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Populäre Geschichte der Philosophie

Die Philosophie des Altertums + Die Philosophie des Mittelalters + Die Philosophie der Neuzeit (Volkstümliche Geschichte)

AutorKarl Vorländer
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl370 Seiten
ISBN9788026845416
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Populäre Geschichte der Philosophie' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Inhalt: Morgenland Die Philosophie des Altertums und des Mittelalters Die griechische Philosophie Die Blütezeit der griechischen Philosophie: Sokrates, Plato, Aristoteles Griechisch-römische Lebensphilosophie Die Philosophie des Mittelalters Der Beginn: Renaissance, Humanismus, Reformation Die neue Naturwissenschaft: Leonardo da Vinci, Kopernikus und Kepler Die vier großen philosophischen Systematiker (Descartes, Hobbes, Spinoza, Leibniz) Die Aufklärungsphilosophie Immanuel Kant Die Philosophie der Romantik: von Fichte bis Hartmann und Nietzsche Der positivistische Rückschlag: Ludwig Feuerbach, Max Stirner, Charles Darwin Das Wiedererwachen des kritischen Idealismus (Neukantianismus) Die Philosophie des Sozialismus (Karl Marx, Friedrich Engels) Karl Vorländer (1860-1928) war ein deutscher Gymnasialprofessor in Solingen. Er befasste sich mit der Geschichte der Philosophie und vertrat als Kantforscher die Marburger Schule. Vorländer entwarf seine Geschichte der Philosophie für Studenten und gebildete Laien. Vorländer wollte 'die ganze Geschichte der Philosophie' und des Denkens in einer begrenzten Darstellung zusammenfassen und sich dabei auf das Allgemeine, bzw. das Generalisierbare beschränken. Um den hohen Anspruch erfüllen zu können, muss Geschichtsschreibung 'die Tatsachen gewissenhaft erforschen' und dabei 'nach den Grundsätzen kritisch-historischer Methode' vorgehen. Kulturgeschichtliche und wissenschaftsgeschichtliche Aspekte waren zu berücksichtigen, sowie systematische und biographische Faktoren. Ein Philosophiehistoriker musste Philosoph sein. Auf diese Weise sollte ein Höchstmaß an Objektivität erreicht werden. 1924 veröffentlichte er für Laien eine Volkstümliche Geschichte der Philosophie, die auch als Nachdruck im Handel erhältlich ist.

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Leseprobe

3. Erstes Auftauchen von geistigen Prinzipien:
Werden und Sein. Die Zahl

Inhaltsverzeichnis


a) Heraklit und das Werden

Einen sehr wesentlichen Fortschritt vollzieht dann der schon vorhin genannte Heraklit, indem er zum ersten Male an die Stelle des bisherigen bloß stofflichen (lateinisch konkreten, das heißt wörtlich »zusammengewachsen«) ein zwar vom Stoff noch nicht völlig losgelöstes, aber doch geistigeres, abstraktes (gleich von den Sinnen »abgezogenes«) Prinzip oder leitenden Grundsatz aufstellt. Es gibt, lehrte der Weise von Ephesus, nichts Festes und Beharrliches in der Welt. Panta rei (wörtlich: »alles fließt«): Alle Dinge sind in stetem Flusse, in ewigem Wechsel und Werden begriffen. »Nicht zweimal«, so lautet ein von ihm gern gebrauchtes Gleichnis, »können wir in denselben Fluß hineinsteigen, denn neue und immer neue Gewässer strömen ihm zu.« Der Kosmos, das heißt die geordnete Welt, gleicht einem fortwährend umgerührten Mischtrank. Und zwar vollzieht sich dieser beständige Werdeprozeß mit Vorliebe in Gegensätzen: Leben und Tod, Wachen und Schlafen, Mischung und Trennung, Entstehen und Vergehen, Hohes und Tiefes, selbst Gutes und Böses; es ist im Grunde alles dasselbe, nämlich nur eine verschiedene Form des gleichen Prozesses. »Streit ist der Vater aller Dinge.« Gegensatz erzeugt Einheit.

Heraklit ist ein tiefsinniger Denker, der etwas von Goethes Faust an sich hat. »Ich erforschte mich selbst,« erklärte er einmal mit stolzem Selbstgefühl, im Gegensatz zu den »Vielwissern« und dem »Unverstand« der Menge. Seine Sprache – es sind immerhin über 120 Fragmente (Bruchstücke) aus seinen Schriften erhalten – ist bilderreich, manchmal fast orakelhaft, so daß er bereits im Altertum den Beinamen »der Dunkle« erhielt, und Sokrates sagte, es bedürfe eines »delischen«, das heißt vorzüglichen Tauchers, um bei Heraklit auf den Grund zu kommen. Der »Menge« stand er auch politisch gegnerisch gegenüber. »Augen und Ohren sind schlechte Zeugen der Wahrheit, wenn sie ungebildeten Seelen angehören.« Deshalb müssen Strafen da sein, um sie im Zaume zu halten. Aber auch wider die damals in den griechischen Stadtstaaten vielfach aufkommende »Tyrannis«, das heißt Gewaltherrschaft einzelner, streitet er: »Überhebung muß man löschen gleich einer Feuersbrunst« und: »Für das Gesetz muß das Volk kämpfen wie für eine Mauer.« An eine über allem waltende Weltvernunft, wie manche meinen, hat er schwerlich geglaubt. Vergleicht er doch einmal die Ewigkeit mit einem »brettspielenden Knaben«, der die Steine aufbaut und wieder zusammenwirft. »Sein eigener Sinn ist des Menschen Dämon,« das heißt sein Charakter ist sein Schicksal.

Es ist begreiflich, daß ein so tiefsinniger und eigenartiger Denker wie Heraklit »der Dunkle« von Ephesus von jeher tiefere Naturen angezogen hat, wie schon im Altertum Plato und die Stoiker und in der Neuzeit so entgegengesetzte Denker wie den gemütstiefen Theologen Schleiermacher und die verstandesscharfe und zugleich leidenschaftliche Kämpfernatur Ferdinand Lassalles, der ein zweibändiges Werk über ihn veröffentlicht hat (1858).

b) Die Eleaten und das Sein

Durch Heraklit war der anscheinend feste Bestand aller Dinge in ein ewiges Werden aufgelöst worden. Die ergänzende Gegenlehre dazu haben die Eleaten aufgestellt, so genannt nach der auf Griechenlands andrer Seite, in Unteritalien gelegenen Stadt Elea, einer jener Kolonien, die als »Großgriechenland« in blühendem Kranze die Küsten Süditaliens und Siziliens umsäumten.

Ein Vorläufer der strengeren eleatischen Philosophie ist der wandernde Sänger Xenóphanes (um 570 bis 480), aus dem kleinasiatischen, durch sein Harz bekannten Kolophon gebürtig, der nach einem jahrzehntelangen Wanderleben sein müdes Haupt in Elea zur Ruhe legte. Xenophanes ist weniger Naturforscher als Poet. Als solcher zeigt er einige auffallend unhellenische Züge. Erhaltene Verse warnen vor Überschätzung der Körperkraft, ja schätzen selbst den Siegespreis eines Wettkämpfers von Olympia gering. Er verwirft die ganze griechische Sagenwelt einschließlich Homers, weil sie den Göttern menschliche Laster wie Diebstahl, Betrug und Ehebruch andichte. Ja, er zeigt sogar, ganz im Widerspruch zu der plastischen Schöpferkraft griechischer Bildhauer, Abneigung gegen deren bildliche Darstellung und sagt einmal geringschätzig: Rinder und Löwen würden, falls sie Hände hätten, ihre Götter in Rinds-und Löwengestalt bilden. Der Vielgötterei (Polytheismus) des Volksglaubens stellt Xenophanes die Lehre von einem höchsten Gott (Monotheismus) entgegen, »der weder an Gestalt den Sterblichen ähnlich ist noch an Gedanken«, »ganz Auge, ganz Geist, ganz Ohr«, völlig unbeweglich und unwandelbar ein und derselbe bleibend, » Eines und Alles«. Seine Gottheit ist also im Grunde einerlei mit dem Weltall, das selbst eine gewaltige Einheit bildet, seine Weltanschauung demnach Pantheismus (von pan: alles und theos: Gott).

Dieser Pantheismus erhielt eine strengere philosophische Begründung erst bei Xenophanes’ Schüler Parménides (geb. 540 oder 515) aus Elea, der schon im Altertum seiner Denkergröße und seiner sittlichen Hoheit wegen in hohem Ansehen stand. Zur Wahrheit führen ihm zufolge nicht die Sinne, die uns eine Vielheit beständig sich verändernder Dinge vorspiegeln, sondern nur das reine Denken, das uns zu der Erkenntnis bringt: daß nur das Seiende ist, daß es dagegen ein Nichtseiendes, mithin auch ein Werden nicht geben kann. Nur ein Seiendes vielmehr kann gedacht werden; ja »dasselbe ist Denken und Sein«. Das reine Sein ist ewig, ungeworden, unbeweglich, unzerstörbar, unteilbar, allgegenwärtig, unendlich, überall sich selbst gleich. Anscheinend in einem gewissen Widerspruch hiermit nahm er dann doch für die Welt der Erscheinungen zwei Urstoffe: einen lichten, leichten, feurigen und einen dunklen, schweren, erdhaften an: der erste das wirkende, der zweite das leidende Prinzip. Auch die menschliche Seele ist aus beiden gemischt.

Von Parmenides’ Nachfolger ging sein Lieblingsschüler Zenon (um 490 bis 430) so weit, daß er mit dem Dasein des Vielen auch die Möglichkeit der Bewegung in scharfsinnigen Erörterungen bestritt und zum Beispiel die verblüffende Behauptung aufstellte: der fliegende Pfeil ruhe, weil er in jedem Augenblick nur in einem und demselben Raume sei, in Wahrheit während der ganzen Dauer seiner Bewegung.

Beide Richtungen, die des Heraklit und seiner Jünger (von denen Krátylus folgerichtig behauptete, auch nicht einmal steige man in denselben Fluß hinab) und die der Eleaten sind fruchtbar geworben für die Folgezeit. In dem ewigen »Werden« des ersteren ist das gesamte entwicklungsgeschichtliche Denken im Keim eingeschlossen, während die Männer von Elea mit ihrer Betonung des beharrenden Seins den »ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht« (Schiller) aufdecken und so die Urheber des Gedankens der Substanz, an der sich die Veränderungen vollziehen, geworden sind.

c) Die Pythagoreer und die Zahl

Ob Parmenides mit seinem kühnen Satze von der Einerleiheit (Identität) von Denken und Sein bereits, wie manche meinen, an ein anderes als das bloß körperliche Dasein gedacht hat? Wir wissen es nicht, dürfen jedenfalls die altgriechischen Denker nicht ohne weiteres mit unserem Maßstab messen. Sicher aber haben gleichzeitig mit ihm schon andere den Gedanken eines unkörperlichen Seins in die Philosophie eingeführt, nämlich die Pythagoreer den Begriff der Zahl.

Die Gestalt des weisen Pythagoras selber, der in reiferem Mannesalter um 535 von der Insel Samos in das unteritalische Kroton einwanderte, ist früh von Sagen umwoben worden. Mit Sicherheit wissen wir nur, daß er dort eine sittlich-religiöse Vereinigung, eine Art Freundschaftsorden gründete, der im Anschluß an die ernstere dorische Stammesart auf Einfachheit, Mäßigkeit, Abhärtung, Selbstbeherrschung und Treue gegen Götter, Eltern, das Gesetz drang und zu täglicher Selbstprüfung aufforderte, auch an eine Seelenwanderung und Vergeltung nach dem Tod glaubte. Die Freundestreue der Pythagoreer (vgl. Schillers »Bürgschaft«) ist sprichwörtlich geworden. Dagegen läßt sich von ihrem Mahnsatz: »Den Freunden ist alles gemeinsam« noch keineswegs, wie manche es angenommen, auf Sozialismus schließen, außer auf einen solchen, der allen Ordens-und Klostergemeinschaften eigen ist. Im Gegenteil, der Pythagoreische Bund, der sich bald auf eine Reihe unteritalischer Griechenstädte ausdehnte und in ihnen längere Zeit großen Einfluß gewann, trug, wie die meisten dorischen Ansiedlungen, einen ausgesprochen aristokratischen Charakter, geriet mit der Volkspartei in heftige Kämpfe und wurde schließlich um die Mitte des fünften Jahrhunderts von dieser zersprengt. Von den nach dem Mutterland Geflüchteten ließ sich Philolaos in Theben nieder. Den von ihm erhaltenen Bruchstücken allein verdanken wir unsere nähere Kenntnis der Pythagoreischen Lehre.

Das Neue und Eigenartige dieser Lehre ist, daß bei ihr zum ersten Male ein reines Gedankending zum philosophischen Prinzip gemacht wird: die Zahl. Wie kam das? Nun, Pythagoras und seine Jünger waren nach dem zuverlässigen Zeugnis des Aristoteles die ersten, die sich gründlich mit der Mathematik beschäftigten, und zwar nicht bloß mit der Geometrie der Ebene – der bekannte Satz von der Winkelsumme eines rechtwinkligen Dreiecks trägt ja noch heute...

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