SELBSTVERSORGUNG BRAUCHT (AUCH) GUTE BÜCHER
Dieses Buch ist ein Geschenk für alle, die gerne kochen und für die Gemüse, Obst und Kräuter dabei die Hauptrollen spielen. Für alle, die gerne Vorräte anlegen und diesen Reichtum, der im Alltag so viel Unabhängigkeit schafft, zu schätzen wissen. Für alle, die das Vorrathalten nicht in ihrer Familie aus einer Alltagspraxis gelernt haben. Für alle, die sich dieses Wissen nun nach und nach aneignen. All jene sind mit diesem umfassenden Werk allerbestens aufgehoben. Rosemarie Zehetgruber ist von Kindesbeinen an mit diesen Themen vertraut und verbindet im Alltag Erprobtes mit ihrer umfassenden ernährungswissenschaftlichen Kompetenz und Beratungserfahrung, bietet weder überflüssige Informationen noch oberflächliches Do-it-Yourself-Wohlfühl-Feeling, sondern hand- und bissfestes Basiswissen für alle Lebenslagen.
DIE RESSOURCEN DER SELBSTVERSORGUNG
Vorräte anlegen, Vorrat halten ist ein Thema, das aufs Erste anachronistisch wirkt. Gehen Mann und Frau durch die scheint’s allzeit üppig gefüllten Supermärkte, stellt sich die Frage, wer sich denn die mühevolle und zeitintensive Arbeit des Einlegens, des Trocknens und all der anderen vielen Handgriffe des Haltbarmachens und des Vorrathaltens antuen will. „Wozu das Ganze?“, könnte man fragen. Vorräte einkochen ist viel Arbeit. Aus dieser Perspektive verwundert es auch nicht, dass im Laufe der „Wirtschaftswunderjahre“ viele das Selbsteingekochte nur allzu gerne gegen Fertigwaren aus dem Supermarkt eingetauscht haben. Wer einmal eine halbe Nacht lang hindurch Tomatensugo eingekocht hat, nachdem er oder sie die Kinder ins Bett gebracht hat und am nächsten Tag dann frühmorgens zu verschiedenen Besprechungsterminen musste, kann diese historische Entwicklung gut nachvollziehen und die Großmütter und Mütter, die sich damit nicht mehr die Hände und die Küchen schmutzig machen wollten, irgendwie auch gut verstehen. Doch für viele eingefleischte Selbstversorgerinnen und Selbstversorger hat das Vorräteanlegen Qualitäten, die dem Vergleichsblick auf die vollen Supermarktregale geradezu überflüssig erscheinen lassen. Wer einmal dem Unterschied zwischen mit Aroma- und Farbstoffen versetzter industrieller Massenware und schonend und ohne viele Zusatzstoffe eingekochten Fruchtaufstrichen, Pestos oder frisch geerntetem Chicoréesalat verfallen ist, ist auch bereit, entweder selbst einigen Aufwand zu betreiben oder lokale Netzwerke der Selbstversorgung aufzubauen (→ Selbstversorgung ohne Garten und Gartenzeit). Und sicher: Die Welt, in der das Vorräteanlegen auch misslingen darf – weil es ebenso das warenförmige Angebot der Lebensmittelversorgung gibt – bietet außerdem Freiräume.
Convenience aus eigener Erzeugung
Nämlich jene des Experimentierens, der langsamen Aneignung der verschiedenen Techniken und der dafür nötigen Ausstattung und des Aufbaus von Beziehungsnetzwerken, die dafür notwendig sind. Dass Selbstversorgung mit Lebensmitteln mit einem „Aussteigen“ aus der Gesellschaft verbunden wäre, ist nämlich ein – weitverbreiteter – Mythos. Selbstversorgung braucht Wissensnetzwerke, braucht Menschen, die sich dabei gegenseitig unterstützen, braucht Städte, Dörfer und Landschaften, in der Gärten und Äcker ebenso Platz haben wie Abstellplätze für Autos oder Straßen. Braucht Arbeitsverhältnisse, die davon ausgehen, dass der Mensch nicht nur für die Lohnarbeit auf die Welt gekommen ist, braucht eine Arbeitsteilung, die der Produktion von Lebensmitteln Wertschätzung und entsprechenden monetären Wert entgegenbringt. Selbstversorgung heißt auch Selbstverortung, heißt, den Raum um sich nutzen zu können, sei es, um einen Nutzgarten anzulegen und zu bewirtschaften oder neue Netzwerke der Lebensmittelversorgung aufzubauen und zu pflegen.
SELBSTVERSORGUNG AUS DEM GARTEN
Im gemäßigten Klima Mitteleuropas geben die Jahreszeiten das Vorrathalten vor. Wir können nicht ganzjährig alles ernten, Garten und Acker sind Teil der Natur, und hier darf auch Winterruhe einkehren. Wer sich aus dem eigenen Garten das ganze Jahr – und nicht nur im Spätfrühling bis Frühherbst – hindurch mit Gemüse, Obst und Kräutern selbstversorgen will, muss sich für das Konservieren, das Einlagern und die Pflege der Lagervorräte auch Zeit nehmen (können). Beim Gemüse ist der Aufwand dafür in etwa gleich groß wie der Aufwand für den Anbau selbst. Tomaten und anderes Fruchtgemüse müssen eingekocht oder getrocknet werden, Wurzel- und Knollengemüse brauchen Lagerräumlichkeiten – die häufig neu geschaffen werden müssen. Obst hat gegenüber den allermeisten Gemüsearten den großen Vorteil, dass die Pflanzen mehrjährig sind:
Wer einmal einen Obstgarten angelegt hat, kann sie ab dem Zeitpunkt, ab dem die Pflanzen das erste Mal Früchte tragen, über viele Jahre hindurch beernten. Zwar sind auch in einem Obstgarten, der bereits in den Ertrag gekommen ist, noch Pflege- und Erntearbeiten notwendig, doch entfällt das jährliche Aussäen oder Anpflanzen und die dafür notwendigen Tätigkeiten der Bodenvorbereitung und des Pflanzenvorziehens oder -besorgens. Und bei den Kräutern gibt es beides: Die Einjahreskräuter – wie Basilikum oder Majoran –, die jährlich neu ausgesät werden. Und die Mehrjahreskräuter – wie die mediterranen Halb- und Zwergsträucher Rosmarin oder Thymian –, die mehrjährig beerntet werden können.
Erfahrene Selbstversorgerinnen und Selbstversorger bauen im Gemüsegarten viele Kulturarten an, die sich als Winter- und Lagergemüse gut eignen. So sind Winterlauch, Haferwurzel, Pastinaken oder Zuckerwurzel frostfest und können auch über den Winter direkt aus den Beeten geerntet werden. Bei anderen Kulturen ist es eine Sortenfrage: Bei Karotten kann zum Beispiel die gelbe Sorte ‚Lobbericher‘ auch direkt im Beet ohne Schutz überwintern. Alle anderen Sorten werden mit einem dicken, zweilagigen Vlies abgedeckt und dann direkt beerntet. Das empfiehlt sich auch bei den frosttauglichen Gemüsen, damit sie auch an Tagen, an denen der Boden gefroren ist, beerntet werden können. Doch, um die Selbstversorgung aus dem Garten auch praktikabel und alltagstauglich zu halten, ist es empfehlenswert, den Bedarf für ein oder zwei Wochen zu ernten und in Küchennähe in Kisten einzuschlagen. In Regionen, in denen im Winter mit größeren Schneemengen zu rechnen ist, ist ein eigenes Winterlager hingegen unverzichtbar (→ Seite 34).
Wintergemüse direkt aus dem Garten | Pastinake, Haferwurzel, Zuckerwurzel, Schwarzwurzel, Winterlauch, Wurzelpetersilie, Grünkohl, Sprossenkohl |
Wintergemüse aus dem (ungeheizten) Gewächshaus | Asia-Salate, Winter-Spinat, Vogerlsalat |
Wintergemüse aus dem Lager | Karotte, Knollensellerie, Winterkohlrabi, Kohlrübe, Herbstrübe, Lagerkraut, Winterkürbis |
Wintergemüse
Die frischgemüseärmste Zeit ist meist der ausgehende Winter bis zum Frühjahr. Dann sind die Lagervorräte oft schon aufgebraucht, und die neue Ernte ist noch nicht da. Für diese Zeit ist das konservierte Obst und Gemüse besonders wichtig. Je nach Temperaturverlauf und Niederschlagsmengen beginnt dann ab April oder Mai wieder die Zeit, in der man aus dem Garten schon wieder mehr frisches Gemüse ernten kann. Das erste erntereife Fruchtgemüse ist meistens Zucchini, die Pflanzen tragen bereits fünf Wochen nach dem Auspflanzen die ersten Früchte. Mit den ersten Tomaten und Gurken ist ab Mitte Juli zu rechnen. Kleinfrüchtige und frühreife Paprika tragen meist ab Ende Juli die ersten Früchte, Melanzani erst ab August.
Der mengenmäßige Ertrag ist bei weitem nicht das einzig wichtige Kriterium für einen Selbstversorger-Gemüsegarten. Auch können die Erträge der einzelnen Arten von Jahr zu Jahr stark schwanken – meist infolge der Witterung. So erntete ich von je drei Zucchinipflanzen über zehn Jahre immer viel mehr Zucchini, als wir essen konnten. Auch heuer hatten die Pflanzen ausreichend Platz und waren gut mit Kompost versorgt. Doch die Trockenheit und die Knappheit an Gießwasser ließ die Pflanzen einfach immer wieder Durst leiden und so war auch der Fruchtansatz entsprechend mager. In Jahren mit trockenen, heißen Sommern hat üblicherweise das Fruchtgemüse ertragsmäßig die Nase vorn. Vorausgesetzt man hat genug Wasser zur Verfügung, um die durstigen Pflanzen zu gießen, kann man dann mit hohen Erträgen bei Zucchini, Bohnen, Tomaten oder Paprika rechnen. In Jahren mit kühlen und regenreichen Sommern leidet das Fruchtgemüse – mit Ausnahme von Zucchini und den weniger wärmebedürftigen...