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Deutsche Geschichte von 1945 bis zur Gegenwart

Die Entwicklung der beiden deutschen Staaten und das vereinte Deutschland

AutorHorst Pötzsch, Winfrid Halder
VerlagLau-Verlag & Handel KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl448 Seiten
ISBN9783957681683
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Das vorliegende Buch gibt einen soliden Überblick über die deutsche Geschichte seit 1945. Aus gesamtdeutscher Sicht werden die Besatzungszeit bis 1949, die Zeit der doppelten Staatlichkeit bis 1989 und das wiedervereinigte Deutschland seit 1990 dargestellt. In der unmittelbaren Nachkriegszeit waren die innerdeutschen Verbindungen unter westalliierter und sowjetischer Besatzung noch so eng, dass dieser Zeitabschnitt als gemeinsame Geschichte abgefasst werden konnte. Nach der Gründung von Bundesrepublik und DDR musste deren jeweilige Geschichte innerhalb der einzelnen Perioden getrennt dargestellt werden, wobei den 'deutsch-deutschen' Wechselbeziehungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der Entwicklung beider Teilstaaten wird gleich viel Umfang gewidmet. Die letzten Hauptkapitel zeichnen die Geschichte des vereinten Deutschlands bis zur Bundestagswahl 2013 nach. Das Buch ist für zeitgeschichtlich Interessierte ohne besondere Vorkenntnisse bestimmt, es ist allgemeinverständlich geschrieben und kommt ohne Fachsprache aus.

Horst Pötsch (1928-2009) war lange Jahre Abteilungsleiter in der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn und Chefredakteur der 'Informationen zur politischen Bildung'. Prof. Dr. Winfrid Halder ist seit 2006 Direktor der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus und Lehrbeauftragter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

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Leseprobe

Besatzungszeit 1945–1949


8. Mai 1945


Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg auf dem europäischen Kriegsschauplatz. Hitler und seine Helfer hatten mit dem von ihnen entfesselten Krieg Deutschland in die schlimmste politische und moralische Katastrophe seiner Geschichte geführt. Der Krieg hatte unermessliches Leid, Tod und Zerstörung über weite Teile Europas gebracht. Eine auch nur halbwegs gesicherte Zahl der Todesopfer ist nicht ermittelbar; geschätzte 55 Millionen Tote waren zu beklagen, davon mindestens 5,5 Millionen Deutsche (vermutlich weitaus mehr) und 50 Millionen Angehörige zahlreicher anderer Völker. Ein Viertel der Toten waren Zivilisten, unter ihnen circa 6 Millionen Menschen jüdischer Herkunft, die mit mehreren Millionen Angehörigen anderer Ethnien dem rassenideologischen Wahn des NS-Regimes zum Opfer gefallen waren.

Kapitulation


Die deutsche Wehrmacht hatte am 8. Mai 1945 bedingungslos kapituliert. Entgegen landläufigen Meinungen gab es keine Kapitulation des Deutschen Reiches. Ein Staat kann nicht kapitulieren, der Begriff gehört in die militärische Sphäre. Im Ergebnis aber entsprach die Situation Deutschlands am 8. Mai 1945 der einer Armee nach der bedingungslosen Kapitulation. Der deutsche Staat hatte de facto aufgehört zu bestehen, das Land und seine Bewohner waren dem Willen der Sieger unterworfen. Die noch von Hitler eingesetzte, in Flensburg residierende „Reichsregierung“ unter Großadmiral Karl Dönitz – der ein überzeugter Nationalsozialist war – wurde von den Siegermächten nicht anerkannt. Dönitz und seine „Minister“ wurden am 23. Mai 1945 von britischen Truppen verhaftet.

Am 5. Juni 1945 übernahmen die vier Siegermächte mit der „Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands“ („Berliner Erklärung“) förmlich die Regierungsgewalt in Deutschland. Oberstes Organ der Besatzungsherrschaft wurde der Alliierte Kontrollrat, bestehend aus den Militärbefehlshabern der vier Besatzungszonen, in die das bisherige deutsche Staatsgebiet westlich von Oder und Lausitzer Neiße aufgeteilt wurde. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg wurde das gesamte deutsche Territorium von alliierten Truppen besetzt. Die Bildung und Anerkennung einer gesamtdeutschen Regierung war bis auf Weiteres nicht vorgesehen. Ausgangspunkt für die deutsche Nachkriegsgeschichte sind somit die Vorstellungen, die die alliierten Mächte für die Zeit nach dem Sieg entwickelt hatten.

Alliierte Deutschlandpläne


Die allgemeinen weltpolitischen Ziele der (westlichen) Alliierten sind schon sehr früh formuliert worden, nämlich in der Atlantik-Charta vom 14. August 1941 (also noch vor dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941). Der britische Premierminister Winston Churchill und US-Präsident Franklin D. Roosevelt verzichteten grundsätzlich auf eine territoriale Vergrößerung ihrer Länder und sicherten zu, dass die Veränderung bestehender Staatsgrenzen nur mit Zustimmung der betroffenen Bevölkerung erfolgen sollte. Alle Völker sollten zudem das Recht haben, ihre Staatsform selbst zu wählen. Den Grundsätzen der Atlantik-Charta stimmten die übrigen verbündeten Mächte später zu, auch – wenngleich mit gewissen Einschränkungen – die Sowjetunion. Sie gingen später in die Charta der Vereinten Nationen ein.

Die Initiatoren der Atlantik-Charta machten jedoch bald unmissverständlich klar, dass diese insbesondere auf Deutschland als Urheber des Krieges keine uneingeschränkte Anwendung finden sollte. Im Januar 1943, am Schluss der Konferenz von Casablanca, forderte Roosevelt (mit Zustimmung Churchills) die bedingungslose Kapitulation Deutschlands, Italiens und Japans. Damit sollten die Sieger freie Hand erhalten, den besiegten Kriegsgegnern alle ihnen zu einer dauerhaften Friedenssicherung erforderlich erscheinenden Maßnahmen aufzuerlegen.

Kriegskonferenzen


Nach der für die Westmächte und die Sowjetunion günstigen Wende im Kriegsverlauf begannen die Verbündeten, erste Überlegungen zu einer gemeinsamen Politik für die Zeit nach dem Krieg anzustellen. Noch während des Krieges fand eine Reihe von Konferenzen statt: nach einer vorbereitenden Konferenz der Außenminister in Moskau (Oktober 1943) die Konferenzen der „Großen Drei“ (Churchill, Roosevelt und der sowjetische Diktator Josef Stalin) in Teheran (November 1943) und in Jalta auf der Krim (Februar 1945).

Potsdamer Konferenz: Stalin, Truman, Churchill (v.l.n.r.)

Einheit oder Zerstückelung Deutschlands?


Es gab keine Meinungsverschiedenheiten über die Wiederherstellung der staatlichen Selbständigkeit Österreichs und der Tschechoslowakei, die 1938/39 von deutschen Truppen besetzt worden waren. Außer Frage stand zudem die vollständige Entmachtung des Nationalsozialismus und des Militarismus in Deutschland. Unterschiedliche und im Zeitablauf wechselnde Meinungen gab es zu der Frage, ob Deutschland als Einheit zu behandeln sei oder in mehrere Einzelstaaten aufgeteilt werden solle. In Teheran wurde die „Zerstückelung“ (dismemberment) Deutschlands beschlossen, ohne dass dies konkretisiert wurde. Diese Formel wurde auch in das Kommuniqué von Jalta übernommen, doch wurde hier zunächst die Aufteilung in vier Besatzungszonen und eine zentrale Verwaltung aller Zonen durch eine Kontrollkommission mit Sitz in Berlin festgelegt.

Während Stalin (wie auch Roosevelt) sich noch in Jalta in besonderem Maße für die Zerstückelung Deutschlands eingesetzt hatte, rückten die Sowjets schon im März 1945 von dieser Haltung ab und verhinderten, dass das Wort „Zerstückelung“ in die Kapitulationsurkunde aufgenommen wurde. Am 9. Mai 1945, einen Tag nach der Kapitulation, erklärte Stalin: „Die Sowjetunion … schickt sich nicht an, Deutschland zu zerstückeln oder zu vernichten.“

Auch die Sowjetunion verfügte nicht über ein völlig einheitliches besatzungspolitisches Konzept. Von grundsätzlicher Bedeutung war aber der sowjetische Anspruch auf materielle Wiedergutmachungsleistungen für die entstandenen Kriegsschäden (Reparationen). Diese Leistungen sollten nicht nur aus der eigenen Besatzungszone, sondern vielmehr möglichst aus allen Zonen bezogen werden – insbesondere auch aus der wichtigsten deutschen Industrieregion, dem zur britischen Besatzungszone gehörenden Ruhrgebiet. Dazu musste Deutschland als wirtschaftliche Einheit behandelt werden. Außerdem mochte die Überlegung eine Rolle spielen, man könne auf die politische Entwicklung eines einheitlichen Deutschlands Einfluss nehmen. Schon im Oktober 1944 war ein von in die Sowjetunion emigrierten Funktionären der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) entworfenes Programm für eine neue Ordnung in Deutschland fertiggestellt worden.

Eine andere strittige Frage, die das Schicksal Deutschlands direkt betraf, war die der künftigen polnischen Grenzen. Großbritannien strebte grundsätzlich eine Wiederherstellung Polens in den Grenzen von 1939 an, bevor das Land von der deutschen Wehrmacht besiegt und zum größten Teil besetzt worden war. Stalin indes wollte die ostpolnischen Gebiete – welche die Rote Armee auf der Grundlage des Hitler-Stalin-Paktes vom August 1939 besetzt hatte – dauerhaft der Sowjetunion einverleiben. Dafür sollte Polen im Westen mit deutschem Gebiet entschädigt werden. Dem stimmten die Westmächte in Teheran im Prinzip zu. Die genaue künftige Grenzziehung blieb allerdings einstweilen strittig.

Potsdamer Konferenz


Die Potsdamer Konferenz der „Großen Drei“, der führenden Staatsmänner der drei Hauptsiegermächte, war die letzte der bedeutenden Kriegskonferenzen und die letzte Zusammenkunft dieser Art vor dem weltpolitischen Umbruch Ende der 1980er-Jahre überhaupt. Für den im April 1945 verstorbenen Roosevelt vertrat der neue Präsident Harry S. Truman die USA. Churchill wurde noch während der Konferenz durch den neuen Premierminister Clement Attlee abgelöst, da seine Konservative Partei die vorausgehenden Parlamentswahlen in Großbritannien verloren hatte. Einzig Stalin und sein Außenminister Molotow repräsentierten die Kontinuität und konnten geltend machen, dass sie die früheren Absprachen authentisch interpretierten.

Die Ergebnisse der Verhandlungen insgesamt sind erst 1947 vom amerikanischen Außenministerium veröffentlicht worden. Eine auf die europäischen Fragen beschränkte Kurzfassung wurde unmittelbar nach der Konferenz als Abschlusskommuniqué publiziert. Im völkerrechtlichen Sinne handelte es sich dabei nicht um einen zwischenstaatlichen Vertrag, weswegen die häufig verwendete Bezeichnung „Potsdamer Abkommen“ zumindest ungenau ist.

Da längst nicht alle Meinungsverschiedenheiten zwischen den bisherigen Verbündeten der Anti-Hitler-Koalition ausgeräumt werden konnten,...

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