1. Wie die Leiter, so die Gemeinde
Die allgemeine Gesundheit jeder Gemeinde und jedes christlichen Werkes hängt in erster Linie von der emotionalen und geistlichen Gesundheit ihrer Leiter ab. Genau genommen hat der Schlüssel zu erfolgreicher geistlicher Leiterschaft viel mehr mit dem inneren Leben des Leiters zu tun als mit seinem Fachwissen, seinen Gaben oder seiner Erfahrung.
Ich brauchte lange, um zu erkennen, dass noch ein Leiterschaftsseminar oder mehr Informationen nicht der Schlüssel zu „erfolgreicher“ Gemeindeleitung waren. Genau genommen begann mein Weg als Leiter einer emotional und geistlich gesunden Gemeinde nicht mit einem Seminar oder einem Buch, sondern mit einem sehr schmerzhaften Gespräch zu Hause.
Meine Frau konnte es nicht mehr ertragen
„Pete, ich trete aus der Gemeinde aus“, hatte meine Frau Geri leise gemurmelt.
Ich saß regungslos da, zu fassungslos, um zu antworten.
„Ich kann diesen Stress nicht mehr ertragen – die ständigen Krisen“, fuhr sie fort.
Geri war mehr als geduldig gewesen. Ich hatte ständig Druck und Spannungen von der Gemeinde mit nach Hause gebracht, Jahr für Jahr. Jetzt war die Frau, der ich versprochen hatte, dass ich sie lieben würde, wie Christus die Gemeinde liebt, völlig erschöpft.
Wir hatten acht Jahre lang unerbittlichen Stress erlebt.
„Ich mache das nicht mehr mit“, schloss sie. „Diese Gemeinde ist kein Leben mehr für mich. Sie ist der Tod.“
Wenn ein Gemeindemitglied sagt: „Ich trete aus“, fühlen sich die meisten Pastoren nicht besonders gut. Wenn es aber die Frau sagt, mit der Sie seit neun Jahren verheiratet sind, wird Ihre Welt auf den Kopf gestellt.
Wir waren im Schlafzimmer. Ich erinnere mich noch gut an jenen Tag.
„Pete, ich liebe dich, aber ich verlasse die Gemeinde“, fasste sie alles ruhig zusammen. „Ich respektiere dich als Leiter nicht mehr.“
Ich war sichtlich erschüttert und wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. Ich fühlte mich bloßgestellt, allein und wütend.
Ich wurde laut, um sie einzuschüchtern. „Das kommt gar nicht infrage“, bellte ich. „Okay, ich hab also ein paar Fehler gemacht.“
Aber sie fuhr ruhig fort: „So einfach ist das nicht. Du hast nicht den Schneid, um Leiter zu sein – Leuten entgegenzutreten, denen man entgegentreten muss. Du führst nicht. Du hast zu viel Angst, dass Leute die Gemeinde wieder verlassen. Du hast zu viel Angst davor, was andere über dich denken.“
Ich war entrüstet.
„Ich komme schon noch dahin!“, brüllte ich und ging in die Defensive. „Ich arbeite daran.“ (Die letzten zwei Jahre hatte ich es wirklich versucht, aber irgendwie war ich nicht dazu fähig.)
„Gut für dich, aber ich kann nicht mehr warten“, erwiderte sie.
Es entstand eine lange, schweigsame Pause. Dann sprach sie die Worte aus, die die Machtverhältnisse in unserer Ehe dauerhaft verschoben: „Pete, ich steige aus.“
Man sagt, dass der mächtigste Mensch der Welt der ist, der nichts zu verlieren hat. Geri hatte nichts mehr zu verlieren. Sie verkümmerte innerlich und ich hatte ihr nicht zugehört oder auf ihre Hilferufe reagiert.
Leise fuhr sie fort: „Ich liebe dich, Pete. Aber die Wahrheit ist, ich wäre getrennt von dir glücklicher als mit dir verheiratet. Dann würdest du wenigstens am Wochenende die Kinder nehmen müssen. Dann würdest du mir vielleicht sogar zuhören!“
„Wie kannst du nur so etwas sagen?“, beklagte ich mich. „Du sollst das nicht einmal denken.“
Sie war in ihrer Entscheidung ruhig und entschlossen. Ich war wütend. Eine gute christliche Ehefrau, die mit einem Christen (und dazu noch einem Pastor) verheiratet ist, tut so etwas nicht. In diesem Augenblick verstand ich, wie ein Ehemann austicken und die Frau, die er liebt, umbringen kann.
Sie hatte sich durchgesetzt. Sie zwang mich zuzuhören. Am liebsten wäre ich gestorben. Ich würde mich tatsächlich ändern müssen!
Der Anfang dieses Chaos’
Wie waren wir an diesen Punkt gekommen?
Acht Jahre zuvor hatten meine Frau und ich eine Gemeinde gegründet. Unsere Vision war es, eine Gemeinde für die Arbeiterklasse von Queens in New York City zu gründen, aus der Leiter hervorgingen, die weitere Gemeinden in New York City und überall auf der Welt ins Leben rufen.
Vielleicht sollte ich richtiger sagen, dass ich eine Vision hatte und Geri mir folgte. So wurden doch nach biblischem Vorbild in einer Ehe Entscheidungen getroffen.
Jetzt, vier Kinder später, war sie kampfesmüde und wünschte sich ein Leben und eine Ehe. Mittlerweile stimmte ich ihr zu. Das Problem bestand in meinem Verantwortungsgefühl, die Gemeinde aufzubauen, und zwar für andere Menschen. Ich hatte nur wenig Energie dafür übrig, ein Vater für unsere Kinder zu sein oder mich an Geri zu freuen. Ich hatte sogar noch weniger Energie dafür, das „Leben“ zu genießen, worin auch immer das bestand! Selbst wenn ich körperlich anwesend war, zum Beispiel bei einem Fußballspiel einer unserer Töchter, waren meine Gedanken gewöhnlich auf etwas konzentriert, das mit der Gemeinde zu tun hatte.
Ich erinnere mich daran, dass ich mich fragte: Muss ich ein so elendes Leben führen und derart unter Druck stehen, damit andere Menschen Freude an Gott erleben können? So jedenfalls fühlte es sich an.
Aus Wochen waren Monate geworden. Aus Monaten Jahre. Aus den Jahren war inzwischen beinahe ein Jahrzehnt geworden und die Krise war jetzt auf ihrem Höhepunkt. Die nüchterne Realität war, dass ich während dieser neun Jahre nur wenig Zeit für die Freuden des Vaterseins und der Ehe erübrigt hatte. Ich war zu beschäftigt mit den nicht enden wollenden Anforderungen, die das Pastorenamt in einer Gemeinde mit sich brachte. (Wie sehr mir doch jetzt bewusst ist, dass ich diese Jahre nie zurückbekommen werde!)
Jesus beruft uns dazu, selbst zu sterben. „Wenn jemand mir nachfolgen will ... muss er sich selbst verleugnen, sein Kreuz auf sich nehmen und mir nachfolgen“ (Markus 8,34). Das Problem bestand darin, dass wir für die falschen Dinge gestorben waren. Wir hatten fälschlicherweise angenommen, dass um des Evangeliums willen zu sterben bedeutete, dass wir tot seien für die Sorge um uns selbst, für Gefühle der Traurigkeit, für Wut, Trauer, Zweifel, Kämpfe, für unsere gesunden Träume und Sehnsüchte und für die Leidenschaften, die wir vor unserer Ehe genossen hatten.
Geri war schon immer sehr gern draußen im Freien und sie liebt die Natur. Ihre große Verwandtschaft ist für sie sehr wertvoll. Sie liebt Freizeitaktivitäten und es gefällt ihr, für andere Menschen Gelegenheiten zu schaffen, sich zu amüsieren. Für diese Vergnügungen gab es kaum Zeit.
Workaholics für Gott
Wir waren sehr beschäftigt für Gott. Unser Leben war ausgefüllt mit Dienst, Arbeit und dem Versuch, andere Menschen zu lieben. Manchmal fühlte es sich so an, als dürften wir bestimmte Dinge, die mir Freude bereiteten, nicht tun, nur damit sich andere geliebt fühlten. Aber tatsächlich waren wir für etwas „gestorben“, das Gott gar nicht so intendiert hatte (ich erkläre das an anderer Stelle). Ich erinnere mich daran, wie ich mit meinem Schwager beim Abendbrot saß und er davon sprach, wie viel Spaß es ihm machte, Schiedsrichter und Trainer in der Mädchen-Basketballmannschaft zu sein.
„Muss schön sein“, murmelte ich. „Zu schade, dass ich diese Art Freiheit nicht haben kann.“
Ich hatte Gottes Gnade in Jesus Christus sehr tief greifend erlebt, als ich mit neunzehn Jahren Christ wurde. Seine Liebe erfüllte mich mit der Leidenschaft, ihm zu dienen. Mit der Zeit jedoch wurde aus dieser Leidenschaft eine Last. Die nicht enden wollenden Anforderungen der Gemeindegründung in New York City neben der Tatsache, dass ich die emotionalen Dimensionen des geistlichen Lebens vernachlässigte, machten aus meiner Freude langsam eine „Pflicht“. Mein Leben kam aus dem Gleichgewicht und ich begann langsam, die Lüge zu glauben, dass Christus mich umso mehr lieben würde, je mehr ich für ihn litt. Ich fing an, mich schuldig zu fühlen, wenn ich mir zu viel Freizeit nahm und zum Beispiel am Strand meinen Spaß hatte.
Mein geistliches Fundament wurde schließlich als das offengelegt, was es war: Holz, Heu und Stroh (1. Korinther 3,10-15). Ich war so viele Jahre lang gehinkt, dass mir das Hinken jetzt normal erschien.
Geris mutiger Schritt an jenem kalten Januarabend rettete mich. Gott griff durch Geris Worte „Ich steige aus“ dramatisch ein.
Das war wahrscheinlich der liebevollste, mutigste Dienst, den sie mir je erwiesen hat. Er zwang mich, professionelle Hilfe zu suchen, um meine „Berufungskrise“ zu lösen. Unbewusst hoffte ich, dass der Seelsorger Geri den Kopf zurechtrücken würde, damit ich mit meinem Leben und der Gemeinde weitermachen konnte.
Ich hatte ja keine Ahnung, was vor mir lag!
Gott zwang mich, einen langen, schmerzhaften Blick auf die Wahrheit zu werfen – die Wahrheit über mich selbst, über unsere Ehe, unser Leben, die Gemeinde. Jesus sagte: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Johannes 8,32). Es war entmutigend, mir schließlich und endlich einzugestehen, dass mein intensiver Einsatz in geistlichen Disziplinen keine geistliche Reife in mein Leben gebracht hatte.
Warum? Ich ignorierte die emotionalen Komponenten der...