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Inhalt und Bedeutung der Grundrechte der Paulskirchenverfassung von 1848/49 für die deutsche Verfassungsentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

AutorEerke Pannenborg
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl66 Seiten
ISBN9783955496814
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Die Studie beschäftigt sich mit der Frage, welchen Inhalt die Grundrechte der Paulskirchenverfassung von 1848/49 hatten und welche Bedeutung ihnen für die deutsche Verfassungsentwicklung im 19. und 20 Jahrhundert zukommt. Dazu wird durch die Auswertung der stenographischen Berichte des Plenums, der Ausschussprotokolle und weiterer Quellen, sowie der einschlägigen Sekundärliteratur der Inhalt des Grundrechtekatalogs herausgearbeitet. Dabei wird belegt, dass die Grundrechte die verfassungsrechtliche Verkörperung der bürgerlichen Ideale von Einheit, Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaat waren und dass durch sie eine moderne, staatsbürgerliche Gesellschaft begründet werden sollte. Zugleich wird aber auch festgestellt, dass die Grundrechte von 1848 in bewusster Abgrenzung zu den Menschenrechten entwickelt worden sind und als Ausdruck positivistischer Gewährung verstanden wurden, die nicht nur staatsabwehrend, sondern auch staatsaufbauend gedacht waren. Daraus wird geschlussfolgert, dass Grundrechte an sich ein Ausdruck eines genuin deutschen Rechts- und Staatsverständnisses sind, welches sich von den westlichen Vorbildern unterscheidet. Im zweiten Teil der Arbeit wird dann die Bedeutung der Grundrechte der Paulskirchenverfassung für die spätere deutsche Verfassungsentwicklung nachgezeichnet. Dabei wird aufgezeigt, inwiefern sich die Ideen und die den Grundrechten der Paulskirchenverfassung zugedachten Funktionen auswirkten, indem spätere deutsche Verfassungen durch sie geprägt wurden. Als Untersuchungsansatz wird dafür sowohl eine wörtliche Übereinstimmung, als auch eine ausdrückliche zeitgenössische Bezugnahme zu Grunde gelegt. Dabei wird festgestellt, dass es eine besondere Leistung der Verfassungsgeber von 1848/49 war, mit dem Grundrechtskatalog eine Zusammenstellung zu schaffen, auf die alle späteren Verfassungsgeber bis auf den Wortlaut zurückgreifen konnten und dies auch taten. Obwohl ihr Geltungsanspruch gescheitert ist, muss daher festgestellt werden, dass sie nachhaltigen Einfluss auf die deutsche Verfassungsentwicklung ausübte.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 6, Herleitung der Grundrechtsfunktionen: Einheitsfunktion: Wie angeführt, war das Streben nach nationaler Einheit eines der wesentlichen Ziele der Revolutionsbewegung gewesen. Zu dessen Verwirklichung sollten wie oben aufgezeigt auch die Grundrechte beitragen. Dies wurde speziell durch den Artikel I verdeutlicht, der ein Reichsbürgerrecht schuf. Damit sollte eine Wendung hin zu einem einheitlichen 'Staatsbürgerthum' vollzogen werden. Weiterhin zeugt die Formulierung 'Grundrechte des deutschen Volkes' als Überschrift zu Abschnitt VI. von der den Grundrechten zugedachten Einheitsfunktion. In Abkehr von einem naturrechtlich begründeten Menschenrechtsbild sollten durch die Schaffung eines ausdrücklich für Deutsche entwickelten Grundrechtkatalogs die einzelstaatlichen Rechtsunterschiede überwunden werden, um über ein gemeinsames Rechtsbewusstsein ein Gesamtstaatsbewusstsein zu schaffen. Die Grundrechte verkörperten also die Idee, Deutschland durch Rechtseinheit von der Freiheit zur Einheit zu führen. Freiheitsgewährung und Schutz durch den Rechtsstaat: Neben der Begründung des Nationalstaats, stand besonders die verfassungsrechtliche Normierung freiheitlicher Rechte und die Begrenzung der Staatsgewalt durch Rechtsstaatlichkeit im Vordergrund. Dies beruhte auf den Erfahrungen, die die deutsche Einheits- und Freiheitsbewegung mit dem Polizeistaat des Vormärzes, namentlich durch die Karlsbader Beschlüsse, machen musste. Durch die Aufnahme von Grundrechten sollte deshalb alle staatliche Gewalt gebunden und die bürgerlichen Forderungen nach Erwerbsfreiheit und Rechtsgleichheit, sowie nach politischer Partizipation durchgesetzt werden. Damit sollte die dem Liberalismus gemäße Vorstellung des Gegensatzes von Staat und Gesellschaft überwunden und die bürgerliche Gesellschaft in den Staat integriert werden. Die Grundrechte als positiv gesetztes Recht wurden somit der Maßstab der Rechtsbindung der Staatsgewalt. Damit kam den Grundrechten die Funktion 'eines Unterbaus des Gesamtstaates' zu, auf dem alle rechtlichen Verhältnisse fußten. Folglich kann festgestellt werden, dass den Grundrechten sowohl eine staatsabwehrende, wie auch eine staatsaufbauende Funktion zukam. Modernisierungsfunktion: Neben der Schaffung eines Einheits- und Rechtsstaates kam den Grundrechten eine Modernisierungsfunktion zu. Durch die Betonung der Freiheit und Gleichheit sollte die traditionell feudal-ständische Ordnung überwunden und eine staatsbürgerliche Gesellschaft begründet werden. Damit wollte man das Recht der gesellschaftlichen Entwicklung anpassen. Die in Deutschland seit der Mitte des 19.Jarhunderts fortschreitende Industrialisierung hatte zu tief greifenden Veränderungen in der sozialen Struktur geführt. Das Bürgertum und nicht wie in der überkommenen altfeudalen Ständegesellschaft der Adel war der ökonomisch potenteste Stand geworden. Damit ging jedoch nicht parallel ein Mehr an politischer Partizipation und Rechten einher. Von besonderer Bedeutung ist daher, dass die Frankfurter Nationalversammlung die Grundrechte beschloss. Anders als im Frühkonstitutionalismus und in den späteren positiven Verfassungstexten des 19. Jahrhunderts waren die Grundrechte damit auf dem Grundgedanken der Volkssouveränität garantierte Rechte. Dies darf jedoch nicht dahingehend verstanden werden, dass sich die Mehrheit der bürgerlichen Bewegung eine Demokratie wünschte. Die Abgeordneten der Paulskirche stammten größtenteils aus der liberalen und konservativen Oberschicht und waren darauf bedacht, die Revolution zu begrenzen. Dieser antirevolutionären Grundstimmung entsprach auch der Beschluss, die deutsche Einigung und eine freiheitliche Verfassung nicht gegen die Monarchien, sondern mit einem Deutschen Kaiser zu vollbringen. Dennoch vollzog Deutschland mit dem Grundrechtekatalog eine Rechtsangleichung an ein tatsächlich gewandeltes Gesellschaftsbild und schloss an die anderen westlichen Verfassungssysteme an. Ihnen kam also insofern eine Modernisierungsfunktion zu, als das sie Ausdruck einer Wandlung zu einer modernen Gesellschaft waren, in der die Bürger an den politischen Entscheidungen partizipiert werden wollten. Zwischenergebnis: Ziel der Verfassungsgeber der Paulskirche war es, einen auf liberalen Grundsätzen basierenden, modernen freiheitlichen Rechtsstaat zu schaffen. Hierfür wurde die Abschaffung des Polizeistaats und die Postulierung der Gleichheit unter Überwindung des altfeudalen Ständestaats als Vorrangig angesehen. Damit dies gelang, wurde der Grundrechtskatalog der FRV geschaffen. Dieser sollte das Zusammenleben grundlegend regeln und beeinflussen. Somit waren die Grundrechte zugleich Ausdruck der modernen bürgerlichen Gesellschaft und sollten den bisher so empfundenen Gegensatz von Staat und Gesellschaft überwinden und die Gesellschaft in den Staat integrieren. Festzuhalten gilt weiterhin, dass bereits in der Frankfurter Verfassung soziale Ansätze vorhanden waren, genauso wie Vorläufer heutiger institutioneller Garantien, beziehungsweise unserer Institutsgarantien. Ebenso wurde bereits 1848 die Wichtigkeit der Normierung der Bindung der Legislative an die Grundrechte erkannt. Damit kam den Grundrechten der Zweck zu, das Zusammenleben der Gesellschaft nachhaltig zu regeln.
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