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Bürgergehorsam oder Freiheitsrecht?: Die Auswirkung der Rechtswidrigkeit eines belastenden, vollziehbaren und wirksamen Verwaltungsaktes im verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrecht

AutorEerke Pannenborg
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl73 Seiten
ISBN9783863419066
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Der vorliegende Text beschäftigt sich mit der Frage, ob sich nach den verwaltungsakzessorisch ausgestalteten Normen des Umweltstrafrechts strafbar macht, wer gegen einen belastenden, vollziehbaren und wirksamen Verwaltungsakt verstößt, obwohl dieser rechtswidrig ist. Die Untersuchung beschränkt sich dabei auf die praktisch bedeutendste Konstellation, also mit der Variante, in der gegen Verwaltungsakte verstoßen wird, die in rechtswidrigerweise Weise ein Handeln, Tun oder Unterlassen als Verhaltenspflicht auferlegen oder die ein an sich erlaubnisfreies Handeln untersagen. Dazu wird zunächst ein bisher in der Literatur kaum wahrgenommenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einem ähnlich gelagerten Fall im Versammlungsrecht untersucht. Im Anschluss wird sich kritisch mit den Argumenten der Befürworter und Gegner einer Strafbarkeit unter Berücksichtigung der zuvor herausgearbeiteten Voraussetzungen auseinandergesetzt. Im Ergebnis wird geklärt, ob die Bestrafung bei materiell rechtswidrigen Verwaltungsakten dem Rechtsgüterschutz dient und verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist oder durch formelle Fehler die Strafbewehrung ausgeschlossen werden kann. In einem weiteren Schritt wird untersucht, ob die nachträgliche verwaltungsgerichtliche Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsaktes für die Strafbarkeit von Bedeutung ist. Die Ansicht, welche an einer Bestrafung festhält, hat nachvollziehbare Argumente auf ihrer Seite. Sie wird gegen die Meinung abgewogen, welche aufgrund der rechtsgestaltenden Wirkung eines Urteils und der fehlenden Legitimität einer Bestrafung die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auch für den Strafprozess für beachtlich hält.

Dipl. jur. Eerke Pannenborg, LL.M. (Wirtschaftsstrafrecht), ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Strafprozessrecht der Universität Osnabrück.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel D, Die Frage der Notwendigkeit der formellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes: Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob der Verwaltungsakt auch in formeller Hinsicht rechtmäßig sein muss, damit er strafbewehrt sein kann. Einen Hinweis darauf, dass die formellen Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes für die Strafbewehrung nicht ohne Bedeutung sind, ergibt schon die Tatsache, dass bestimmte formelle Fehler zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen (§ 44 VwVfG) und dann nach ganz h.M. nicht strafbewehrt sind. Sollte die Grenze der Nichtigkeit jedoch nicht erreicht sein, so ist weiterhin fraglich, ob der Verstoß gegen einen bloß formell rechtswidrigen Verwaltungsakt strafbar ist. Schmitz verneint diese Frage unter der Angabe des Verfassungsgrundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach Art.20 III GG. Sollte die Verwaltung nicht die erforderlichen formellen Voraussetzungen einhalten, verstoße sie gegen diesen Grundsatz. Eine strafrechtliche Sanktionierung sei dann grundsätzlich mehr als fragwürdig. Zudem führe die Strafbewehrung formell rechtswidriger Verwaltungsakte zu einer Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art.2 I GG, die gerade den Schutz des Bürgers vor den Nachteilen, die sich aus rechtswidrigen Verwaltungsakten ergeben, umfasse. Hiergegen könnte jedoch zunächst der verfassungskonforme § 46 VwVfG sprechen, nachdem ein Verwaltungsakt nicht bloß deshalb aufgehoben werden darf, weil er formell rechtswidrig ist und der Fehler die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat. Der Gesetzgeber wollte damit also verdeutlichen, dass die materiell richtige Entscheidung solange schützenswert ist, solange nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Entscheidung möglicherweise bei Einhaltung der formellen Voraussetzungen anders ausgegangen wäre. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass der formelle Fehler bloß dann zur Straffreiheit führt, wenn der Verwaltungsakt ansonsten eventuell anders entschieden worden wäre. Dies könnte der Fall bei Ermessensentscheidungen sein. Der Adressat des belastenden Verwaltungsakts würde in diesen Fällen wegen einer Zuwiderhandlung bestraft, die bei Einhaltung der Vorschriften überhaupt nicht oder aber mit einem anderen Inhalt erlassen worden wäre. Im Ergebnis wäre dann immer eine differenzierende Betrachtung des jeweiligen Einzelfalles nötig, ob bei Einhaltung der formellen Voraussetzungen anders entschieden worden wäre. Zu Gunsten dieser Lösung kann auch angeführt werden, dass bestimmte formelle Voraussetzungen einen Rechtsgutsbezug aufweisen. Wann dies jedoch der Fall ist, gilt es wiederum im individuellen Fall zu klären. Fehlt es an einem solchen, könnte man annehmen, dass auch die Strafbedürftigkeit fehlt. Einer solchen schwierigen Differenzierung bedürfte es allerdings nicht, wenn die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich unbeachtlich wäre. Hierfür spricht der Rechtsgüterschutz der Umweltdelikte. Ist der Verwaltungsakt, der eine Verhaltenspflicht auferlegt oder ein Verhalten untersagt, materiell rechtmäßig, so wird durch ihn ein in tatsächlicher Hinsicht gefährdetes Umweltrechtsgut geschützt. Anders als bei der Frage nach der Strafbewehrung materiell rechtswidriger Verwaltungsakte, wo es typischerweise nicht zu einer Rechtsgutsgefährdung kommt, überwiegt an dieser Stelle das Schutzinteresse für das Rechtsgut. Stellt man den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die beeinträchtigte allgemeine Handlungsfreiheit dem Interesse am Schutz der Umwelt gegenüber, so ist festzustellen, dass bloß formelle Fehler den Adressaten nicht besonders schwer in seinen (Grund-)rechten verletzen. Dies zeigt schon § 46 VwVfG. Fehlt darüber hinaus z.B. eine Rechtsbehelfsbelehrung, so kann der Adressat gem. § 58 VwGO innerhalb eines Jahres Klage vor dem Verwaltungsgericht einreichen. Wie später noch gezeigt wird, hätte eine Aufhebung des Verwaltungsakts zur Folge, dass die Strafbarkeit entfällt. Darüber hinaus ist anzumerken, dass formelle Fehler wie die Verletzung der Anhörungspflicht im Prozess oder dessen Vorfeld nachgeholt werden kann, so dass der Angeklagte/Beschuldigte in der Lage ist, alle aus seiner Sicht relevanten Informationen vorzubringen. Von daher überwiegt der Schutz der Umwelt als ein Gut, welches für die Allgemeinheit von immenser Bedeutung ist, das Interesse des einzelnen Adressaten an der formellen Gesetzmäßigkeit des Handelns. Die Strafbewehrung bloß formell rechtswidriger Verwaltungsakte stellt noch eine verhältnismäßige Schrankenkonkretisierung der betroffenen Grundrechte dar. Weiterhin ist hier die Sorge der h.M. bezüglich der Funktionsbeeinträchtigung der 'abstrakten Gefährdungsdelikte' als Deliktstypus wieder aufzugreifen. Würde bereits die formelle Rechtswidrigkeit zur Sanktionslosigkeit führen, würde den Täter straflos sein, obwohl sein Verhalten abstrakt gefährlich war. Insofern wäre tatsächlich an der Wirksamkeit dieser Deliktskategorie zu zweifeln. Anders als bei der Sanktionierung materiell rechtswidriger Verwaltungsakte ist wegen der Schutzpflicht des Staates und der Notwendigkeit eines ausreichenden Rechtsgüterschutzes die Strafbewehrung nur formell rechtswidriger Verwaltungsakte nicht zu beanstanden.
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