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E-Book

Gebrauchsanweisung für Mallorca

AutorWolfram Bickerich
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783492971973
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Die Insel der Vielfalt: Den einen bedeutet sie Golfen bis zur Platzreife oder Radfahren auf waldreichen Ser­pentinen, den anderen All-inclusive-Ferien in Cala Ratjada. Bergwanderer klettern im Tramuntanage­birge, Strandurlauber finden malerische Buchten, Faulenzer die Ruhe auf einer Finca oder im Agro­turismo-Hotel. Kulturliebhaber pilgern zur Kathedrale in Palma und nach Valdemossa, Tapasfans kommen in den Bars der Metropole auf ihre Kosten: Die Perle der Balearen verwöhnt. Bis Sie Ihr Auto ummelden möchten, Telefon beantragen oder sich auf die Suche nach magenverträglichem Essen begeben. Der Autor, seit zehn Jahren hier zu Hause, verrät, wie Sie der Bürokratie Herr werden, wie wichtig Fiesta und Siesta sind und wie Sie sich trotz Mallorqui verständlich machen.

Wolfram Bickerich, geboren 1942, Studium der Politik und Germanistik, ab 1968 Journalist bei der dpa, von 1974 an beim »Spiegel«, zeitweise als Ressortleiter. Verfasser mehrerer Biografien, u.a. über Helmut Kohl und Franz Josef Strauß. Mit seiner Frau, der Roman- und Kinderbuchautorin Brigitte Blobel, lebt Wolfram Bickerich seit 1999 auf einem kleinen Bauernhof in der Inselmitte von Mallorca.

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Leseprobe

Die Krone des Mittelmeers.

Malle für alle

Ab auf die Insel! So freuten sich früher, wenn sie reif für die Insel waren, die Hamburger auf den Trip nach Sylt und die Rhein-Ruhrländer auf die Fahrt zur Nordsee. Auch heute dauert so eine Reise gut drei Stunden, wenigstens.

In der gleichen Zeit ist man heute täglich von (fast) allen deutschen Flughäfen aus auf jener Insel, die mehr Sonne, mehr Meer, reichlich Strand, mediterrane Lebensart, viel Natur und noch viel mehr eindrucksvolle Landschaft zu bieten hat – auf der einzigen Insel (nicht nur) der Deutschen, die das zärtliche Attribut einer Lieblingsinsel verdient und verträgt: Mallorca. Eine Insel der Vielfalt.

Vergessen ist der blöde, von neureichen Ibiza-Fans oder deren drogenumwölkten Disco-Party-Freunden erfundene Beiname, nach dem das schönere, größere, auch im Winter bewohnbare Nachbareiland eine »Putzfraueninsel« sein soll. Wer heute noch diesen Schmäh im Munde führt, hat keine Ahnung – und gibt sich als Ignorant zu erkennen.

Mallorca, mit 3640 Quadratkilometern größte der Baleareninseln und fast gleich weit von Barcelona (250), Valencia (260) oder Algier (315 Kilometer) entfernt, ist für viele Besucher die Krönung des Mittelmeers und für seine Bewohner der natürliche Mittelpunkt des Lebens – eine Insel des Lichts und (mancherorts) der Ruhe, der Wärme, der Abwechslung oder sogar der ländlichen Idylle – jedenfalls in den mehr als 120 Landpensionen, den hostal-rural- oder agroturisme-Betrieben. Erholung satt, Sonnenschein reichlich, unentwegt Abwechslung, wenn man will, für all die Golfspieler (25 Plätze) oder Bergwanderer, die Radsportler, Segler, die Kegelbrüder oder die Disco-Weekend-Hopper, die zahllosen Autotester und alle Faulenzer, die sich vom Strand in die Kneipe schleppen und von dort, manchmal mühsam, ins Hotel. Unterkünfte aller Art und jeder Preisklasse stehen mittlerweile ganzjährig bereit. Die um alle Besucher ohne Unterlass besorgte Balearen-Regierung hat sie 2008 zählen lassen: Da gab es auf Mallorca 978 Hotels und 1427 Ferienwohnungen. Sie alle sind auf einer fünfsprachigen Internetseite des Tourismusministeriums mit Adresse, Bettenkapazität, Qualitätsstufe und einem Link zur Satelliten-Landkarte notiert: http://sig.inestur.es:8080.

So findet sich immer eine Bleibe – außer vielleicht, ausnahmsweise, Mitte August, wenn zu all den aus dem Norden zugeflogenen Touristenscharen die Festlandspanier auf die Insel strömen, von denen aber die meisten das von den Eltern ererbte Strandhäuschen hegen und pflegen wie einen Schatz.

Noch vor den Golfspielern bilden die Motorjournalisten die am besten umhegte Kategorie der Besucher – sie kommen meist gänzlich ohne Bargeld aus, weil Audi, BMW, Mercedes, Opel, Renault, Toyota oder VW ihnen sämtliche Ausgaben abnehmen: Hotelzimmer, Restaurants, Testwagen, sogar das bleifreie Benzin für den Tank. Manche Luxushotels, manche Edelrestaurants oder Clubs halten in der Nebensaison ihre Etablissements nur für diese Berufsgruppe geöffnet. Und die Autofirmen wissen, warum sie ihre Gäste regelmäßig für die Show der neuesten Typen auf die Insel laden: Das Straßennetz ist gut und überschaubar. Es existiert sogar bei Llucmajor ein alter Rundkurs als tempolimitfreie Rennstrecke. Und nach ein paar Tagen müssen die Testfahrer auch das schönste Gefährt wieder abgeben, weil es die Insel nicht so einfach verlassen kann.

Normalerweise bleiben die verschiedenen Kategorien der Inselbesucher lieber unter sich und ihresgleichen. Im Fall der jährlich mehr als eine Million Kreuzfahrer, darunter die Passagiere auf den Kreuzfahrtschiffen der Aida-Flotte, die neuerdings pünktlich wie nach Fahrplan im Hafen von Palma an- und ablegen, ist die leicht elitäre Zurückgezogenheit nicht zu beanstanden: Nach einer zu ausgedehnten Exkursion zu den Schönheiten der Insel ist das Schiff womöglich schon wieder auf hoher See, wenn die Ausflügler abends erst die Mole erreicht haben. Aber all die anderen, die lieber Tage in ihrer eigenen Abgeschiedenheit oder vermeintlichen Exklusivität zubringen, als einmal einen Blick ins Ghetto einer anderen Trend(-Sport)-Gruppe zu riskieren – warum tun sie sich das an?

Eigentlich ist es ganz nett, vor allem auch lecker, beim Edelitaliener zwischen den jetzt drei Exklusiv-Golfplätzen an den Son-Vida-/Arabella-Hotels oberhalb von Palma das Abendbrot einzunehmen. An den Nachbartischen kreist das Gespräch aber fast ausschließlich und zunehmend erbittert um Loch 12 und den schwierigen Abschlag. Fremdgäste fühlen sich vereinsamt wie in einer Kantine für Golflehrer.

In den Hotelrestaurants von Port Alcúdia oder Cala Millor, wo sich jene Sparfüchse versammeln, die eine All-inclusive-Reise gebucht haben, sind die Fleischtöpfe des Buffets am schnellsten geleert, während die Salatplatten nach kurzer Zeit wirken wie das Kinderzimmer daheim, nämlich unaufgeräumt. Immer mehr Gäste wünschen schon nach kurzem Aufenthalt eine Abwechslung vom noch so nahrhaften Einerlei, trauen sich den Sprung ins urmallorquinische Restaurant gleich um die Ecke aber nicht zu. Nur Mut!

Nirgends in der Welt ist es leichter (oder gar billiger) als an Mallorcas Flughafen, ein Auto zu mieten, um die Insel zu durchstreifen. Wer das Risiko liebt, kann im Internet schnell Autoverleiher finden, deren Preise noch günstiger sind als die der großen Rent-a-car-Stationen; diese halblegalen sparen sich und den Kunden die Flughafengebühr und parken das bestellte Vehikel im Parkhaus; den Schlüssel und den Parkschein hinterlegen sie vertrauensvoll im Kofferraum.

Dann aber los!

Die Insel sieht, von oben oder auf der Karte betrachtet, aus wie ein nur teilweise abgerollter Teppich, der das Eiland im Nordwesten vom Mittelmeer abschirmt. Die Berge beginnen gleich am Cap Formentor, wo normalerweise die Jets aus Deutschland einfliegen, türmen sich am Puig Major bis auf 1443 Höhenmeter und plumpsen bei Andratx, wegen der Herkunft vieler Bewohner auch »Düsseldorfer Loch« genannt, ins Meer oder laufen im vorgelagerten Inselchen Dragonera aus, das von oben wie ein kleiner Drache aussieht, aber auch viele Echsen (drago) beherbergt.

Andratx und besonders sein gleichnamiger Hafen sind von Monaco oder Saint-Tropez vor allem an der Sprache zu unterscheiden: Hier wie dort klettern die Häuser die steilen Hänge hinauf, als könnten sie selber krabbeln; und jeder Bewohner, der den unschlagbaren Meerblick genießt, kann nicht sicher sein, ob er nicht am nächsten Morgen von einer Dampframme geweckt wird, die oberhalb seines unverbaubaren Anwesens ein ähnliches in den Berg meißelt, von dessen künftiger Terrasse der unvergleichliche Meerblick noch unverbaubarer wirkt. Ob all die edlen Villen im einstigen Landschaftsschutzgebiet rechtens hochgezogen wurden, das muss die Justiz noch herausfinden; auf der Insel dauern solche Prüfungen erfahrungsgemäß Jahre bis Jahrzehnte.

Bei und vor Palma hat besagter Teppich ein faustgroßes Loch, das ist die von der Kathedrale und dem Hafen beherrschte, normalerweise im Sonnenlicht strahlende Bucht von Palma. Von dort und wieder bis dahin zurück zieht sich eine Küstenlinie von exakt 555 Kilometern – die offiziell errechnete Länge erklärt sich daraus, dass immer wieder steile Buchten, die cales, in die Küste einschneiden. Deren Wasser verleiht mit seiner zwischen smaragdgrün, türkis und dunkelblau changierenden Färbung noch den kleinsten Stränden einen subtropischen Hauch von Karibik. An der Platja de Palma und östlich von Alcúdia oder Ca’n Picafort, auch bei Cala Millor sind die Strände breiter, flacher und damit kinderfreundlicher.

Im Osten wölbt sich der Teppich noch mal kurz auf – das ist die vergleichsweise niedrige Serra de Llevant –, gleich dahinter tauchen seine Fransen ins Meer. Dazwischen liegt die ziemlich platte Hochebene Es Pla, wo immer noch ein paar Alte leben, die nur ganz selten das Meer gesehen, geschweige denn faul am Strand gelegen haben, obwohl doch die meisten Touristen genau zu diesem Zweck kommen.

Starten wir mit einem der 50 000 insularen Leihwagen zu einem zunächst virtuellen Rundtrip im Uhrzeigersinn um die Insel. Andratx haben wir nur gestreift, und das ist gut so. Stattdessen beginnen wir den Ausflug in den wunderschönen, malerischen Bergdörfern Galilea und Puigpunyent, Ausgangspunkte vieler Bergwanderungen, und fahren von dort, um Andratx herum, wieder zurück ans Meer, weil die Küstenstraße nach Banyalbufar und weiter nach Valldemossa für den Mallorca-Erstbesucher ein absolutes Muss ist. Die Ausblicke an der Steilküste sind grandios. Wer meist am Steuer sitzt, sollte des besseren Blicks und seiner Gesundheit wegen zu den vielen, besonders eindrücklichen Aussichtspunkten, als mirador ausgeschildert, ohne Auto hinaufsteigen. Die Panoramastraße hat mit Komfort und Ausbaustufe der neuen Autobahnen oder Schnellstraßen nichts gemein; sie ist altertümelnd schmal, recht kurvenreich und verlangt sorgfältige Umsicht, wenn einem Busse oder Vierzigtonner entgegenbrausen. Die sind stärker als jedes Mietfahrzeug.

Gleich hinter Banyalbufar beginnt am Torre del Verger das Gedenken an einen der größten Bewunderer und Kenner Mallorcas, seinen ersten Liebhaber, den österreichischen Erzherzog Ludwig Salvator, der auch in dieser Gebrauchsanweisung immer wieder sein Unwesen treibt. Er kaufte den ehemaligen Wachturm, erbaut im Jahr 1547, auf einer Versteigerung im Jahre 1875 für schlappe 78 Peseten, das wären heute etwa 60 Cent – ein Schnäppchen trotz der seitherigen...

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