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E-Book

Die Kunst, sich zu verändern

AutorHarald Koisser
VerlagVerlag Orac im Kremayr & Scheriau Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783701505937
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Lebensstil und Gewohnheiten sind kein Schicksal. Sie sind selbst gewählt. Und sie lassen sich verändern. Harald Koisser zeigt, wie es geht. Denn Veränderung ist eine Kunst, die jeder beherrschen kann. Er nimmt die LeserInnen bei der Hand, geht mit ihnen den 'direkten Umweg zum Ziel' und führt sie durch die Tore der Veränderung - etwa das Tor der Stille, das Tor der Liebe, das Tor der Spiritualität. Zu jedem Kapitel gibt es Übungen, die den Blick auf die Welt verändern, neue Perspektiven eröffnen, Lebenslust, Begeisterung und Freude wecken. So lässt sich ein Zukunftsbild des Lebens entwerfen, das all das enthält, was bisher nur Wunschtraum war. Die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Veränderung: Visionen zulassen - Werthaltungen hinterfragen - Vergangenes hinter sich lassen - eingefahrene Gewohnheiten über Bord werfen - Neues wagen - an sich glauben - das Neue leben

Harald Koisser ist Philosoph, Kommunikationsberater, Coach, Autor philosophischer Bücher und von Theaterstücken, Fastenbegleiter und Liebeskultur-Trainer. Er kennt die Angst und die Euphorie, die mit dem Wandel einhergehen, als Begleiter von Veränderungsprozessen und aus eigener Anschauung. Harald Koisser lebt und arbeitet auf Schloss Eschelberg (Oberösterreich), wo er auch Seminare zu den Themen Leben, Lieben, Regenerieren anbietet. www.koisser.at

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Leseprobe

Tore der Veränderung


Erwin Wickert hat 1954 ein Hörspiel mit dem Titel »Der Klassenaufsatz« geschrieben, in dem Schüler und Schülerinnen der Oberprima einen Aufsatz zu dem Thema »Wie ich mir mein Leben vorstelle« verfassen und dann ihr tatsächliches späteres Leben erzählt wird. Besonders berührend ist die Geschichte von Müller-Detmold. Sein Aufsatz trägt den Titel »Müller-Detmolds 50-Jahres-Plan«. Der Titel führt zum ersten Anflug von Heiterkeit in der Klasse. Der Schüler liest vor: »Ich werde Jurisprudenz studieren, und zwar die ersten beiden Semester in Kiel, dann zwei Semester in Heidelberg und die letzten vier Semester in Berlin. Im achten Semester werde ich das Referendarexamen bestehen. […] Die Ernennung zum Regierungsrat wird nach meiner Berechnung 1936 erfolgen. Ein Jahr danach heirate ich. Kinder erwarten wir 1939 und 1940.« Zunehmende Heiterkeit in der Klasse. In dieser Tonart geht es weiter. »Mit 65 Jahren lasse ich mich pensionieren, ziehe in eine mitteldeutsche Stadt und werde in Muße malen.«

Der Schüler ist akkurat in der Planung und das Erstaunliche ist, dass alles auch ganz genau so eintrifft. Auf die Stunde genau. Studium, Hochzeit, Regierungsrat und Malen in Muße. »Nur ein einziges Mal wich Müller-Detmold von seinem Lebensplan ab«, sinniert der Erzähler. »Er gab plötzlich seinen 50-Jahres-Plan, dessen Soll er bis dahin regelmäßig erfüllt hatte, ohne entschuldigende Erklärung auf. Als seine Frau eines Tages von einem Wochenendausflug nach Hause kam und die Tür öffnete, fand sie ihn im Flur. Er hatte sich erhängt. Und niemand erfuhr, warum.«

Dabei lässt es Wickert bewenden. Die Antwort versteht sich von selbst. Wir ertragen das Vorhersehbare nicht. Das Gleichförmige erstickt die Kreativität. Das hätte Müller-Detmold nicht ertragen: auch die Stunde seines Todes in absoluter Vorhersehbarkeit zu erleben. Die letzte Chance, sich als lebendiges und schöpferisches Individuum zu behaupten, lag in der Wahl des eigenen Todeszeitpunktes.

Leben nach Plan bringt nur Langeweile


Wenn wir immer wissen, was gleich passieren wird, haben wir wohl Sicherheit, doch nur in Begleitung der Langeweile. Kinder brauchen noch ein sehr hohes Maß an Vorhersehbarkeit. Sie können sich ein und dieselbe Geschichte tausendmal erzählen lassen und den einen Märchenfilm wieder und wieder sehen. Es befällt sie Gruseln an immer derselben Stelle, das dadurch erträglich wird, dass ebenso gewiss gleich die Erlösung kommt. Kinder haben eine helle Freude an Klarheit und Struktur, weil sich darin ihre kleine Rebellion entzünden und wachsen kann. Aus dem Fünkchen wird ein Feuer, die Freiheit und Freude am Neuen wächst und der Bedarf an Struktur und Rahmen wird kleiner. Der gereifte Erwachsene braucht deutlich weniger davon. Was dem Kind Sicherheit gibt, betäubt den Erwachsenen, wobei natürlich das Bedürfnis nach schöpferischem Chaos individuell unterschiedlich ist. Doch überhaupt nichts davon zu haben, wie im Fall der literarischen Gestalt von Müller-Detmold, ist unerträglich.

Dennoch kenne ich leibhaftige Menschen, die so ähnlich leben. Sie ignorieren die Tore entlang des Lebensweges, jene Tore, die uns locken und die einen Spalt weit offen stehen. Jene Tore, auf denen meist »Eintritt verboten« steht – und wir ahnen doch, dass es genau darum geht: einzutreten, den Kopf hineinzustrecken, die verbotene Luft zu atmen und einfach zu schauen, was denn da verboten sein soll und warum überhaupt.

Bei der Premiere meines Eros-Theaterstücks3 in einem Restaurant habe ich an der Eingangstür ein Schild anbringen lassen mit der Aufschrift »Eros – Eintritt verboten«. Die Tür war natürlich offen und von drinnen leuchteten verlockend Lichter. Es war interessant zu sehen, wie manche Gäste das Schild musterten und dann eintraten, andere wieder verlegen zurückwichen und warteten. Einige erlöste ich, indem ich hinausging und sie hereinbat. Warum denn das Schild da sei, fragte ein Mann. Weil es um Liebe, Sex und Seitensprung geht, erklärte ich, und Letzeres ist ja bekanntlich verboten. Aber er könne ruhig hereinkommen. Andere seien schon drin. Da lachte er.

Für jeden gibt es Tore der Veränderung


Die Tore entlang des Lebensweges haben etwas Magisches. Sie locken und wir wissen: Wenn wir durch dieses Tor oder durch jenes hindurchgehen, dann verändert sich etwas, vielleicht nur ein wenig, oder doch alles?! Durch ein Tor zu gehen hat etwas Absolutes und Unumkehrbares. Manchmal werden wir durch Tore geworfen, manchmal gehen wir unbedacht hindurch und wissen gar nicht, was wir da getan haben. Manchmal tun wir es auch bei vollem Bewusstsein und in voller Absicht. Das sind die großen Momente des Lebens. Der Wille zum Selbst ist dann in seiner größten Präsenz wirksam. Ich bin so sehr Ich, wie ich nur Ich sein kann, wenn ich mich im Wachzustand entscheide, durch ein Tor der Veränderung zu gehen.

Die Tore der Veränderung! Es gibt sie zuhauf entlang des Lebensweges. Wir mögen an ihnen manchmal achtlos, manchmal auch mit Interesse und Neugierde vorbeigehen. Oft lassen wir sie unbeachtet, manchmal reizen sie uns und ziehen uns an. Sie sind da. Immer und gewiss. Wir schielen auf sie, kokettieren mit ihnen und ängstigen uns vor ihnen. Wir spüren – es geht um etwas, wenn man da durchgeht.

Am Eingang zu jedem Tor begegnet der, der ich bin, demjenigen, der ich sein kann. Das ist eine durchaus erstaunliche und kraftvolle Begegnung und es stellt sich die Frage, was ich damit mache. Schüttle ich meiner Potenzialität die Hand und nehme sie an in aller Unwägbarkeit? Oder winke ich mal kurz und freundlich und lasse mein potenzielles Ich dann links liegen? Auch das ist in Ordnung. Niemand zwingt mich, durch ein Tor zu gehen. Im Gegenteil. Die Gemeinschaft um uns herum hat gewiss kein ureigenes Interesse an individueller Verwandlung. Alle wollen, dass alles bleibt, wie es ist. Wir haben einen kollektiven Beharrungsdrang. Niemand sagt: »Ja, geh durch das Tor. Werde anders, auch wenn es damit verbunden ist, dass du dich veränderst und wir uns nicht mehr verstehen, uns weniger oder vielleicht auch nie mehr sehen.« Der Lebenspartner, die Freunde, die Familie – wer soll das wollen? Niemand! Von außen gibt es keine Unterstützung. Persönliche Veränderung ist eben »persönlich«, gewissermaßen ein einsamer Vorgang. Beharrung hingegen kann auch kollektiv erlebt werden.

Die Tore der Veränderung haben Namen und manche von ihnen kann ich benennen, weil sie mächtig sind. Andere wieder haben nur individuelle Kraft oder kommen so verblüffend plötzlich wie Erleuchtungsmomente in buddhistischen Klöstern oder unter der Dusche. Vielleicht haben Sie durch Fliegenfischen Ihr Leben verändert und sind so Ihrem Höheren Selbst nähergekommen. Dann war es ein Tor der Veränderung. Für viele andere Menschen ist das langweilig und irrelevant.

Ich darf Ihnen in aller Kürze ein paar Tore vorstellen und zugleich auch die Türhüter, die davor lauern und uns abhalten, hindurchzugehen.

Das Tor der Stille


In die Stille gehen heißt, sich Einflüssen zu entziehen. Nicht nur dem Stakkato sensorischer Impulse des Alltags, sondern ganz real auch dem Einfluss von Menschen und Situationen. Ich empfehle Menschen, die eine Fastenwoche machen oder eine andere Form der Auszeit wählen, sie alleine zu machen, also selbst geliebte Menschen wie Liebespartner, Geschwister und Freunde zuhause zu lassen. Stille ist kein Gruppenerlebnis. Mit ­Rilke sage ich Ihnen: »Sie dürfen sich nicht beirren lassen in ­Ihrer Einsamkeit. […] Lieben heißt alleine sein.« Wir finden zu uns über die Stille. Alle spirituellen Lehren sind sich darin einig. Die Dinge, mit denen wir den leeren Raum füllen, lenken uns ab und geben etwas vor. Der leere Raum selbst ist es, der offen ist für alles. »Nichts kann ohne Einsamkeit entstehen«, wusste Picasso, wobei »Stille« und »Einsamkeit« Synonyme sind, wenn man zulässt, dass sie sich wechselseitig bedingen. Stille braucht Einsamkeit und Einsamkeit braucht Stille. Wer alleine zuhause ist und den Fernsehapparat einschaltet und zugleich ein Videospiel spielt, ist eben bloß das: alleine zuhause, aber sicher nicht in Stille und Einsamkeit.

Die Stille ist die große Verwandlungskünstlerin, weil sich in ihr – durch das Fernbleiben von allem – die Wahrnehmung schärft, die sensorische ebenso wie die geistige. Sie ist der große Möglichkeitsraum.

Die Türhüter sorgen natürlich eifrig dafür, dass es keine ­Stille im Leben gibt. Sie veranlassen uns zu laufen und zu schreien, wogegen an sich nichts einzuwenden ist, bloß dass das Laufen und Schreien kein Ende mehr hat. »Sieh dich vor«, sagt der Türhüter, »wenn du stillstehst, ist es aus.« Genau das wäre aber der Sinn der Stille, es soll endlich auch einmal aus sein, damit Neues entstehen kann. Doch wir empfangen die Ankündigung als Drohung. »Sieh dich vor!«, sagen die Türhüter, »wenn du dich Einflüssen entziehst, wenn du nicht mehr nach der Pfeife dieser und jener Person tanzt, dann wirst du womöglich nicht mehr geliebt.« Das schreckt uns. Und wir laufen weiter und schneller.

Das Tor der Kunst


Das Tor der Kunst eröffnet den seelenweitenden Raum des Schöpferischen. Wer sich im Grübeln über den besten Reim oder die Wahl der Farbe für den nächsten Pinselstrich verliert, weiß sich in einer Welt jenseits von Zeit und Raum. »Jeder wird ein Dichter, wenn Eros in berührt«, begeisterte sich Platon. Die Berührung des Eros führt in jenen Zustand des Flow, wo Schöpfer und Werk ineinander verschmelzen und einander wechselseitig erschaffen. Wer sich dorthin begibt, ist jenseits der Sicherheitsgrenze. Kreativität gibt es stets nur im Raum der Unsicherheit, dort, wo man nicht weiter weiß. Im freien...

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