2 Führung – ein schwieriges Kapitel
Ziel des Kapitels:
Sie überdenken verschiedene Führungsstile und lernen die Vorteile des „neuzeitlichen Stils“ kennen.
Alte und neue Führungsstile
Bitte halten Sie hier einmal kurz inne und machen Sie eine kleine Übung.
Übung:
Rufen Sie sich Folgendes in Erinnerung:Welche Führungsqualitäten haben Sie zu schätzen gelernt, welche lehnen Sie bis heute ab? Notieren Sie auf einem separaten Blatt Papier jeweils spaltenweise die positiven Führungsqualitäten und die negativen Führungsqualitäten. Danach betrachten Sie die Ergebnisse unter dem Aspekt: Welche „Qualitäten“ stehen für Fachkompetenz und welche für Beziehungskompetenz?
Ich wette mit Ihnen, dass 95 Prozent Ihrer Liste – ob negativ oder positiv – zugunsten von Beziehungskompetenz ausfallen.
Traditionell überwiegt das rationale Denken
Jahrhundertelang hat die westliche Welt das rationale, analytische Bewusstsein entwickelt. Gepflegt wurden Systeme und Ordnungen (zum Beispiel Hierarchien), die es einem Aufsteiger leichter machten, sich in der Welt der Führung zurechtzufinden. So war es nicht erforderlich, die Reife der Persönlichkeit in die Waagschale zu werfen. Durch digitale und lineare (linkshirnische) Denkstrukturen (Kostenpläne, Zahlenvorgaben, Statistiken, Analysen usw.) entstand ein Kontrollsystem, das die Managementtätigkeiten immer einfacher und transparenter machte. Man glaubte, durch reines Faktendenken, durch Organigramme und durch klare Zielvorgaben (nebst Kontrollen) das optimale Mittel für Führung gefunden zu haben. Klar, Motivation gehörte auch dazu – hier wurden in den 60er-Jahren Anreize (Incentives) geschaffen, die es vermeintlich leichter machen sollten, die hohen Zielvorgaben zu erreichen.
Auch Führungsstile konnten bis in die 90er-Jahre noch klar benannt werden, wie:
der autoritäre Stil (alte Tradition)
der kooperative Stil (aus den 80er-Jahren)
der demokratische Stil (der neuzeitliche Stil bzw. der Stil der Zukunft?)
Somit gab es klare Bezeichnungen und Vorstellungen, die das Führen leichter machen sollten.
Autoritäre Führung
Autoritär: Führung ohne Sinngebung
Dieser Führungsstil stammt aus der militärischen Gehorsamkeitstradition und hat folgendes Menschenbild:
Die Mitarbeiter handeln in erster Linie nach Anweisung und nicht aus eigenem Antrieb.
Die Mitarbeiter sind Schachfiguren und werden je nach Notwendigkeit hin- und hergeschoben.
Die Mitarbeiter funktionieren eher als „Manipulationsmasse“ ohne eigenes Denk- und Urteilsvermögen.
Die Mitarbeiter haben keine Kompetenzen und sind frei von Verantwortung.
Zusammenfassend bedeutet das: Straffe Führung mit starker Begrenzung des Handlungsspielraums – das ist das autoritäre Führungsgeheimnis. Der Mensch hat sich ein- und unterzuordnen in klar definierten Hierarchien.
Aus dieser (heute nicht mehr ganz zeitgemäßen) Strategie können Sie auch heute noch in vielen Fällen Nutzen ziehen.
Krisenbeispiel: Segeltörn
Betrachten Sie als Beispiel einen Segeltörn:
Sie sind Skipper auf einer Segelyacht und segeln mit Ihrer Crew fröhlich dahin. Plötzlich (die Segler unter Ihnen wissen, wie schnell das gehen kann) zieht ein Unwetter auf. Jetzt ist blitzschnelles Handeln nötig und Sie geben laute klare Kommandos wie „Reffen, abfallen, in den Wind, Genua bergen, Fock heißen“ usw. Damit die Befehle von jedem verstanden werden, heben Sie Ihre Stimme, besser gesagt, Sie schreien. Teilweise treiben Sie die Mannschaft brüllend zur Eile an. In wenigen Minuten ist die Yacht sturmgerüstet und Sie können Ihren Kurs mit hoher Konzentration, aber einigermaßen sicher, fortsetzen, bis der Sturm sich wieder gelegt hat. Bei solchen Notmaßnahmen wäre es lebensgefährlich, erst einmal darüber zu diskutieren, was bei einem so gewaltigen Sturm zu tun sei. Ob die Genua wirklich runter muss oder ob nicht vielleicht ... oder überhaupt ...
Übertragen auf Ihr Unternehmen bedeutet dieses Beispiel: In Notsituationen muss die Führungskraft sagen, wo es langgeht. Diskutiert werden kann hinterher immer noch, zunächst aber steht Handeln im Vordergrund.
In Krisensituationen, während einer Umstrukturierung oder in einer Pionierphase sind straffe Zügel und die Eingrenzung des Handlungsspielraums hilfreich und sinnvoll, wenn der autoritäre Stil nicht als Ausdruck einer grundlegenden Wertehaltung verstanden wird.
Kooperative Führung
Bei diesem Führungsstil sieht die Wertehaltung anderen Menschen gegenüber so aus:
Kooperativ: Führung mit Beteiligung
Die Mitarbeiter sind aktiv, leistungswillig und verantwortungsfähig.
Die Mitarbeiter brauchen Herausforderungen durch Ziele, um Aktivitäten in eine gemeinsame Richtung zu lenken. Hier ist gute Kommunikation zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern notwendig, um klare Ziele und Vorstellungen zu definieren und konkret zu formulieren. Dazu gehören: klare Informationen, genau definierte Instruktionen, Kompetenzerteilung, Erteilen neuer, anspruchsvoller Aufgaben, Beförderung und Versetzung sowie Weiterbildung.
Das Ziel gehört dem Großen und Ganzen, also nicht dem Einzelnen und seiner Machterhaltung.
Wichtig ist eine kontinuierliche Rückmeldung. Der Mitarbeiter muss über den Grad seiner Zielerreichung (und über den Stand der Dinge) auf dem Laufenden sein, und er muss Rückmeldung erhalten, wie er im weiteren Umfeld gesehen wird; wo er aneckt, wie er im gesamten „Beziehungsnetz“ funktioniert.
Optimal läuft die Kommunikation im kooperativen Führungsstil erst dann, wenn Rückmeldung nicht nur von oben nach unten, sondern auch vom Mitarbeiter zu seinem direkten Vorgesetzen stattfindet. Der Mitarbeiter muss auch seine Erwartungen und seine Befürchtungen äußern dürfen
Führung durch natürliche Autorität
Das bedeutet nicht, dass (in Krisensituationen) auf Autorität verzichtet werden muss. Der Unterschied zum kaderhaften autoritären Führungsstil besteht allerdings darin, dass es sich bei dieser Art Autorität um die natürliche Autorität einer Persönlichkeit handelt. Die Merkmale einer solchen Persönlichkeit sind: innere Reife, Ehrlichkeit usw. Dieser Mensch bleibt unparteiisch aufgrund seiner größeren Erfahrung. Durch die „innere“ Autorität kann eine solche Führungspersönlichkeit die Freude an der Arbeit wesentlich einfacher steigern, als dies je mit „äußerlicher“ Autorität möglich wäre. Mitarbeiter orientieren sich häufig an ihrem direkten Vorgesetzten, da er für sie die Unternehmensleitung verkörpert. Gerade auf den unteren hierarchischen Ebenen ist dies besonders deutlich feststellbar. Meister haben eine hohe Akzeptanz, da sie aus den eigenen Reihen kommen und nicht (wie die Firmenspitze) anonym und unnahbar erscheinen. Die kooperative Führung gibt dem Mitarbeiter Spielräume, sich als Mensch auch im Unternehmen selbst zu verwirklichen.
Der Wandel zum kooperativen Führungsstil wird durch den Wunsch von autoritären Persönlichkeiten gefährdet, die weiter „herrschen“ wollen, während die Bereitschaft der „Untergebenen“, sich unterzuordnen, immer geringer wird.
Vorteil: Transparenz
Die kooperative Führungskraft ist mit einem Dirigenten zu vergleichen, der die Aufgabe eines Koordinators übernimmt. Dem kooperativen Führungsverständnis wird häufig vorgeworfen, Entscheidungsprozesse würden zu lange dauern. Das lässt sich dadurch entkräften, dass durch den ständigen Informationsfluss Entscheidungen besser vorbereitet und so schneller getroffen werden können – vor allem mit langfristigem Erfolg! Dies kann ein autoritärer Vorgesetzter niemals erreichen, da er viel zu wenig informiert ist.
Demokratische Führung und Wandel gängiger Normen
Demokratisch: Führung durch Sinngebung
Der gesellschaftliche Wertewandel hat auch zu einem veränderten Führungsverständnis geführt:
Das Miteinander steht im Vordergrund.
Der Chef wird vom Faktendenker zum Wertedenker, das heißt, dass er nicht mehr ausschließlich Daten und Fakten als Grundlage für seine Entscheidungen heranzieht, sondern (sehr genau) das gesamte Umfeld beobachtet....