38S. 2 des Abs. 6 konkretisiert klarstellend den Wildtiermanagement-Gedanken und nimmt die Inhaberinnen und Inhaber des Jagdrechts und jagdausübungsberechtigten Personen besonders für die dem Schutzmanagement unterliegenden Wildtierarten in die Verantwortung. Die darin genannten Beiträge dieser Gruppen zum Schutz der Wildtierarten durch Hegemaßnahmen, durch Unterstützung des Wildtiermonitorings und des Berichtswesens und durch ihre Mitwirkung an der Erstellung und Umsetzung von Fachkonzepten heben die Bedeutung des jagdlichen Engagements für die öffentliche Aufgabe des Wildtiermanagements hervor, wie es in § 5 Abs. 1 S. 3 beschrieben ist. Mit der Zuweisung von Obhut und Verantwortung durch die Aufnahme von Wildtierarten in das Schutzmanagement verknüpft der Gesetzgeber hier geschickt das Eigentumsrecht Jagd mit besonderen Verpflichtungen für ein Wildtiermanagement.
Absatz 7
39Abs. 7 beinhaltet eine Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers: Die Ausübung der Jagd auf dem Nutzungsmanagement oder dem Entwicklungsmanagement unterliegenden Wildtierarten ist zulässig.
40Bei dem Nutzungsmanagement unterliegenden Wildtierarten wird die untere Jagdbehörde die Jagdausübung nur in sehr seltenen Ausnahmefällen gemäß § 36 Abs. 2 S. 1 verbieten oder beschränken können.
41Bei dem Entwicklungsmanagement unterliegenden Arten können sich eher Bedürfnisse für Beschränkungen oder teilweise oder gar vollständige Verbote der Jagdausübung gemäß § 36 Abs. 2 S. 1 durch die untere Jagdbehörde ergeben. Die Kriterien für eine Einstufung einer Wildtierart in das Entwicklungsmanagement nach Abs. 5 belegen die Notwendigkeit einer genaueren Betrachtung der Entwicklung dieser Wildtierarten. Folgerichtig kann der Wildtierbericht (§ 44) für Arten des Entwicklungsmanagements auf ein Erfordernis der Beschränkung oder eines teilweisen oder vollständigen Verbots der Jagdausübung durch die untere Jagdbehörde hinweisen. Die untere Jagdbehörde hat dann entsprechende geeignete Maßnahmen zu treffen. Der Wildtierbericht wird damit zu einer die unteren Jagdbehörden verpflichtenden Handlungsanweisung. Da die dann durch die unteren Jagdbehörden zu treffenden geeigneten Maßnahmen in das als Eigentumsrecht grundrechtlich geschützte Jagdrecht und Jagdausübungsrecht eingreifen, wird die oberste Jagdbehörde bei der Verabschiedung des Wildtierberichts den Vorrang des Gesetzes und der DVO genau zu beachten haben. Über im Wildtierbericht versteckte Erfordernisse der Beschränkungen oder der teilweisen oder gar vollständigen Verbote der Jagdausübung für dem Entwicklungsmanagement unterstellte Wildtierarten dürfen keine ungerechtfertigten, in das Jagdrecht und das Jagdausübungsrecht eingreifenden Regulierungen vorgenommen werden, die wegen ihrer Grundrechtsrelevanz in Form eines materiellen Gesetzes, entweder durch den Landtag oder durch das Ministerium als Verordnungsgeber, vorgenommen werden müssen.
42Nach S. 2 darf für dem Schutzmanagement unterstellte Wildtierarten keine Jagdzeit bestimmt werden. Entgegen der Gesetzesbegründung schließt der Ausschluss einer Jagdzeit eine Jagdausübung im Sinne des § 3 Abs. 5 auf die genannten Wildtiere nicht in jedem Fall aus. Ein Abschuss von Wildtieren der dem Schutzmanagement unterliegenden Wildtierarten, wie z. B. des Kormorans, kann auf Basis naturschutzrechtlicher Regelungen bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen erfolgen. Ein nach diesen Voraussetzungen zulässiger Abschuss durch Jagdausübungsberechtigte und ihre Jagdgäste kann Jagdausübung im Sinne des § 3 Abs. 5 sein, da sich das Jagdrecht gemäß § 3 auch auf diese Wildtierarten erstreckt und S. 2 lediglich die Festsetzung einer Jagdzeit, nicht aber eine Jagdausübung insgesamt untersagt.
43Im Gegensatz zu den dem Nutzungs- oder Entwicklungsmanagement unterfallenden Wildtierarten ist bei dem Schutzmanagement unterfallenden Arten gem. S. 3 eine Steuerung des Wildtierbestandes im Einzelfall durch die untere Jagdbehörde gemäß § 36 nicht zulässig. Derartige Maßnahmen sind damit nach Naturschutzrecht zu beurteilen und durch die danach zuständigen Behörden über Ausnahmegenehmigungen zu entscheiden. Die Naturschutzbehörden werden allerdings bei ihren Entscheidungen auch das durch die Unterstellung der jeweiligen Wildtierart in das Schutzmanagement bestehende Jagdrecht und das Jagdausübungsrecht als einen wesentlichen Abwägungsgesichtspunkt zu berücksichtigen haben. Aus den gleichen Gründen erklärt S. 3 auch das jagdrechtliche Störungs- und Beunruhigungsverbot für unanwendbar und überweist die Verantwortung für Maßnahmen zur Verringerung von Störungen und Beunruhigungen von dem Schutzmanagement unterfallenden Wildtierarten den Naturschutzbehörden.
44Ein Beispiel für einen praktisch erforderlichen und rechtlich möglichen Abschuss von dem Schutzmanagement unterliegenden Wildtierarten nach den Regelungen des Abs. 7 i. V. m. dem BNatSchG ist der Kormoran. Zur Bejagung des Kormorans vergleiche RN 33.
Absatz 8
45Eine Sonderregelung entsprechend den Gedanken des Naturschutzrechts erfahren in Abs. 8 invasive Arten. Darunter versteht man gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG eine Art, deren Vorkommen außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets für die dort natürlich vorkommenden Ökosysteme, Biotope oder Arten ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellt. Solche Tierarten werden auch als Neozoen bezeichnet. Den Wildtiermanagement-Gedanken greift der Gesetzgeber hier auf, indem er die oberste Jagdbehörde jagdrechtlich in die Pflicht nimmt, ein Fachkonzept festzulegen, das alle Jagdbehörden bei ihren Entscheidungen und Maßnahmen beachten müssen. Zum Schutz der in § 7 Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG genannten Rechtsgüter können gemäß Abs. 2 Nr. 2 invasive Arten in das JWMG aufgenommen und sogar unabhängig von der Bestandssituation nach Abs. 4 Nr. 3 dem Nutzungsmanagement unterstellt werden. Eine Einstufung ist auch in das Entwicklungsmanagement oder gar in das Schutzmanagement möglich. Im letztgenannten Fall muss die Regulierung nach der Systematik des JWMG über Vorschriften des Naturschutzrechts erfolgen.
46Die in dem zu erstellenden Fachkonzept aufgeführten Maßnahmen dürften regelmäßig als Maßnahmen zur Steuerung des Wildtierbestandes im Einzelfall gemäß § 36 und/oder als besondere Regelung der Jagd- und Schonzeiten gemäß § 41 umzusetzen sein.
47Eine einzigartige Ausnahme ist das in Abs. 8 S. 3 gesetzlich bestimmte Hegeverbot. Die Hege leistet hier einen Beitrag zum Wildtiermanagement, indem sie für invasive Arten zu unterlassen ist. Dies widerspricht dem ansonsten durchgängig geltenden Grundgedanken des Bestehens einer Hegebefugnis nach § 3 Abs. 1 und sogar einer Hegeverpflichtung nach § 3 Abs. 2. Der Gesetzgeber begründet hier aus naturschutzrechtlichen Erwägungen einen Eingriff in das Jagdrecht. Durch die Beschränkung des Hegeverbots auf invasive Arten und durch die Bindung der Jagdbehörden an das Fachkonzept bei der Umsetzung von Maßnahmen im Einzelfall kann und darf das Hegeverbot nur in Ausnahmefällen bei guter fachlicher Begründung Anwendung finden.
Absatz 9
48An dieser Stelle regelt der Gesetzgeber die Entscheidungs- und Mitwirkungsbefugnisse der obersten Jagd- und der obersten Naturschutzbehörde in der zentralen Frage der Eingruppierung einer Wildtierart in das Nutzungs-, Entwicklungs- oder Schutzmanagement. Die Verteilung der Entscheidungskompetenzen war eine der umstrittensten Fragen im Gesetzgebungsverfahren. Die bislang üblichen Auseinandersetzungen bei Novellierungen des Jagdrechts in Deutschland und Österreich gingen dahin, durch Herausnahme von Wildtierarten eine Entscheidungskompetenz der Naturschutzverwaltung zu begründen oder diese durch Beibehaltung einer Wildtierart im Jagdrecht zu verhindern. Baden-Württemberg geht hier in der Konsequenz des Schalenmodells einen anderen Weg: Die oberste Jagdbehörde trifft gemäß Abs. 9 zwar die Entscheidungen nach Abs. 2 und 3, also über die Aufnahme wildlebender Tierarten in das JWMG und ihre Einordnung als Wildtiere in das Schalenmodell. Die oberste Naturschutzbehörde wird aber beim Erlass der Entscheidungen beteiligt: Die oberste Jagdbehörde hat sich mit ihr stets ins Benehmen zu setzen, also die oberste Naturschutzbehörde vor Erlass einer Entscheidung anzuhören. Eine übereinstimmende Entscheidung ist indes nicht erforderlich. Bei unterschiedlichen Auffassungen trifft die oberste Jagdbehörde nach der Anhörung der obersten Naturschutzbehörde die Entscheidung. Sobald aber Entscheidungen über Wildtiere zu treffen sind, die dem Schutzmanagement zugeordnet sind oder zuzuordnen wären, besteht das Erfordernis der Herstellung eines Einvernehmens zwischen der obersten Jagdbehörde und der obersten Naturschutzbehörde. Eine Entscheidung ist hier also nur in Übereinstimmung beider Behörden möglich. Federführend ist allerdings auch in diesem Fall die oberste Jagdbehörde.
49In S. 1 wird zudem die Beteiligung des Landesbeirats für Jagd- und Wildtiermanagement (§ 59) geregelt. Dessen Empfehlungen sind von der obersten Jagdbehörde bei ihren Entscheidungen zwingend zu berücksichtigen.
50Grundlage aller Entscheidungen ist der Wildtierbericht für Baden-Württemberg (§ 44), der von der obersten Jagdbehörde dem Landesbeirat für Jagd- und Wildtiermanagement...