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E-Book

Warum ist E = mc²?

Einsteins berühmte Formel verständlich erklärt

AutorBrian Cox, Jeff Forshaw
VerlagFranckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783440152065
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
E = mc² ist die berühmteste Formel der Welt. Mit ihr brachte Einstein es auf den Punkt: Energie und Masse sind zwei Seiten derselben Medaille und die Lichtgeschwindigkeit c ist ihr Wechselkurs. Doch warum besteht dieses so einfache Verhältnis? Wie ist Albert Einstein zu diesem Schluss gekommen? Und welche Folgen für das Verständnis des Universums ergeben sich daraus? Brian Cox, Professor für Physik und in England durch seine Sendungen auf BBC sehr bekannt, hat sich zusammen mit seinem Kollegen Jeff Forshaw, Professor für theoretische Physik, die scheinbar einfache Einstein-Gleichung vorgenommen, um sie mit viel Energie ausführlich und verständlich zu erklären.

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Leseprobe

KAPITEL 1
Raum und Zeit

Was bedeuten für Sie die Begriffe »Raum« und »Zeit«? Vielleicht stellen Sie sich den Raum als die Leere zwischen den Sternen vor, wenn Sie Ihren Blick in einer kalten Winternacht an den Himmel richten. Oder Sie haben die Weite zwischen Erde und Mond vor Augen, die ein in Goldfolie gepacktes Raumschiff zurücklegte – herausgeputzt mit der amerikanischen Flagge, gesteuert von kahlrasierten Astronauten, die Namen wie Buzz trugen. Die Zeit könnte das Ticken Ihrer Uhr sein oder das Welken der Blätter, wenn die Erde bei ihrem Umlauf um die Sonne zum Fünfmilliardsten Mal ihre nördlichen Breiten von der Sonne weg neigt. Wir haben alle ein intuitives Gefühl für Raum und Zeit; sie sind mit unserer Existenz verwoben. Wir bewegen uns durch den Raum auf der Oberfläche unseres blauen Planeten, während die Zeit vergeht.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es eine Reihe von wissenschaftlichen Durchbrüchen, die scheinbar nichts miteinander zu tun hatten. Sie zwangen die Physiker nach und nach dazu, diese einfache, intuitive Vorstellung von Raum und Zeit nochmals zu überprüfen. Anfang des 20. Jahrhunderts fühlte sich Albert Einsteins Kollege und Lehrer Hermann Minkowski dazu bemüßigt, seinen inzwischen berühmten Nachruf auf die bis dahin akzeptierte Vorstellung zu verfassen: »Der Raum und die Zeit, jeweils für sich genommen, sind zu bloßen Schatten geworden, und nur die Vermischung der beiden existiert eigenständig.«

Was könnte Minkowski mit der Vermischung von Raum und Zeit gemeint haben? Um diese fast mystisch klingende Aussage zu verstehen, muss man Einsteins Spezielle Relativitätstheorie nachvollziehen – jene Theorie, die der Welt die berühmteste aller Gleichungen gebracht hat, E = mc2, und die in den Mittelpunkt unseres Verständnisses von der Struktur des Universums die Größe mit dem Symbol c, die Lichtgeschwindigkeit, gerückt hat.

Einsteins Spezielle Relativitätstheorie ist in ihrem Kern die Beschreibung von Raum und Zeit. Zentral für die Theorie ist die Vorstellung einer besonderen Geschwindigkeit – einer Geschwindigkeit, über die hinaus nichts im Universum beschleunigen kann, egal wie leistungsfähig etwas ist. Diese Geschwindigkeit ist die Lichtgeschwindigkeit: 299.792.458 Meter pro Sekunde im Vakuum des leeren Raums. Ein von der Erde ausgesendeter Lichtblitz benötigt bei dieser Geschwindigkeit acht Minuten bis zur Sonne, 100.000  Jahre, um das Milchstraßensystem zu durchqueren, und mehr als zwei Millionen Jahre, um unseren galaktischen Nachbarn zu erreichen, die Andromedagalaxie. Heute Nacht wird das größte Teleskop auf der Erde in die Schwärze des Raums blicken und das Licht von fernen, schon lange erloschenen Sonnen am Rande des beobachtbaren Universums auffangen. Deren Licht trat seine Reise vor mehr als zehn Milliarden Jahren an, mehrere Jahrmilliarden, bevor die Erde aus einer kollabierenden Wolke interstellaren Staubs entstanden ist. Die Lichtgeschwindigkeit ist schnell, aber bei weitem nicht unendlich schnell. Bei den gewaltigen Entfernungen zwischen Sternen und Galaxien kann die Lichtgeschwindigkeit entmutigend langsam sein – langsam genug, dass wir sehr kleine Körper fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen können. Möglich ist das mit Anlagen wie dem 27 Kilometer großen Large Hadron Collider am Europäischen Zentrum für Kernforschung (CERN) in Genf.

Dass eine solche spezielle Geschwindigkeit existiert, eine kosmische Höchstgeschwindigkeit, ist eine seltsame Vorstellung. Wie wir im Verlauf des Buches erkennen werden, wird sich die Verknüpfung dieser besonderen Geschwindigkeit mit der Lichtgeschwindigkeit als eine Art Ablenkungsmanöver herausstellen. Sie muss in Einsteins Universum eine viel grundlegendere Rolle spielen, und es gibt gute Gründe dafür, dass sich Licht mit dieser Geschwindigkeit bewegt. Wir werden darauf später zurückkommen. Für den Moment genügt es zu sagen, dass sonderbare Dinge geschehen, wenn Körper sich der Lichtgeschwindigkeit nähern. Wie ließe sich ein Körper davon abhalten, über diese Geschwindigkeit hinaus zu beschleunigen? Es wäre so, als ob es ein universelles physikalisches Gesetz gäbe, das Ihr Auto daran hindert, schneller als mit 100 Kilometer pro Stunde zu fahren, egal wie leistungsfähig der Motor ist. Anders als eine Geschwindigkeitsbegrenzung muss diesem Gesetz jedoch nicht durch eine himmlische Polizei Geltung verschafft werden. Die bloße Struktur von Raum und Zeit ist so gestaltet, dass es absolut unmöglich ist, dieses Gesetz zu brechen. Das erweist sich als sehr glücklicher Umstand, denn sonst käme es zu unerfreulichen Folgen. Wenn es möglich wäre, die Lichtgeschwindigkeit zu überschreiten, ließen sich Zeitmaschinen bauen, die uns zurück zu jedem beliebigen Punkt in der Vergangenheit befördern könnten. Wir könnten uns vorstellen, in eine Zeit vor unserer Geburt zurückzureisen und zufällig oder absichtlich verhindern, dass sich unsere Eltern jemals kennen lernten. Das ist exzellente Science-Fiction, aber keine Methode, ein Universum aufzubauen. Und Einstein fand tatsächlich heraus, dass das Universum so nicht aufgebaut ist. Raum und Zeit sind filigran miteinander verwoben, so dass solche Widersprüche nicht auftreten können. Doch die Sache hat ihren Preis: Wir müssen dafür unsere tief verwurzelte Vorstellung von Raum und Zeit aufgeben. Einsteins Universum ist eines, in dem Uhren in Bewegung langsamer ticken, Körper in Bewegung schrumpfen und wir Jahrmilliarden in die Zukunft reisen können. Es ist ein Universum, in dem sich das Leben eines Menschen fast unendlich lange verlängern lässt. Wir könnten der Sonne beim Erlöschen zusehen, dem Verdampfen der irdischen Ozeane und wie unser Planetensystem in ewige Finsternis fällt. Wir könnten Sternen bei ihrer Entstehung aus turbulenten Staubwolken zuschauen sowie der Entstehung von Planeten und womöglich dem Anfang des Lebens auf neuen, derzeit noch unfertigen Welten. Einsteins Universum lässt zu, dass wir in die ferne Zukunft reisen, während es die Türen zur Vergangenheit fest vor uns verschlossen hält.

Am Ende dieses Buches werden wir sehen, wie Einstein zu so einer fantastischen Vorstellung unseres Universums gezwungen war, und wie sich mit vielen wissenschaftlichen Experimenten und technischen Anwendungen zeigen ließ, dass diese Vorstellung richtig ist. Die Satellitennavigation in Ihrem Auto zum Beispiel muss den Umstand berücksichtigen, dass die Zeit für die Satelliten in der Erdumlaufbahn mit einer anderen Geschwindigkeit vergeht als am Boden. Einsteins Vorstellung ist radikal: Raum und Zeit sind nicht das, was sie zu sein scheinen.

Aber wir überholen uns selbst. Um Einsteins Entdeckung zu verstehen und wertzuschätzen, müssen wir zunächst sehr sorgfältig über die beiden Konzepte nachdenken, die den Kern der Relativitätstheorie ausmachen: Raum und Zeit.

Stellen Sie sich vor, dass Sie dieses Buch während eines Flugs lesen. Um 12 Uhr schauen Sie auf ihre Uhr, legen das Buch beiseite, verlassen Ihren Platz und laufen den Gang entlang, um mit Ihrem Freund zu reden, der zehn Reihen vor Ihnen sitzt. Um 12:15 Uhr kehren Sie an Ihren Platz zurück, setzen sich und greifen wieder zum Buch. Der gesunde Menschenverstand besagt, dass Sie wieder zum selben Ort zurückgekehrt sind. Sie mussten dieselben zehn Reihen zurückgehen, um Ihren Platz zu erreichen, und als Sie zurückkehrten, war Ihr Buch da, wo Sie es zurückgelassen hatten. Aber denken Sie mal etwas ausführlicher über die Formulierung »derselbe Ort« nach. Das mag etwas pedantisch wirken, weil es unmittelbar offensichtlich ist, was wir meinen, wenn wir einen Ort beschreiben. Wir können einen Freund anrufen und uns mit ihm auf einen Drink in einer Bar verabreden, und die Bar wird sich nicht bewegt haben, wenn wir beide ankommen. Sie wird am selben Ort sein, wo wir sie verlassen hatten – womöglich in der vergangenen Nacht. Viele Dinge in diesem Kapitel werden ziemlich pedantisch erscheinen, doch bleiben Sie dran! Das sorgfältige Nachdenken über diese scheinbar offensichtlichen Vorstellungen führt uns in die Fußstapfen von Aristoteles, Galileo Galilei, Isaac Newton und Albert Einstein. Wie könnten wir also präzise definieren, was wir mit »demselben Ort« meinen? Wie wir das auf der Erdoberfläche tun müssen, wissen wir bereits. Eine Kugel hat ein Koordinatensystem auf ihrer Oberfläche, Längen- und Breitengrade. Jeder Ort auf der Erdoberfläche lässt sich mit zwei Zahlen beschreiben, die für die Position in diesem Koordinatensystem stehen. Zum Beispiel liegt Manchester in Großbritannien bei 53 Grad 30 Minuten Nord und 2 Grad 15 Minuten West. Diese beiden Zahlen sagen uns genau, wo wir Manchester finden können, vorausgesetzt, dass wir uns über den Ort des Äquators und des Nullmeridians (des Meridians von Greenwich) einig sind. Analog dazu gibt es eine Möglichkeit, den Ort eines beliebigen Punktes festzulegen – egal ob er auf der Erdoberfläche liegt oder nicht: die Vorstellung eines imaginären dreidimensionalen Koordinatensystems, das über die Erdoberfläche hinaus in die Luft reicht. Tatsächlich könnte das Koordinatensystem auch nach unten durch den Erdmittelpunkt bis auf die andere Seite weitergehen. Dann könnten wir beschreiben, wo sich alles auf der Welt relativ zum Ursprung dieses Koordinatensystems befindet – egal ob in der Luft, auf der Oberfläche oder unter der Erde. Tatsächlich müsste dies nicht bei unserer Welt enden. Das Koordinatensystem könnte weiterreichen – zum Mond, zum Jupiter, zu Neptun und Pluto, selbst über das Milchstraßensystem hinaus bis in die tiefsten Tiefen des Universums. Mit unserem riesigen, womöglich unendlich großen Koordinatensystem könnten wir herausfinden, wo alles ist, oder um ein...

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