Basta mit Pasta?
In Deutschland sind 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen übergewichtig bzw. fettleibig. Entscheidend ist dabei nicht das absolute Gewicht auf der Waage, sondern der Grad der Verfettung des Körpers, denn damit steigt auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs, Alzheimer und andere Zivilisationskrankheiten. Dass die Gesellschaft weltweit fetter und kränker wird, verwundert nicht. Wir haben uns schließlich den Traum des Schlaraffenlands erfüllt, in dem Lebensmittel mit hoher Energiedichte sehr günstig und überall erhältlich sind. Hinzu kommt, dass die Essensbeschaffung kaum körperlichen Aufwand erfordert. Es reicht ein Mausklick oder ein Telefonanruf beim Pizzaservice und schon bekommen wir unser Essen bis vor die Haustür geliefert. Neben der falschen Auswahl beim Essen und dem Bewegungsmangel sind auch andere Lebensstilfaktoren wie Stress, Schlafmangel, Gene, Rauchen und eine geringe Muskelmasse schuld an dieser besorgniserregenden Entwicklung.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bemüht sich schon seit Jahrzehnten, mit ihren Ernährungsempfehlungen die Bevölkerung vor Zivilisationskrankheiten zu schützen. Dabei hält ihre vorbeugende Zauberformel dazu an, weniger Fett und mehr Kohlenhydrate zu essen. Diese Zusammensetzung mag vielleicht für Menschen, die intensiv Sport treiben, sinnvoll sein. Aber kann auch der gestresste Couchpotato von der Ernährung eines Leistungssportlers profitieren? Wohl kaum.
Viele Kohlenhydrate können ein Gesundheitsproblem werden
Genau genommen empfiehlt die DGE, täglich mindestens 50 Prozent der Gesamtenergie in Form von Kohlenhydraten aufzunehmen, was auch den überholten Empfehlungen der traditionellen mediterranen Ernährung entspricht.1 Da unser Kohlenhydratbedarf über Nahrungsmittel bei null Gramm liegt, ist es verwunderlich, dass wir ausgerechnet von dem Nährstoff, den wir am wenigsten brauchen, am meisten essen sollen.
Zwar arbeitet unser Gehirn bevorzugt mit Glukose und auch die roten Blutkörperchen und die Zellen des Nierenmarks sind auf den Traubenzucker als Energiequelle angewiesen. Deswegen müssen wir aber nicht 50 Prozent unseres Energiebedarfs mit Kohlenhydraten decken. Die benötigte Menge kann der Körper selbst herstellen, und zwar aus Eiweiß. Aus diesem Grund sind auch Kohlenhydrate aus Lebensmitteln auch nicht lebensnotwendig.
Aber zurück zu den Empfehlungen der DGE: Ein erwachsener Mann im Alter von 40 Jahren, der bei einer Größe von 1,80 Meter 90 Kilo auf die Waage bringt, im Büro arbeitet und sich in der Freizeit kaum sportlich betätigt, dürfte laut DGE 2400 Kilokalorien pro Tag essen. Davon 1200 Kilokalorien in Form von Kohlenhydraten, das sind fast 300 g pro Tag. Ein Schreibtischtäter, der weniger gesundheitsbewusst lebt und nur selten den Kochlöffel schwingt, kommt schnell auf 300 g Kohlenhydrate, wie das folgende Beispiel zeigt:
Beispiel für 300 g Kohlenhydrate am Tag
Frühstück:
2 belegte Brötchen vom Bäcker
Mittagessen:
Kantine – 300 g Spaghetti (gekocht) mit Tomatensoße plus Pudding als Dessert, dazu 1 Flasche (330 ml) Cola
Abends:
3 Scheiben Brot mit Wurst und Käse
Später: ½ Tüte Chips, Salzstangen oder andere Knabbereien
Was macht der Körper mit Pasta & Co.?
Die verzehrten Kohlenhydrate wandern vom Mund in den Magen und dann weiter in den Darm. Dabei werden sie immer weiter zerkleinert, bis am Ende Glukose, also Traubenzucker, übrig bleibt. In dieser Form wandert der viele Zucker ins Blut. Dort darf er aber nicht bleiben, also versucht der Körper, ihn wegzuschaffen. Dafür braucht er Hilfe, die in Form von Insulin herbeigeeilt kommt. Dieses Hormon hat die Aufgabe, den Zucker im Blut in verschiedene Körperzellen zu schleusen, wo er zum Beispiel zur Energiegewinnung verwendet oder aber gespeichert wird.
Die Muskulatur ist der bevorzugte Zielort. Sie hat Platz für 300 g Kohlenhydrate, die in Form von Glykogen gespeichert werden. Menschen, die jeden Tag körperlich aktiv sind und Sport treiben, können ohne Probleme 300 g Kohlenhydrate im Muskel speichern. Mit der nächsten Sporteinheit wird ein Teil davon wieder verbrannt und Platz für neue Kohlenhydrate geschaffen – und das, ohne den Stoffwechsel zu belasten. Was aber, wenn Sie Ihre Muskelspeicher füllen, aber nicht täglich leeren? Wo wandert dann die Pasta hin? Damit der Muskel nicht unter Stress gerät, wird er einfach insulinresistent. Das heißt, er hört nicht mehr auf das Insulinsignal und hält seine Türen verschlossen. Die Pasta muss sich jetzt eine andere Bleibe suchen. Das Insulin klopft nun im Fettgewebe an. Die überschüssigen Kohlenhydrate finden dort eine neue Unterkunft, wo sie als Fett gespeichert werden. Gleichzeitig wird durch das Insulin die Fettverbrennung gestoppt. Wer weiterhin faul auf der Couch liegt und täglich Pastaberge verschlingt, wird seine Fettzellen mit Spaghetti und Co. überfluten. Diese werden daraufhin immer größer und stressanfälliger. Mit zunehmendem Volumen nehmen sie das Insulinsignal immer weniger wahr. Der Körper steuert gegen, indem er immer mehr Insulin zur Verfügung stellt, um das Signal an der Fettzelle zu verstärken. Doch irgendwann ist auch die Fettzelle an ihrem Limit angekommen. Sie wird krank und verliert ihre Fähigkeit, noch mehr Pasta aufzunehmen und in Fett umzuwandeln. Sie wird insulinresistent und verschließt ihre Türen. Die Pasta muss jetzt wieder auf die Suche nach einer neuen Unterkunft gehen. Da der permanente Nudelnachschub den Insulinspiegel immer höher treibt und dies wiederum in der Leber Gene aktiviert, die die Fettbildung aus Kohlenhydraten fördern, werden Spaghetti & Co. in der Leber aufgenommen und in Fett umgewandelt. Die Leber verfettet und der Stoffwechsel entgleist völlig, woraufhin Blutfette, Blutdruck und Blutzucker ansteigen. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Der Weg für einen Diabetes ist geebnet. Unter solchen Bedingungen sollten Sie den Pastagenuss lieber einschränken.
Lebensstilfaktoren und Insulinresistenz
Insulinresistenz, die auch als Kohlenhydratunverträglichkeit bezeichnet werden kann, beginnt, wie bereits geschildert, in der Muskulatur und breitet sich bei anhaltendem Bewegungsmangel auf andere Zellen aus. Bei Menschen mit Insulinresistenz verursachen alle leicht verdaulichen Kohlenhydrate Probleme im Stoffwechsel. Je mehr davon gegessen wird, desto heftiger sind die gesundheitlichen Probleme. Bei massiv Insulinresistenten findet man nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit Insulinspiegel, die bis zu 15-mal höher sind als der eines schlanken Sportlers. Dennoch speichern sie nach dem Essen weniger Kohlenhydrate im Muskel. Hohe Insulinspiegel begünstigen stattdessen die Fettbildung aus Kohlenhydraten in Leber- und Fettgewebe. Das Risiko, dick und krank zu werden, steigt. Neben körperlicher Faulheit gibt es noch andere Lebensstilfaktoren, die eine Insulinresistenz fördern. Je mehr dieser Faktoren, die in den weiteren Abschnitten näher erläutert werden, zusammenkommen, desto konsequenter sollten Sie den Kohlenhydratverzehr einschränken, um Ihren Stoffwechsel zu entlasten.
Die wichtigsten sechs Lebensstilfaktoren sind im Überblick:
1. Bewegungsmangel
2. Übergewicht und dicker Bauch
3. Stress
4. Schlaf
5. Rauchen
6. Alter
1. Ein Tag Bewegung verbessert sofort die Insulinwirkung
Bewegung ist ein wichtiger Baustein zur Vorbeugung von Übergewicht und Zivilisationskrankheiten. Als Richtwert empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), 10 000 Schritte pro Tag zu gehen. Das entspricht einer Strecke von fünf bis sechs Kilometern. Im Vergleich: Ein Berufstätiger, der sich morgens ins Auto setzt, zur Arbeit fährt, dort acht Stunden am Schreibtisch sitzt, abends wieder nach Hause fährt und dann auf dem Sofa liegt, schafft es vielleicht auf 1500 Schritte. Wer etwas aktiver ist, kommt schon mal auf 4000 Schritte. In einer spannenden Studie aus England wurden schlanke und übergewichtige fitte Probanden angehalten, ihre körperliche Aktivität sieben Tage lang auf 4000 Schritte zu reduzieren. Die Wissenschaftler wollten überprüfen, wie sich verminderte körperliche Aktivität auf den Kohlenhydratstoffwechsel auswirkt. Nicht nur die fitten Übergewichtigen, sondern auch die fitten Schlanken hatten bereits nach einer Woche höhere Blutzucker- und Insulinspiegel, was auf eine verminderte Kohlenhydratverträglichkeit hindeutet. In einer anderen Studie, an der ebenfalls Schlanke und Übergewichtige teilnahmen, bewirkte bereits ein sitzend verbrachter Tag ohne Anpassung der Kalorienzufuhr an den Energieverbrauch eine verminderte Insulinwirkung von 39 Prozent. Bei ausgeglichener Energiebilanz war die Insulinwirkung immer noch um 18 Prozent vermindert. Langfristig kann Bewegungsmangel also...