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Geister, Dämonen - Phantasmen

Eine Kulturgeschichte

AutorChrista Agnes Tuczay
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl252 Seiten
ISBN9783843804912
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
In vielen Kulturen und Religionen ist bis in die Gegenwart der Glaube an Geister und Dämonen präsent. Ob als Poltergeister, als namenlose Wesen aus alten Zeiten, die wegen bestimmter Vergehen als Geister ihr Dasein fristen müssen, oder als verstorbene Familienmitglieder, die ihre Nachkommen entweder durch ihre Anwesenheit schützen oder heimsuchen - unzählige Geistererscheinungen haben auch in der Gegenwart ihren festen Platz im Alltagsleben vieler Menschen. Ebenso verhält es sich mit Dämonen, die häufig mit Besessenheit und (religiöser) Austreibung unter größten körperlichen und seelischen Qualen in Verbindung gebracht werden. Christa Agnes Tuczay entwirft eine ausführliche Kulturgeschichte der Geister- und Dämonengestalten von der Antike bis zur Gegenwart. Den Schwerpunkt bilden dabei Geister- und Dämonenvorstellungen in den drei monotheistischen Religionen Judentum, Islam und Christentum.

Christa Agnes Tuczay hat in Wien Germanistik und Pädagogik, Philosophie und Psychologie studiert. Im Anschluss an die Promotion in 1981 war sie Mitarbeiterin bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Nach diversen Forschungsaufenthalten, u.a. in London und Irland, nahm sie einen Lehrauftrag an der Universität Wien im Institut für Germanistik an. Von 2002 bis 2006 war sie als Verlagslektorin tätig. Von 2006 bis 2010 arbeitete sie an Projekten zur mittelhochdeutschen Erzählliteratur und zur Faszination des Okkulten und schloss ihre Habilitationsschrift Ekstase im Kontext ab. Bis heute liegen die Schwerpunkte ihrer wissenschaftlichen Publikationen in den Bereichen Mittelalterrezeption, Erzählforschung und Kulturkunde.

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Leseprobe

I. ZWISCHEN GÖTTERN UND MENSCHEN


BEGRIFFSKLÄRUNGEN


Ab dem Mittelalter ist der Begriff Dämon ausschließlich negativ konnotiert. Das ist sicherlich als Ergebnis der christlichen Auseinandersetzung mit dem antiken Dämonenglauben und dem neutestamentlichen Dämonenbild zu werten. Die Vieldeutigkeit der Etymologie des Begriffes stellt die moderne Interpretation dieses archaischen Begriffes vor enorme Schwierigkeiten. Etymologisch wird das griechische Wort daímōn mit dem Verbum daíomai = »teilen« bzw. »zuteilen« verbunden. Ein Daimon ist also eine Entität, die etwas teilt oder auch zuteilt. Da die Etymologie nicht sicher ist, lassen sich daraus für die antike Charakteristik des Daimon keine sicheren Schlüsse ziehen. Der Sinn muss also dem jeweiligen Kontext entnommen werden.

Auf den ersten Blick eröffnet sich eine Fülle von unterschiedlichen Bedeutungen und auch Varianten zu häufigen Konnotationen. Dennoch gibt die Etymologie einen ersten Hinweis, nämlich dass Daimon eine unverständliche Macht bezeichnet, die ins menschliche Leben eindringt, ohne dass ihre Herkunft feststeht. Der griechische Begriff Gott, theós, ist eindeutig bestimmbar als Bezeichnung für eine individuell mit Namen benennbare Gottheit, so kann diese Definition für Daimon nicht in Anspruch genommen werden. Theos und Daimon waren zu keiner Zeit deckungsgleich, jedoch gab es durchaus Überschneidungen.

Erschwerend zur Darstellung hinzu kommt die forschungsgeschichtliche Einordnung. Die ältere Forschung und ihre bedeutendsten Vertreter Tylor, Wundt und Frazer, haben versucht, Ursprung und Entwicklung der Dämonen nachzuzeichnen, indem sie die Geister und Dämonen als Vorstufen der Götter interpretieren. Damit stufen sie die Geister als historisch älter als die Götter ein. Diese These lässt sich in der heutigen religionswissenschaftlichen Forschung nicht aufrechterhalten. Da die Zwischenwesen mit einem evolutionistischen Ansatz nicht zu erklären sind, muss man eine Klassifizierung ins Auge fassen, die zwischen positiven, negativen und neutralen bzw. ambivalenten Zwischenwesen unterscheidet.

Das ägyptische Pantheon verfügte über eine große Anzahl von Dämonen, das diese in Erde, Luft und Wasser lokalisierte. Ebenso gab es die sumerische und babylonische Götter- und Geistervorstellung, die neben himmlischen Geistern auch ortsgebundene verehrte, die sich auf und in der Erde aufhalten. Im indischen Pantheon sind die Dämonen Gegenspieler der Götter und depotenzierte Götter. Es existieren verschiedene Dämonenstämme, die Daityas, Danavas und die Rakshasas, die in tierischer Gestalt, aber auch als hässliche menschenähnliche Riesen dargestellt werden, die auf Begräbnisplätzen hausen und Menschen aufhocken, also den Vampiren ähneln.

Eine Systematik der Dämonenlehre ist von den Persern bekannt, die dem Schöpfergott Ahura Mazda sieben Amschaspands und Ahriman, dem obersten Zerstörer, neben den sieben Daevas noch zahlreiche Dämonen unterordnete. Die altiranische Dämonologie sah vor allem in Krankheit, Unglück und jeglicher Unbill das Wirken von Dämonen. Die Daevas oder auch Druj – aus dem altavestischen druj bzw. drug – von Lüge, Trug abgeleitet – kennzeichnet ihr Wirkungsfeld in Bezug auf die Menschen. Sie betrügen diese und verblenden sie. Der oberste Herr ist Ahriman, der Volksglaube kennt die bösen Paris und Yatus, die die Menschen täuschen. Im Zoroastrismus ist die Dämonin Drug die Personifikation der Lüge und des Betruges. Das Laster des Zornes vertritt der später unter dem Namen Asmodeus bekannte Dämon Aesma Deava. Die zoroastrische Dämonologie beeinflusste die jüdische und indirekt die christliche in ihren dualistischen Vorstellungen von bösen Dämonen.

Das Judentum kennt die Schedim, das sind Halbgötter oder Geister. Das Lehnwort aus dem Akkadischen bezeichnet eine gute, beschützende Macht. Psalm 106, 37 erwähnt, dass den Dämonen von heidnischen Völkern Opfer dargebracht wurden, aber auch das Volk Israel betete immer wieder zu Götzen.

Literatur:

Böcher, Otto. Art. Dämonen (»böse Geister«): Religionsgeschichtlich. In: Theologische Realenzyklopädie 8. Berlin (1981) S. 270–274; Böcher, Otto: Dämonenfurcht und Dämonenabwehr. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der christlichen Taufe. Stuttgart (1970); Frey-Anthes, Henrike: Unheilsmächte und Schutzgenien, Antiwesen und Grenzgänger. Vorstellungen von »Dämonen« im alten Israel. Göttingen (2007); Lurker, Manfred: Lexikon der Götter und Dämonen. Stuttgart (1989); Petzoldt, Leander und S. de Rachewiltz (Hrsg.): Der Dämon und sein Bild. Berichte und Referate des dritten und vierten Symposions zur Volkserzählung. Brunnenburg/Südtirol 1986/87. Frankfurt a. Main (1989). (Beiträge zur Europäischen Ethnologie und Folklore: Reihe B, Bd. 2), S. 85–102; Petzoldt, Leander: Das Universum der Dämonen und die Welt des ausgehenden Mittelalters. In: Mittelalter Mythen, Bd. 2. Dämonen, Monster, Fabelwesen. Hg. v. Werner Wunderlich und Ulrich Müller. St. Gallen (1999) S. 39–57; Petzoldt, Leander: Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister. München (1990), 2. Aufl. (1995); Rosenberg, Alfons: Engel und Dämonen: Gestaltwandel eines Urbilds. München (1967) S. 47–137 und 144–187; Winter, Franz: Zwischenwesen: Engel, Dämonen, Geister. In: Handbuch Religionswissenschaft. Religionen und ihre zentralen Themen. Hg. v. Johann Figl. Innsbruck-Wien (2003) S. 651–662.

DÄMONEN BEI GRIECHEN UND RÖMERN


Die homerische Zeit bezeichnet mit Daimon das Wirken eines Gottes, der konkret nicht immer genannt wird bzw. nicht genannt werden kann. Die negative Bedeutung, die dem Begriff eignet, ist auch in der Doppelmacht der olympischen Götter zugrunde gelegt. Diese behandeln die Menschen teils wohlwollend, teils grausam. Es zeigt sich, dass sowohl den Göttern als auch den Daimones jeweils beide – maligne als auch benigne – Eigenschaften in Bezug auf die Menschen zugeschrieben werden. In nachhomerischer Zeit wird der Glaube an besondere Heils- und Segensgötter entwickelt, auch Kulte aus anderen Kulturkreisen finden Eingang ins griechische Pantheon. So werden beispielsweise Pan, Serapis, Isis, Kybele, Dionysos, Eros, Leto, Apollo, Nemesis usw. Daimones genannt. Außerdem treten die chthonischen Gottheiten, also die Unterweltsgötter, in den Vordergrund. Hinzu kommt, dass alles Übel, besonders der Tod, nicht mehr dem Wirken eines bestimmten Gottes zugeschrieben, sondern als Eingriff einer göttlichen Macht, einer Schicksals- und Todesmacht umgedeutet wird. So schreiben die nachhomerischen Griechen den Tod entweder dem Daimon oder der Schicksalsgöttin Moira zu.

Dass Daimones den Göttern wesensverwandt sind, darf angenommen werden, sie werden wie diese verehrt und erhalten Opfer. Ebenso wie die Heroen sind Daimones Mittler und Fürsprecher des göttlichen Willens, insbesondere an Orakelstätten, wie die dort gefundenen Anfragen bezeugen. Daimones und Heroen sind aber klar getrennt, denn Heroen unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von den Daimones: sind Abkömmlinge von Göttern und Menschen.

Schon Hesiod hat den Daimon-Begriff eingegrenzt, nur noch selten werden die olympischen Götter mit Daimones identifiziert, und der Begriff trägt im Singular immer mehr einen pejorativen Akzent. Abweichend von Homer (2. Hälfte des 8. Jh. v. Chr.) hat Hesiod (vor 700 v. Chr.) Daimones als Menschen des vergangenen Goldenen Zeitalters verstanden, die nach ihrem Tod zu Wächtern der Lebenden werden und ihnen Reichtum bringen. Die in Inschriften genannten Theioi Daimones sind Seelen der Verstorbenen, und zwar bei den Orphikern jene besonderen Seelen der Geweihten, die nach ihrem Tod zu Theoi erhoben werden. Davon ist die zur selben Zeit entstandene Konzeption der Begleit-Daimones der Verstorbenen zu unterscheiden. Als Schutzdaimon ist dieser dem Einzelnen beigegeben, kann ihn aber verlassen und ein anderer Daimon an seine Stelle treten. Dadurch kann aber auch ein übler Daimon vom Menschen Besitz ergreifen. Betrachtet man die Daimones als etwas, das positiv bzw. negativ auf den Einzelnen wirkt, so hat sich daraus das Konzept eines persönlichen Daimons entwickeln können. Die Vorstellung eines Begleitdämons der Lebenden existierte nur in Ansätzen, während die Vorstellung eines (Begleit-)Daimons Verstorbener einen wichtigen Stellenwert einnahm. So hat sich die Vorstellung eines persönlichen Schutzgeistes, der die Lebenden führt und bewacht, folglich erst aus dem Daimon der Verstorbenen entwickelt und seine Verehrung ähnelt dem Kult der chthonischen Götter.

Die Bezeichnung Daimones ist folglich für die Seelen der Verstorbenen und für die Toten selbst in Gebrauch. Nach Unterscheidung...

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