2. Souverän und frei reden ist keine Zauberei
Entscheiden Sie sich für die Stichpunktrede
Wie die meisten Leute finde ich abgelesene Reden ermüdend und bisweilen langweilig. Daher bin ich ein Verfechter der freien Rede, vor allem der Stichpunktrede. Sie fesselt das Publikum und wirkt natürlich. Ganz anders hingegen die abgelesene Rede. In den seltensten Fällen wirkt sie souverän, und es gehört sehr viel Können dazu, eine abgelesene Rede so zu halten, dass sie natürlich wirkt. Also, dass das Publikum dabei bleibt und nicht abschaltet. Genauso verhält es sich mit wortwörtlich auswendig gelernten Reden. Hier kommt noch zusätzlich zum normalen Vortrags-Stress der Vergessen-Können-Stress dazu. Denn was machen Sie, wenn Ihnen ein wichtiges Wort nicht mehr einfallen will oder wenn Sie einen Blackout haben?
Bei einer Stichpunktrede entfällt dieser Stress, wenn Sie ein Stichwortskript, zum Beispiel auf Karteikarten, bei sich haben. Die Rede wirkt durch die freie Wahl Ihrer Worte natürlich und echt. Mit der „Geisselhart-Methode“ setzen Sie dem Ganzen noch ein Sahnehäubchen auf, denn Sie benötigen auch keine Karteikarten mehr.
Streng genommen speichern Sie sich also gleich schon Ihre zweite Rede ab. Denn Sie könnten ja über die Begriffe, die Sie gerade durch die Geschichte der eben gemachten Übung zur Fortschrittsmessung abgespeichert haben, schon eine Rede halten. Dies könnten doch schon Stichpunkte eines Vortrags oder einer Rede sein. Wir wollen aber nun eine echte, wenn auch kurze Rede abspeichern. Lassen Sie uns zusammen ein solides Fundament aufbauen und Sie werden langfristig mehr davon haben, als wenn wir in großen Schritten voraneilen würden. Das erste Thema ist:
Rede: Verbesserungsvorschläge für die Arbeitsplatzgestaltung
Stichpunkte genügen, wenn Sie im Thema fit sind
Sie haben sich dazu beispielsweise die unten stehenden Stichpunkte notiert, die Sie in Ihrem Vortrag dann mit entsprechenden Beispielen und Erklärungen untermauern wollen. Wenn Sie im Thema drin sind, reichen Ihnen ohnehin Stichworte. Sie werden später auch Techniken kennen lernen, mit denen Sie sich Unterpunkte, Beispiele und Details zu den einzelnen Stichpunkten merken können. So meistern Sie auch Themen, in denen Sie nicht so firm sind und Gefahr laufen, wichtige Punkte zu vergessen. Wenn Sie allerdings, wie in unserem Beispiel vorausgesetzt, voll im Thema sind, reichen Ihnen einfache Stichpunkte. Für den Anfang sollen sechs Punkte genügen. Hier also sind sie:
Schreibtisch ans Fenster
PC schräg dazu auf rollbarem Ständer
Ablagekörbe auf Rollwagen
Telefon links am Schreibtisch auf Teleskoparm
Geschlossener Schrank statt offenem Regal
Archiv in Nebenraum
Wir speichern diese Punkte mit der Ihnen nun schon etwas vertrauten Kettenmethode ab. Wir kreieren also ein nettes Filmchen, möglichst absurd und „merk-würdig“ eben.
Sehen Sie doch vor Ihrem geistigen Auge einmal ein Büro. Der Schreibtisch steht verschämt in einer dunklen Ecke. Er schielt dauernd Richtung Fenster. Er würde so gerne dort stehen. Aus Mitleid packen Sie an und schieben den Schreibtisch ans Fenster. Hier freut er sich. Auf einmal kommt ganz von selbst und freudestrahlend der PC auf einem rollbaren Ständer herangerollt. Oh-oh, das will den Ablagekörben aber so gar nicht gefallen. Sehen Sie, wie die Ablagekörbe auf Rollwagen neidisch angefahren kommen. Sie wollen halt auch dazugehören. Die Schublade des Rollwagens geht auf und heraus kommt, wer hätte das gedacht, das Telefon. Es klettert auf den Schreibtisch rauf und nun befestigt sich, völlig selbstständig, das Telefon links am Schreibtisch auf einem Teleskoparm. Das haut das stärkste Regal um! Geschwind wird es entsorgt und wir stellen einen geschlossenen Schrank statt offenem Regal auf. Wie von Geisterhand gehen bei dem Schrank die Türen auf und er saugt alles, was unnütz herumliegt, ein. Vieles davon allerdings spuckt er wieder aus. Und zwar ins neue Archiv im Nebenraum. Geschafft!
Ein sicheres Fundament für Ihre Redekunst
O.k., es waren nur sechs Punkte und die Geschichte ist arg umfangreich. Trotzdem werden Sie dieGeschichte leicht abgespeichert haben. Sicher könnten Sie die sechs Punkte auch einfach so auswendig lernen. Sie würden auch nicht mehr Zeit brauchen. Nur hätten Sie sie dann nicht ganz so gut und auch nicht so lange drauf. Außerdem beachten Sie bitte: Wir sind am Anfang. Wir gießen gerade unser Fundament. Je tiefer und besser das ist, die Baudamen und -herren unter Ihnen wissen das, desto größer kann das Gebäude gebaut werden. Und desto sicherer steht es. Und sicher wollen Sie doch auch stehen, oder? Vorne. Vorne auf der Bühne.
Also testen Sie, nachdem Sie wieder eine kleine Pause eingelegt haben, wie es mit den Punkten aussieht. Lassen Sie die Geschichte wie beim Einstiegstest vor Ihrem geistigen Auge wieder ablaufen. Begonnen haben wir mit:
Bleiben Sie locker
Wie lief es? Darf ich gratulieren? Falls nicht: locker bleiben! Das ist überhaupt ein Super-Motto beim Lernen. Nur wer locker, spielerisch und unverkrampft lernen kann, kann auch sein volles Potenzial ausschöpfen. Verbissenheit und Stress gehen immer zu Lasten der Ergebnisse. Auch wenn Sie mit diesen zufrieden sind: Sie könnten besser sein.
Übung macht den Meister. Und ein Lesebuch haben Sie nicht vor sich. Das wissen Sie. Deshalb auf zur nächsten Rede. Die hat es schon mehr in sich.
Rede: Die Vorteile der Memo-Rhetorik
Dies sind wieder Ihre Stichpunkte:
Vorbereitung macht Spaß
Erfolgserlebnisse motivieren
Zeitersparnis
Wortbilder kommen beim Publikum besser an
Wortbilder können sich die Zuhörer besser merken
Freies Reden steigert das Selbstwertgefühl
Stellen Sie sich nun bitte die folgende Geschichte vor:
Sehen Sie sich, wie Sie bei der Vorbereitung lachen (Vorbereitung macht Spaß). Weiter sehen Sie, wie Sie sich bei der Probe – vielleicht vor dem Spiegel –, nachdem Sie die Rede draufhaben, selbst auf die Schulter klopfen (Erfolgserlebnisse motivieren). Nach dem Schulterklopfen schauen Sie auf die Uhr und sehen, dass Sie sehr schnell waren (Zeitersparnis). Nach dem „Auf-die-Uhr-schauen“ treten Sie in Gedanken bereits vor Ihr Publikum und aus Ihrem Mund kommen lauter Bilder, über die sich Ihr Publikum freut (Wortbilder kommen beim Publikum besser an). Da die Zuhörer sich alles gut gemerkt haben, diskutieren diese heftig untereinander (Wortbilder können sich die Zuhörer besser merken). Sie nehmen dies wohlwollend wahr und verlassen unter heftigem Beifall die Bühne. Dies steigert natürlich Ihr Selbstwertgefühl.
Yeah! Schon wieder eine Rede gespeichert. Nun holen Sie sich bitte ein Glas Wasser, nehmen einen großen Schluck, öffnen das Fenster und atmen drei- bis viermal tief ein und aus. Decken Sie die Geschichte und die Stichworte ab und tragen Sie in die Liste alle Worte ein, die Sie vom Test noch wissen.
Vergleichen Sie bitte Ihre Stichpunkte mit den Originalen. Nun, wie viele wussten Sie noch? Und wie steht es mit der Reihenfolge? Diese Stichpunkte waren schon schwieriger zu merken als einfache Begriffe. Wahrscheinlich ist Ihnen diese Übung wegen der abstrakten Begriffe noch etwas schwer gefallen. Wenn nicht, umso besser. Wenn ja, ist das auch absolut okay.
Selbstverständlich ist es, wie weiter vorne ja schon erwähnt, schwieriger, sich abstrakte Stichpunkte, Argumente, Fachbegriffe – Stichworte eben – zu merken, die nicht schon vom Wort her ein Bild ergeben. Damit Sie solche Begriffe schnell und sicher verbildern können, ist noch etwas Übung nötig. Genauso werden Sie, wenn Sie nicht gerade ein kreativer Überflieger sind, Schwierigkeiten haben, die einzelnen Stichpunkte zu einer Geschichte zu verknüpfen. Manche passen einfach nicht zueinander. Und viele Verknüpfungen sind eindeutig so bescheuert, dass Sie diese nie von selbst wählen würden.
Gewöhnen Sie Ihr Gehirn an bescheuert-kreative Verknüpfungen
Sehr wahrscheinlich sträuben Sie sich auch dagegen, meine Vorgaben einfach so zu übernehmen. Damit Ihr Gehirn solche Bilder und Verknüpfungen zulassen und für o. k. befinden kann, machen Sie bitte die nachfolgenden Übungen. Diese steigern Ihre Kreativität und Flexibilität im Denken. Sie werden merken, wie Sie von Übung zu Übung besser werden. Es wird Ihnen zunehmend leichter fallen, „merk-würdige“ Bilder zu kreieren. Dies ist unerlässlich, also absolut notwendig, für die praktische Anwendung der Technik. Diese Übungen sind von mittlerweile beinahe 200.000 Seminarteilnehmern (Stand: Sommer 2003) erfolgreich getestet worden. Unter ihnen befanden sich Personen, die sich sogar gegen die „Geisselhart-Methode“ gesträubt haben. Sie mussten das...