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Die Homöopathie-Wahrheit. Eine (selbst)kritische Betrachtung

Vierte Ausgabe der Schriftenreihe "Homöopathie und..."

AutorDieter Elendt, Michael Arnold, Patrick C. Hirsch
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl244 Seiten
ISBN9783741244230
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Dieses Buch heißt "Die Homöopathie-Wahrheit". Selbstverständlich ist der Titel maßlos und provokativ. Was man hier lesen kann, ist natürlich nicht DIE WAHRHEIT über Homöopathie. Es ist aber auch keine Lüge, wie uns Homöopathen von Kritikern manchmal unterstellt wird. Vielmehr ist es irgendwo im Raum zwischen Wahrheit und Irrtum angesiedelt. Das jedenfalls hat Homöopathie mit Wissenschaft gemeinsam. - Inhalt: Wie viele Arzneimittel brauchen wir eigentlich? / Arzneimittelwahl / Kann man Homöopathie eigentlich lernen? / Homöopathen - ein merkwürdiger Zoo von Narzissten? / Kann Homöopathie schaden? / Der Placebo-Effekt / Der Wirksamkeitsnachweis / Die schwierigste Frage: Wie kann man es erklären? / Kritik und Unterstützung Anhang: Anonymus: Der Limerick. Beispiele einer textkritischen Analyse vom Blickwinkel der theoretischen Homöopathie. Teil 4: Die leidige Frage des Inhalts

Michael Arnold (Dr. rer. nat.) ist kein praktizierender Homöopath, gleichwohl an dem Thema der Homöopathie stark interessiert.

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Leseprobe

A) Einführung


Ja, wir werden alles, alles noch einmal in Frage stellen. Und wir werden nicht mit Siebenmeilenstiefeln vorwärts gehen, sondern im Schneckentempo. Und was wir heute finden, werden wir morgen von der Tafel streichen und erst wieder anschreiben, wenn wir es noch einmal gefunden haben. Und was wir zu finden wünschen, das werden wir, gefunden, mit besonderem Mißtrauen ansehen. […] Sollte uns aber dann jede andere Annahme als diese unter den Händen zerronnen sein, dann keine Gnade mehr mit denen, die nicht geforscht haben und doch reden.
BRECHT: Leben des Galilei

Dieses Motto für die vorliegende Ausgabe unserer Schriftenreihe ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits können wir Homöopathen es benutzen, um den Gegnern der Homöopathie ein Argument entgegenzuhalten, das ungefähr so aussehen könnte:

Wir wissen aus unserer täglichen Erfahrung, dass Homöopathie wirkt, wenn man sie korrekt anwendet. Wir können Euch zahllose Beispiele dafür zeigen. Wir haben geforscht, wir haben viele Arzneimittelprüfungen unternommen und daraus unser Wissen bezogen, wann wir welches Arzneimittel am Patienten anwenden müssen. Ihr aber ignoriert diese Erfolge und versteift Euch auf die durchaus richtige Meinung, dass die Wirkung von potenzierten Arzneimitteln (bisher!) keine wissenschaftliche Erklärung hat. Ihr habt nicht geforscht und redet dennoch! Wir hingegen heilen Menschen von ihren Krankheiten, auch wenn wir nicht wissen, wie das funktioniert. Wer heilt, hat recht!

Es gibt einige wichtige Kommentare zu dieser Argumentation. Die meisten davon werden im Text dieser Arbeit erwähnt werden. Eins sei aber vorweggenommen: die Aussage: Wer heilt, hat recht sollte in die Kategorie „Blödsinn“ eingeordnet werden. Wer heilt, der heilt und wer recht hat, der hat recht. Beides muss man nicht miteinander verbinden, denn Heilen kann man auch, wenn man gar nicht weiß, was man tut oder wenn man sich in dem vermeintlichen Wissen irrt, während das Rechthaben zu tun hat mit einer nachvollziehbaren Erklärung dessen, was man tut oder getan hat und von dessen Ergebnis.

CAMUS lässt das den Arzt Rieux noch prägnanter sagen ("Die Pest"):

Man kann nicht gleichzeitig heilen und wissen.

Ganz so extrem würden wir das nicht formulieren, aber doch unterstreichen, dass Heilen und Wissen unterschiedliche Kategorien sind und sich nicht oder nicht vollständig aufeinander zurückführen lassen.

Wenn wir einem Kind, das sich die Finger auf der Scharnierseite der Tür eingeklemmt hat, worauf die Finger nur noch halb so dick sind wie vorher und das Schreien enorm, Hypericum geben und nicht nur das Schreien innerhalb von Sekunden aufhört, sondern auch die Finger am nächsten Tag aussehen, als sei nichts gewesen, so ist das eine wundersame Heilung, aber wir wissen nicht wirklich, was passiert ist. Wir haben geheilt (Hypericum hat geheilt), aber wir haben nicht die geringste Ahnung, wie das eigentlich geschehen ist.

Oder ein anderes Beispiel, von D.E.:

Ich bin einmal eine Treppe auf dem Hinterteil hinuntergesegelt und hatte ein gigantisches Hämatom an eben jener Stelle, welches sich nach der Einnahme von Acidum sulphuricum innerhalb von fünf Tagen vollständig zurückgebildet hat. Ich habe keine Erklärung dafür, denn ein solches Hämatom kann sich eigentlich nicht innerhalb von so kurzer Zeit zurückbilden, ohne erst einmal grün und gelb zu werden. Ich habe nicht recht, die Frage, ob ich recht habe, stellt sich nicht einmal, denn ich habe überhaupt keine Erklärung.

Nebenher bemerkt würde es auch gewisse Probleme bereiten, dieses Phänomen mit dem sogenannten Placeboeffekt zu erklären.

Kommen wir aber zu der gegenteiligen Argumentation im Sinne von BRECHTs „Galilei“:

Ihr Homöopathen macht Sachen, die mit der Wissenschaft schlicht und einfach nichts zu tun haben.

Diese Argumentation hat mehrere Teile:


1) In Euren Arzneimitteln ist ja gar nichts drin, was wirken kann!

Kommentar: Dieses Argument ist langweilig, weil es immer wieder gebraucht wird, aber dass es langweilig ist, heißt nicht, dass es etwa nicht ernst zu nehmen wäre.

Eine Entgegnung auf dieses Argument ist schwierig, aber möglich. Wir werden hierauf zurückkommen.

2) Euer sogenanntes Simile-Prinzip ist Blödsinn. Wieso sollte etwas, was eine Krankheit hervorruft, sie auch heilen können?1

Kommentar: Es gibt durchaus auch in der wissenschaftlich fundierten Medizin Beispiele für Prophylaxe2 und Therapie, die mit der (modifizierten) Ursache der Krankheit erfolgt. Die drei bekanntesten sind die Impfung, die Anti-D-Prophylaxe und die Hyposensibilisierung.

3) Eure Arzneimittel sind obskur. Ihr behandelt mit solchen Sachen wie Hundekot, Weizen, Kochsalz, "Sol" und "Luna", "Magnetis polis arcticus" und "… australis" usw. Was kann daran sein?

Kommentar: Wir haben durchaus auch unsere Probleme mit solchen merkwürdigen Arzneimitteln und verstehen nicht, wie sie wirken könnten. Das schließt aber auf den zweiten Blick eine Wirkung nicht aus. Mit dem dritten Blick meinen wir, dass die Gefahr besteht, dass durch solche merkwürdigen Arzneimittel die Homöopathie zur Beliebigkeit entartet.

4) Wenn Ihr in Einzelfällen helfen könnt, so ist das kein Beweis für die Wirkung Eurer Methode insgesamt. Vielmehr müsst Ihr Studien vorlegen, die nach dem Goldstandard des Doppelblindversuches gestaltet sind.

Kommentar: Ein ernst zu nehmendes Argument, bei dem man natürlich nachdenken sollte, was dieser Goldstandard wirklich taugt und ob er eins zu eins auf die Homöopathie anwendbar ist. Und man müsste in diesem Zusammenhang über die Problematik von Studien überhaupt reden - was später geschehen soll.

5) Wir haben eine Erklärung für Eure vermeintlichen Erfolge: den Placebo-Effekt.

Kommentar: Ja, den Placebo-Effekt gibt es, aber es ist falsch, ihn ohne Prüfung zur Erklärung heranzuziehen für das, was man sonst nicht erklären kann. In der Tat könnte der Placeboeffekt eine Möglichkeit zur Erklärung der Wirkung von homöopathischen Arzneimitteln sein3. Es handelt sich hierbei aber um eine Erklärung, die weitgehend nur darauf beruht, dass keine standfeste Alternativerklärung existiert. Die Wirklichkeit eines Phänomens ist aber nicht abhängig davon, ob eine Erklärung hierfür existiert.

6) Eure Erklärungsansätze der Wirkung von potenzierten Arzneien sind Blödsinn. Wenn Ihr etwa mit dem „Gedächtnis des Wassers“ oder mit „Quantenmedizin“ anfangt, dann redet Ihr von Sachen, von denen Ihr nichts versteht.

Kommentar: Dem ist völlig zuzustimmen. Wahrscheinlich gibt es kein Gedächtnis des Wassers – jedenfalls sind die Versuche, so etwas nachzuweisen, mit ziemlich dürftigen Resultaten behaftet. Und was Quantenmedizin ist – nun ja, dazu können wir nichts sagen, denn das hat uns noch niemand auf eine irgendwie nachvollziehbare Weise erklären können.

7) Homöopathie widerspricht den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es gibt keine wissenschaftliche Erklärung. Daher ist Homöopathie eine Illusion.

Kommentar: Die Aussage, dass es keine wissenschaftliche Erklärung für ein Phänomen gibt, besagt nichts weiter, als dass es gegenwärtig keine wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen gibt. Weiter ist hieraus nichts abzuleiten. Die Phänomene scheren sich einen Dreck um unsere Erklärungen. Die Forderung nach der Erklärung eines Phänomens ist aber klar abzugrenzen von der vernünftigen Forderung des Nachweises, dass ein Phänomen tatsächlich existiert, so schwierig dieser Nachweis auch sei.

Ein Beispiel hierfür sind die "Kugelblitze". Schon lange gibt es Beobachtungen dieses Phänomens, aber es gibt keine voll tragfähige Erklärung. Über lange Zeit wurde konstant behauptet, dass so etwas nicht möglich sei, da ein Plasma ohne Stabilisierung von außen nicht so lange – bis 30 Sekunden – stabil sein könne. Mit anderen Worten steht das Phänomen nicht in Übereinstimmung mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen.

Das wiederum sagt nichts über die Existenz oder die Nichtexistenz von Blitzen nachfolgenden und sich bewegenden Leuchterscheinungen aus, die eine gewisse Zeit stabil bleiben (nichts anderes wurde beschrieben). Der Nachweis ist schwierig. Selbst ein Foto kann man ja heute nicht mehr als Beweis ansehen. Da sich trotz der Ablehnung durch die Naturwissenschaft die Beobachtungen hartnäckig hielten, wurden einige Experimente vorgenommen, bei denen tatsächlich Leuchterscheinungen in Verbindung mit elektrischen Entladungen erzeugt werden konnten, die den Laienbeobachtungen teilweise entsprechen. Das Ganze ist noch nicht entschieden, aber die Meinung, es gebe keine "Kugelblitze", kann man heute nicht mehr als absolut richtig vertreten4.

Bei der Homöopathie ist es heute (noch?) ein wenig anders. Aber das Problem ist das gleiche: Es existieren Beobachtungen eines Phänomens, für das es im Rahmen der gegenwärtigen...

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