von Schmerzsignalen unterbrochen und Störungen des Energieflusses ausgeschaltet werden. Auf diese Weise kann eine Vielzahl von Krankheiten und Störungen gelindert und eventuell sogar geheilt werden.
In Deutschland, anders als in anderen Ländern, wird die Neuraltherapie von den gesetzlichen Krankenkassen nicht anerkannt.
Grundlage 2: Heilen mit Medikamenten
Schulmedizin und Naturheilkunde – auch die Homöopathie – gehen davon aus, dass viele Krankheiten durch die Gabe von Medikamenten geheilt werden können. Auch hier ein paar einfache Beispiele, zunächst aus der Schulmedizin: Kopfschmerzen werden gelindert, indem ein Mittel gegeben wird, das die Weiterleitung des Schmerzreizes ins Gehirn unterbindet. Bakterielle Infektionen werden bekämpft, indem man ein antibiotisch wirkendes Medikament gibt, das die Bakterien abtötet. Herzrhythmusstörungen werden mit Betablockern behandelt, die dafür sorgen, dass sich der Herzschlag wieder normalisiert.
In der Naturheilkunde erreicht man im Prinzip dasselbe durch die Gabe pflanzlicher Mittel: Thymian löst fest sitzenden Schleim bei Bronchitis, Kamille hilft bei Entzündungen der Magenschleimhaut, Fenchel löst Blähungen, Gingko-Extrakt verhilft zu einer besseren Durchblutung des Gehirns, Sonnenhut-Extrakt (Echinacin) stärkt die Immunabwehr bei erhöhter Infektionsgefahr. Die Reihe der Beispiele ließe sich fast endlos fortsetzen.
Grundlage 3: Die Akupunktur und das Wissen um Reflexzonen und Meridiane
Die Akupunktur dürfte heute im Westen wohl die bekannteste Einzeldisziplin der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) sein. Der Name ist jedoch nicht etwa chinesisch, sondern lateinisch: Er leitet sich von den Wörtern »acus« (Nadel) und »punctio« (Stechen) ab.
In der Akupunktur werden mit dünnen Nadeln bestimmte Punkte im Körper gereizt, die auf den sogenannten Meridianen liegen. Meridiane sind, einfach gesagt, Energiebahnen im Körper. Und da die TCM davon ausgeht, dass jede Krankheit auf einer Störung des Energieflusses beruht, soll mit den Nadelstichen der Fluss der Lebensenergie (chinesisch: Qi) wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Eine Akupunktursitzung dauert etwa 20–30 Minuten. Während dieser Zeit verbleiben die (möglichst wenigen) Nadeln in der...