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E-Book

Qualitätssicherung - Technische Zuverlässigkeit

Lehr- und Arbeitsbuch

AutorGerhard Linß
VerlagCarl Hanser Fachbuchverlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl312 Seiten
ISBN9783446451384
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
?Vermittelt die Grundlagen und die Werkzeuge der Technischen Zuverlässigkeit kompakt, leicht verständlich und übersichtlich
?Stellt Zusammenhänge zu anderen Wissensgebieten her
?Für Studierende und Praktiker gleichermaßen gut geeignet
?Zum Download: Didaktisch aufbereitete Trainings- und Übungsaufgaben
?Viele Beispiele und Kontrollfragen mit Antworten
Erfüllt ein System oder ein Produkt die Anforderung, die erfüllt werden soll? Die Frage nach der technischen Zuverlässigkeit der Produkte ist für jedes Unternehmen zentral. Denn wenn die Anforderungen nicht erfüllt werden, bedeutet dies hohe Verluste (Rückrufaktionen), Prestigeverlust, unter Umständen stehen Existenzen auf dem Spiel und womöglich besteht auch Gefahr für Leib und Leben.
Dieses Lehr- und Arbeitsbuch bietet alle Informationen rund um die Technische Zuverlässigkeit für die Qualitätssicherung. Neben den statistischen Grundlagen wird gezeigt, wie sich beispielsweise Ausfallraten oder die Ausfallwahrscheinlichkeiten ermitteln lassen, welchen Einfluss die Lebensdauer hat oder wie grundsätzlich Fehler erkannt werden können. Ergänzt wird dieses Werk durch Trainingsmodule zum Download.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Gerhard Linß berät Industrieunternehmen, ist AIF-Gutachter und leitet ein Unternehmen im Steinbeis-Verbund. Bis 2014 war er Leiter des Fachgebiets Qualitätssicherung und Industrielle Bildverarbeitung an der TU Ilmenau.

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Leseprobe
2Begriffe, Definitionen und statistische Grundlagen

In diesem Kapitel werden zunächst die wichtigsten Begriffe für die technische Zuverlässigkeit eingeführt. Daran schließen sich die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung an.

2.1Technische Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit

Die technische Zuverlässigkeit eines Systems ist eine sehr wichtige Teileigenschaft der Qualität eines Produktes oder Erzeugnisses. Um die technische Zuverlässigkeit eines Produktes während des Kundeneinsatzes sicherstellen zu können, ist es erforderlich, während des gesamten Produktlebenszyklus geeignete Zuverlässigkeitsanalysemethoden anzuwenden [Lin 11].

Die Technische Zuverlässigkeit ist die Beschaffenheit einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, während oder nach vorgegebenen Zeitspannen bei vorgegebenen Anwendungsbedingungen die Zuverlässigkeitsforderung zu erfüllen [Nor 90].

Diese Definition der technischen Zuverlässigkeit kann wie folgt zusammengefasst werden:

„Technische Zuverlässigkeit ist die komplexe Eigenschaft eines technischen Gebildes, die vorgesehene Funktion

  • für eine bestimmte Betriebsdauer

  • bei einem bereits vorhandenen Lebensalter

  • bei festgelegten Betriebs- und Umweltbedingungen

  • unter bestimmten inneren und äußeren Arbeitsbedingungen

  • innerhalb festgelegter Beanspruchungsgrenzen

zu erfüllen“ [Kra 00].

Die Verfügbarkeit ist die Fähigkeit einer Einheit, zu einem gegebenen Zeitpunkt oder während eines gegebenen Zeitraums in einem Zustand zu sein, der eine geforderte Funktion bei gegebenen Bedingungen unter der Annahme erfüllt, dass die erforderlichen äußeren Hilfsmittel bereitgestellt sind [Nor 10]. Der Begriff Nutzungsgrad wird synonym verwendet.

Die Verfügbarkeit V(t) ist die Summe der Betriebszeiten bezogen auf die Summe von Betriebszeiten und Ausfallzeiten:

(2.1)

Die Zuverlässigkeitsforderung ist die Gesamtheit der betrachteten Einzelforderungen an die Beschaffenheit einer Einheit, die das Verhalten der Einheit während oder nach vorgegebenen Zeitspannen bei vorgegebenen Anwendungsbedingungen betreffen, und zwar in der betrachteten Konkretisierungsstufe der Einzelforderungen.

Anmerkung: Die Zuverlässigkeitsforderung ist Teil der Qualitätsforderung (DIN 55350 Teil 11) und durchläuft im Zuge der Zuverlässigkeitsplanung im Allgemeinen mehrere Konkretisierungsstufen. In verschiedenen Konkretisierungsstufen sind Anteile der festgelegten und der vorausgesetzten Einzelforderungen unterschiedlich [Nor 90].

Zuverlässigkeitskenngröße: Funktion der ermittelten Werte, die eine Eigenschaft der Häufigkeitsverteilung eines Zuverlässigkeitsmerkmals charakterisiert [Nor 90].

2.2Ausfall

Die „Beendigung der Fähigkeit einer Einheit, eine geforderte Funktion zu erfüllen“ entspricht einem Ausfall [VDI 06, Nor 10]. Wenn eine zu Beanspruchungsbeginn als fehlerfrei erkannte Betrachtungseinheit mindestens ein Ausfallkriterium erfüllt, spricht man ebenso von einem Ausfall. Als Sekundärausfall (Folgeausfall) wird der Ausfall einer Betrachtungseinheit, der durch den Ausfall einer anderen Betrachtungseinheit verursacht wird, angesehen. Eine Einteilung der verschiedenen Ausfälle kann nach folgenden Aspekten erfolgen:

  1. Aspekte des Beeinträchtigungsumfangs [Nor 90]:

    • Vollausfall/Gesamtausfall: Ausfall betrifft alle Funktionen einer Einheit gleichzeitig

    • Teilausfall: Ausfall betrifft nicht alle Funktionen einer Einheit gleichzeitig

  2. Aspekte der Änderungsgeschwindigkeit [Nor 90]:

    • Sprungausfall: Ausfall aufgrund einer schnellen Änderung von Merkmalswerten

    • Driftausfall: Ausfall aufgrund einer langsamen Änderung von Merkmalswerten

  3. Aspekte der Ausfallursache [Nor 90]:

    • Entwurfsbedingter Ausfall: Ausfall aufgrund von Entwurfsfehlern

    • Fertigungsbedingter Ausfall: Ausfall aufgrund von Fertigungsfehlern

    • Abnutzungsausfall: Ausfall aufgrund von Abnutzung

    • Intermittierender Ausfall: Ausfall aufgrund von Mechanismen, die zeitweilig zu reversiblen Änderungen von Merkmalswerten führen

  4. Aspekte der Ausfallfolgen:

    • Kritischer Ausfall: System kann nach Ausfall nicht mehr für seinen vorgesehenen Zweck genutzt werden

    • Nicht kritischer Ausfall: System kann trotz Ausfall weiter seinen Nutzen erfüllen

Man spricht also vom Ausfall einer materiellen Einheit, wenn die Beendigung der Funktionsfähigkeit im Rahmen der zugelassenen Beanspruchung eintritt (Primärausfall). Ein Ausfall führt zum Versagen, sobald die Erfüllung der geforderten Funktion verlangt wird. Insbesondere bei Messgeräten gibt es neben einem Funktionsausfall noch ein weiteres Ausfallkriterium, was durch das Verlassen des zulässigen Toleranzbereiches definiert ist.

Neben dem schon erwähnten Primär- und Sekundärausfall unterscheidet die DIN 25424-1 noch eine dritte Ausfallart [Nor 81]:

  • Primärer Ausfall: Ausfall einer Komponente unter zulässigen Bedingungen, z. B. Ausfall durch Materialschwäche

  • Sekundärer Ausfall: Folgeausfall durch unzulässige Einsatzbedingungen oder Umgebungsbedingungen, z. B. Verschmutzung bei offenen Systemen

  • Kommandierter Ausfall: Ausfall einer Komponente durch falsche/fehlende Anregung (Ansteuerung) oder durch Ausfall einer Hilfsquelle, die Komponenten selber sind dabei funktionsfähig

Da die notwendige Reparatur zur Beseitigung der Störung ein nicht geplanter Eingriff ist, kommt es hierbei nicht selten zu hohen Produktions- und Nutzungsausfällen sowie zu hohen Kosten [Kra 00].

Die Lebensdauer ist die Betriebsdauer einer nicht instand zu setzenden Einheit vom Anwendungsbeginn bis zum Zeitpunkt des Versagens [Nor 90].

Die Betriebsdauer ist die Summe der Intervalle der betrachteten Anwendungsdauer, in denen die geforderte Funktion erfüllt wird [Nor 90].

Die Anwendungsdauer ist die Zeitspanne des Einsatzes einer Einheit unter den vorgegebenen Anwendungsbedingungen [Nor 90].

Fällt ein Bauteil während seiner Betriebsdauer aus, so kann dies oftmals viele Ursachen haben (Tabelle 2.1).

Tabelle 2.1 Ausfallmechanismen und Ursachen [DGQ 94]

Ausfallmechanismen

Ausfallursachen

Beispiel

Alterung

Degradation, Strukturveränderung, ungeeigneter Werkstoff, Fremdstrahlung, aggressive Medien, ungeeignete Lagerung

Versprödung von Werkstoffen, Unwirksamwerden von Schmieröl, Geschmacksbeeinträchtigung bei Lebensmitteln

Dauerbruch (Sprödbruch bei dynamischer Beanspruchung)

falsche Dimensionierung, Resonanzen, Überbelastung, Unwucht, Kerbwirkung, Korrosion

Achsbruch, Bruch einer Schwingfeder, Flugzeugabsturz

Gewaltbruch

Überbelastung, Werkstofffehler, Versprödung in der Kälte

Rohrbruch, Zahnbruch bei Schaltgetrieben

Korrosion

ungeeigneter Korrosionsschutz, falsche Werkstoffpaarung, Fehler bei Montagen, Lagerung oder Transport

Durchrosten der Karosserie, Ausfall elektrischer Kontakte

Verschleiß

Schmierstoffmangel, unzureichende Kühlung, Schmutz

Kolbenfresser, Lager läuft heiß

Lösen

unzureichende Konstruktion, falsche Montage

Lösen von Schraub-, Niet-, Steck- oder Lötverbindungen

Zersetzen

falsche Lagerung, aggressive Medien oder unhygienische Verarbeitung von Lebensmitteln

Unbrauchbarwerden von Kunststoffen, Lebensmitteln oder Medikamenten

Entmischung

Trennreaktion durch falsche Lagerung

Austrocknen von Farben

Verformung

Temperaturschwankungen, Werkstofffehler oder Konstruktionsfehler

Verbiegen eines Mastes, Aufwölben eines Rohres, Schrumpfen von Textilien

Brand, Explosion

Isolationsfehler, Funkenflug, menschliches Versagen

Kabelbrand, offenes Feuer trotz Verbots

Biologische Schädigung

ungeeignete Lagerung

Verfaulen von...

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