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Warum wir Suchmaschinen brauchen
1 Die Zukunft hat längst begonnen
Wie sich die Welt in den letzten 15 Jahren fundamental geändert hat
Erinnern Sie sich noch an das Jahr 1994? Ein Geschäftsführer, der etwas auf sich hält, rüstet seine Arbeitsplätze mit den hochmodernen 486er-PCs aus. Ganz billig sind die Geräte zwar nicht. Immerhin muss man für einen Rechner über 3.000 D-Mark hinlegen. Dafür haben sie eine 120-MB-Festplatte und einen 4-MB-Hauptspeicher. Das war mehr Platz, als man jemals benötigen würde. In diesem Punkt waren sich fast alle sicher, die etwas von der Materie verstanden. Und der integrierte Co-Prozessor mit seinen 1,2 Millionen Transistoren und einer Taktfrequenz von 100 MHz ist eine Revolution, die allein das Geld wert ist. Welche technischen Neuerungen sollten da noch folgen?
Das Internet ist bis dahin nur absoluten Profis ein Begriff. Erst ein Jahr zuvor wurde die erste kommerzielle Webseite von der amerikanischen Computerfirma Digital Equipment Corporation ins World Wide Web gestellt, das in der Form, in der wir es heute kennen, noch gar nicht existierte. Zu dieser Zeit, Ende 1993, hatte ich gerade meine IT-Karriere im Bereich Führungsinformationssysteme beim debis-Systemhaus in Stuttgart gestartet und war für das Abteilungsnetzwerk und die drei Server verantwortlich. Da kam mein damaliger Chef auf mich zu und meinte, dass er da etwas von einem „öffentlichen Netzwerk“ gehört habe, bei dem man mitmachen könne. „Schauet Sie doch mal nach, wie des gaht“, bat er mich im klassischen Schwäbisch.
Ich habe mir daraufhin aus der Bibliothek von Daimler, der Mutterfirma von debis, die aktuelle Literatur kommen lassen und las da etwas von einem Datendienst namens Gopher, von FTP zur Datenübertragung, von verschiedenen Zugängen und jede Menge technischem Schnickschnack. Ich konnte aber trotz aller Bemühungen nicht herausfinden, was man mit dem ganzen Zeugs anfangen konnte, außer Daten und Texte zu übertragen. Für so etwas hatten wir doch im Konzern das Programm MEMO, ein internes Nachrichtensystem, mit dem man das mindestens genauso gut konnte. Außerdem hätten wir für dieses Netzwerk einen Datenanschluss benötigt, der mit 10.000 D-Mark Kosten pro Monat doch recht teuer war. Mein Chef erwiderte auf meinen kritischen Bericht: „Des brauchet mir ned ond ih habs au ned im Budgetplan“.
Ein Jahr später kamen die 14,4 kBit/s-Modems auf den Markt. Mit ihnen war es immerhin möglich, zu erschwinglichen Preisen ins Internet zu gehen. Sie hatten gegenüber der 2-Megabit-Standleitung für 10.000 D-Mark pro Monat allerdings den großen Nachteil, dass die Exkursionen ins weltweite Netz so langsam waren, dass einem Nutzer schnell der Spaß vergehen konnte. Einmal ganz davon abgesehen, dass die Informationen, die im Internet eingestellt wurden, hauptsächlich von Universitäten stammten und noch nicht so vielfältig waren wie heute. Daher ließen die meisten Unternehmen die Finger von dieser seltsam anmutenden Spielerei, die sich irgendwelche Forscher der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) ausgedacht hatten. Es sei denn, sie waren auf die Informationen der Universitäten angewiesen.
Mobiltelefone waren Statusobjekte, mit denen höchstens die Geschäftsführung ausgestattet wurde. Viele Firmen sahen solche Geräte sowieso als unnötigen Mumpitz an, weil man höchstens in Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet einen guten Empfang hatte. Um den einfachen Mitarbeiter damit auszustatten, sind die Geräte und die Telefonate viel zu teuer. Immerhin fielen zur CeBIT 1994 die Kosten für ein Gerät unter 500 D-Mark.
Abbildung 1 : Das Motorola DynaTAC, ein Prototyp des Mobiltelefons (Quelle: Motorola)
Daneben wurde ein neuer Dienst für diese mobilen Telefone vorgestellt, der bei DeTeMobil „D1-Alpha“ hieß. Dieser Short Message Service (SMS) war eine ganz verrückte Sache. Mit ihm konnte man Nachrichten von Mobiltelefon zu Mobiltelefon versenden und auf dem Gerät lesen. Die Erfindung sorgte für einiges Kopfschütteln. Nur wenige Menschen konnten sich vorstellen, dass ein solcher Dienst irgendeinen Nutzen bringen sollte.
Und jetzt stellen Sie sich einmal vor, dass ich, Jürgen Lange, an diesem schönen Tag im Jahr 1994 zu Ihnen gekommen wäre und behauptet hätte, dass in 15 Jahren unsere Straßen mit Menschen bevölkert sein würden, die mit seltsamen Knöpfen in den Ohren durch die Stadt laufen. Diese Kreaturen reden scheinbar mit sich selbst. Wer glaubt, dass es sich um entflohene Insassen einer Anstalt handelt, liegt falsch. Es sind ganz normale Bürger, die mobil mit der ganzen Welt über Mobiltelefone kommunizieren, so wie einst Captain Kirk aus „Raumschiff Enterprise“. Die Geräte sind inzwischen kleiner als eine Zigarettenschachtel, können jedoch mehr Daten in kürzerer Zeit versenden als die schönen neuen 486er-Rechner mit den 2-Megabit-Standleitungen. Selbst dann noch, wenn sich der Absender auf der Schwäbischen Alb befindet. Die Geräte sind auch viel günstiger geworden. Es gibt sogar Mobilfunkanbieter, die die Geräte verschenken. Die Preise für Datenübertragung sind ebenfalls rasant gefallen. Dabei werden die Fernsprecher immer seltener für einfache Telefonate eingesetzt. Die Menschen surfen mit ihnen im Internet oder versenden diese seltsamen SMS. Die fleißigsten Versender sind Schüler, die im Unterricht statt Zettelchen lieber Kurznachrichten schreiben und sie verschicken. Im Geschäftsleben wird dieser Dienst ebenfalls genutzt. Es wird eine Bundeskanzlerin namens Angela Merkel geben, die selbst während Koalitionssitzungen unzählige SMS liest und schreibt und dabei so manches nebenbei schnell abarbeitet.
Dazu hätte ich Ihnen erzählt, dass 37 Prozent der deutschen Haushalte einen Breitbandanschluss mit mindestens 2 MBit/s haben. Und dafür zahlen sie nicht etwa 10.000 D-Mark pro Monat. Wer bei der Deutschen Post, die dann Telekom heißt, jeden Monat 39 Euro investiert, was etwa 76 D-Mark entspricht, ist schon in der teureren Liga unterwegs. Dafür ist kostenloses Telefonieren an alle deutschen Festnetznummern im Preis mit inbegriffen. Die Mitbewerber der Bundespost verkaufen mit ihren Breitbandanschlüssen Telefonate über das Internet für etwa 40 D-Mark im Monat. Wer Glück hat, bekommt das sogenannte VDSL mit einem Upload-Download-Verhältnis von 50/10 MBit/s für 136 D-Mark pro Monat. Und was machen die Leute mit diesen schnellen Übertragungsraten? Sie haben nichts Besseres zu tun, als über das Internet fernzusehen. Denn für die Übertragung von großen Dateien reicht die Bandbreite ja locker aus.
Was die 14,4-kBit-Modems angeht, die in jenen Jahren mit mehr als 1.000 D-Mark zu Buche schlugen, so würde ich Ihnen sagen, dass die gesamte Technologie binnen Kurzem so veraltet sein wird, dass viele junge Menschen nicht einmal mehr wissen, was externe Analogmodems oder gar Akustikkoppler überhaupt sind. Sie kennen die blinkenden Boxen höchstens aus dem Deutschen Museum in München, wo sie in der gleichen Dauerausstellung wie der Z4 bestaunt werden.
Abbildung 2: Kommerzieller Akustikkoppler 80er Jahre (Quelle: xdot GmbH)
Die Rechenleistung wird natürlich auch im Jahr 2009 noch Geld kosten. Sie werden für den gleichen Betrag jedoch viel mehr bekommen. Selbst bei Aldi werden neben Obstkonserven und H-Milch Computer mit einer Terabyte-Festplatte (1.000 GB), 4 GB Arbeitsspeicher und zwei Prozessoren für weniger als 1.400 D-Mark verkauft. Damit können Sie 8.000-mal so viel Information wie auf den 486-Rechner mit seiner 120-MB-Festplatte aus dem Jahr 1994 speichern.
Hand aufs Herz: Wie hätten Sie reagiert, wenn ich Ihnen im Jahr 1994 so etwas erzählt hätte? Hätten Sie herzlich gelacht oder gleich die netten Herren in den weißen Kitteln gerufen?
Zugegeben, vor 15 Jahren wären solche gigantischen Festplattenspeicher mit 1.000 GB und derartig schnellen Übertragungsraten wohl kaum notwendig gewesen. Zu jener Zeit wären so große Datenmengen nicht produziert und noch weniger versendet worden. Eine Festplattengröße von 120 MB hätte für das Datenvolumen, das in diesen Jahren verarbeitet wurde, gut ausgereicht. Genauso wenig wären die langsamen Übertragungsraten ein Manko gewesen. Denn anno 1994 wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, große Datenpakete über das Internet zu versenden. Größere Dateien wie beispielsweise Bilder wurden einfach auf Disketten kopiert, die weniger als 1 MB speichern konnten. Im Anschluss wurden sie gut verpackt und mit der Bundespost auf die Reise geschickt. Fertig.
Heute sieht das ganz anders aus. Leistungsschwache Rechner sind im heutigen Geschäftsleben fast schon ein K.o.-Kriterium. Und ein fehlender Breitbandanschluss gilt schon als Standortnachteil. Mancherorts bezahlen Gemeinden die nötigen Tiefbaumaßnahmen aus eigener Tasche, so geschehen im niedersächsischen Örtchen Klein Meckelsen.3 In Hegensdorf bei Paderborn haben die Bewohner sogar selbst Hand angelegt, da der Gemeinde das Geld für die Erdarbeiten fehlte.4 „Bis spätestens 2014 sollen für 75 Prozent der Haushalte, bis 2018 für alle Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen. Der kostengünstige Zugang zu einer Breitband-Internet-Verbindung ist eine notwendige technologische Bedingung, um in der globalisierten Wirtschaft wettbewerbsfähig zu sein“,5 teilt die Bundesregierung in ihrem Organ, dem „Magazin für Wirtschaft und Finanzen“ mit.
Damit steigt gleichzeitig der Anspruch an die Tätigkeiten der Mitarbeiter. Eine gute Informationsgrundlage ist für die meisten Erdenbürger...