3 Das Employability Management Konzept
Beschäftigungsfähigkeit fördern und erhalten
Employability meint im Deutschen Beschäftigungsfähigkeit oder auch „Arbeitsmarktfitness“28. Bei der Entwicklung des Employability Management Konzepts gegen Ende des 20. Jahrhunderts stand zunächst die Beschäftigungsfähigkeit Arbeitsloser im Fokus. Später wurde diese enge Fokussierung zugunsten einer erweiterten Perspektive auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgegeben. Der Grundgedanke ist die Annahme, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien aufgrund eines möglichst breiten, marktfähigen Qualifikationsspektrums sowie ihrer Fähigkeit zu Selbstorganisation und selbstbestimmtem Lernen in der Lage, sich relativ frei auf dem Arbeitsmarkt zu bewegen und damit insgesamt nicht mehr so abhängig von der Sicherheit, die bisher mit einer Standardkarriere einhergeht. Beschäftigungsfähigkeit beschreibt also die Fähigkeit einer Person, auf der Grundlage ihrer Kompetenzen und ihrer Leistungsfähigkeit die eigene Arbeitskraft anzubieten und damit ins Erwerbsleben eintreten zu können. Ferner gehört dazu die Fähigkeit, die Arbeitsstelle zu halten oder gegebenenfalls eine neue Erwerbsbeschäftigung zu suchen29.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Unternehmer in eigener Sache
Aufgrund der eigenen Produktivität und Wertschöpfungsfähigkeit können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einem oder bei wechselnden Arbeitgebern und gegebenenfalls auch freiberuflich oder selbstständig eine neue Erwerbsbeschäftigung finden. Die berufliche Sicherheit entsteht nicht mehr durch ein festes Arbeitsverhältnis bei einem bestimmten Unternehmen, sondern durch die Fähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, genau jene Qualifikation vorweisen oder erwerben zu können, die auf dem internen und externen Arbeitsmarkt aktuell nachgefragt wird. Voraussetzung hierfür sind allerdings ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität. Der Einzelne wird so zum Unternehmer in eigener Sache. Jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin hat in diesem Konzept die Chance zur Vermarktung der eigenen Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt30.
Im Falle eines Scheiterns sind jedoch die Konsequenzen zu tragen. Hier stehen die Unternehmen in der Verantwortung, mit einer individualisierten Weiterbildung zur Seite zu stehen.
Folgen für die betriebliche Bildungsarbeit
Betriebliche Bildungspolitik - wird sie vor dem Hintergrund des Employability Managements praktiziert - ist gefordert, die Interessen der Beschäftigten ebenso im Auge zu behalten wie die Interessen des Unternehmens. Das Employability Konzept sieht also einerseits beispielsweise erforderliche Qualifikationsanpassungen bei älteren Beschäftigten vor, andererseits beinhaltet es auch vorausschauendes Lernen und kompetenzbasierte Qualifizierung, die bereits bei den jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ansetzt und dann das gesamte Erwerbsleben durchzieht.
Employability Management kann auf drei Ebenen im Unternehmen ansetzen:
- Auf einer normativen Ebene mit Blick auf Leitlinien und Unternehmensziele,
- auf der strategischen Ebene, die diese Ziele konkretisiert und
- auf einer operativen Ebene, die konkrete Maßnahmen entwickelt und einsetzt.
Hieraus können die entsprechenden Handlungsfelder des Employability Managements abgeleitet werden. Der normativen Ebene lässt sich die Unternehmenspolitik zuordnen, auf strategischer Ebene kann im Rahmen der Organisation, Führung, Personalentwicklung, Karrieregestaltung, aber auch in den Bereichen Vergütung, Controlling und Gesundheitsmanagement agiert werden31.
3.1 Die Unternehmensperspektive
Employability Management als reines Führungsprinzip der Unternehmensleitung zu verstehen, greift zu kurz. Im Grundsatz handelt es sich um eine veränderte Gestaltung des gesamten Erwerbsprozesses zwischen dem Unternehmen und den jeweiligen Beschäftigten. Das Unternehmen ist auf allen Ebenen betroffen.
Die Entscheidung für eine Personal- und Bildungspolitik, die sich im Rahmen des Employability Managements engagiert, kann nur auf einem Strukturwandel des Unternehmens basieren. Das heißt, die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann nur dann für das Unternehmen nutzbar gemacht werden, wenn dieses auch die nötigen Rahmenbedingungen für die Beschäftigten schafft, deren Employability fördert und eine entsprechende Entfaltung ermöglicht.
So erhält betriebliche Personalpolitik im Hinblick auf den Erhalt der Wertschöpfungs- und Innovationsfähigkeit des Unternehmens eine zentrale Funktion. Anstehende Veränderungen sind in einem lernenden Unternehmen von Beschäftigten und Führung gemeinsam ökonomisch und human zu gestalten32. Der Nutzen für das Unternehmen liegt vor allem in den gesteigerten Möglichkeiten durch die Flexibilisierung des Personaleinsatzes.
Bei höherer Beschäftigungsfähigkeit verkürzen sich die jeweiligen Einarbeitungszeiten, der Personaleinsatz kann gezielter stattfinden, und es können dabei Kosten gespart werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können bei Personalanpassungsprozessen leichter in anderen Unternehmensbereichen eingesetzt werden. Auch sind eine verbesserte Kundenorientierung sowie eine gesteigerte Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber zu erwarten.
Führungskräfte in der Verantwortung
Von der Unternehmensführung sollten also entsprechende Freiräume geschaffen werden, um eigenverantwortliches Mitarbeiterhandeln zu ermöglichen. Die bisherigen Strukturen von Macht und Hierarchie stehen dem oftmals entgegen und bedürfen der Veränderung in Richtung eines offeneren Managementverständnisses. Für die Führungskräfte im Unternehmen kann dies mit Veränderungen in der Hierarchie und entsprechenden Veränderungen im Machtgefüge sowie mit Machtverlusten verbunden sein.
Sie sehen sich mit der komplexen Anforderung konfrontiert, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Entwicklungsperspektiven zu bieten und sie unter immensem Kostenaufwand zu qualifizieren33.
Gelingt es dem Unternehmen nicht, Employability als integriertes Führungskonzept durchzusetzen, Engagement und Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichermaßen zu erreichen und eine Gleichwertigkeit zwischen ihnen und dem Unternehmen herzustellen, droht die Gefahr der Abwanderung gerade erfolgreich qualifizierter Beschäftigter. In der zunehmenden Beschäftigungsfähigkeit und Individualisierung liegt auch eine Gefahr für die Unternehmen. Die Identifikation mit dem Unternehmen und das Bindungsverhalten verringern sich zunehmend, und Beschäftigte bevorzugen die Unternehmen, die ihre Ansprüche auf Weiterbildung und individuelle Entwicklung am ehesten zufriedenstellen34.
Praxistipps und Anregungsfragen
- Werden Sie sich bewusst, dass das Employability Konzept nur gelingen kann, wenn für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösungen gefunden werden können.
- Binden Sie Ihre Führungskräfte in die Entwicklung eines Employability Konzeptes ein.
- Überprüfen Sie Ihre Leitlinien und Unternehmensziele im Hinblick auf das Employability Konzept.
- Überlegen Sie, wo Sie Veränderungen vornehmen können.
- Formulieren Sie entsprechende Ziele und konkrete Maßnahmen.
3.2 Die Perspektive der Beschäftigten
Unternehmerinnen und Unternehmer in eigener Sache
Der Einzelne ist gefordert, die Ansprüche von Unternehmensseite mit den eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten in Einklang zu bringen. Er sieht sich mit den jeweiligen aktuellen Arbeitsanforderungen des Arbeitgebers konfrontiert. Gleichzeitig erfordert die veränderte Arbeitswelt die Schaffung eines neuen identitätsstiftenden Konzeptes im Sinne einer Lebensphilosophie, in der nicht mehr nur die Arbeit an sich als sinnstiftend empfunden wird, sondern Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine zusätzliche, übergeordnete Kompetenz entwickeln, die es ihnen ermöglicht, sich selbst und ihre Kompetenzen erfolgreich zu vermarkten und am Ende auf dem Arbeitsmarkt produktiv einzusetzen. Der Einzelne wird zum „Arbeitskraftunternehmer“35, der als Unternehmer in eigener Sache das eigene Arbeitsvermögen im Sinne eines Freiberuflers vermarktet. Dies erfordert eine immense Flexibilität, die Bereitschaft zu permanenter Weiterentwicklung der fachlichen Fähigkeiten und eine aktive Selbststeuerung und Selbstüberwachung. Folgende Darstellung zeigt die für den Erwerb von Beschäftigungsfähigkeit erforderlichen fachlichen und überfachlichen Kompetenzen.
Abb. 2: Kompetenzen der Employability (Rump/Völker 2007, S. 11)
Employability meint mehr, als nur die fachlichen Qualifikationen aktuell zu halten. Der Einzelne ist gefordert, eigene soziale Netze zu schaffen. In diesem Zusammenhang gewinnen Führungs-, Sozial- und...