Parapsychologie
Die Parapsychologie (von griech. παρα-, para, „neben“ und ψυχολογία, psychología, „Seelenkunde“) versteht sich selbst als wissenschaftlicher Forschungszweig, der angebliche psychische Fähigkeiten und ihre Ursachen sowie ein mögliches Leben nach dem Tod untersucht. Die Mehrheit der Wissenschaftler sieht die Existenz solcher Phänomene als unbewiesen an und bezeichnet daher die Parapsychologie als eine Pseudowissenschaft.
Die parapsychologischen Experimente benutzten Zufallsgeneratoren (sogenannte „Schmidtmaschinen“ ) für den Versuch, Psychokinese und Präkognition nachzuweisen. Mit Sensorischer Deprivation und Ganzfeld-Versuchen wird die Möglichkeit außersinnlicher Wahrnehmung untersucht. In den Vereinigten Staaten spielten diese Tests in der Vergangenheit eine Rolle bei dem Bemühen der Geheimdienste, außersinnliche Wahrnehmung für Spionagezwecke einzusetzen. Parapsychologische Experimente werden nur an wenigen Orten auf der Welt systematisch durchgeführt, so an einigen Universitäten und privat finanzierten Instituten.
Terminologie
Die Bezeichnung „Parapsychologie“ wurde 1889 von dem Psychologen Max Dessoir in einem Beitrag in der theosophischen Zeitschrift Sphinx eingeführt. Dessoir erläuterte die Wortwahl folgendermaßen: „Bezeichnet man ... mit Para – etwas, das über das Gewöhnliche hinaus oder neben ihm hergeht, so kann man vielleicht die aus dem normalen Verlauf des Seelenlebens heraustretenden Erscheinungen parapsychische, die von ihnen handelnde Wissenschaft „Parapsychologie“ nennen. …Das Wort ist nicht schön, aber es hat meines Erachtens den Vorzug, ein bisher noch unbenanntes Grenzgebiet zwischen dem Durchschnitt und den abnormen, pathologischen Zuständen kurz zu kennzeichnen.“ Zu den zwischen den pathologischen Zuständen und den normalen Zuständen des Seelenlebens angesiedelten Erscheinungen gehörten zunächst vor allem die Phänomene des Mesmerismus wie Hypnose und animalischer Magnetismus. Joseph Banks Rhine griff den Ausdruck „Parapsychologie“ in den 1930ern als Ersatz für den Begriff psychical research auf, um die Betonung auf Laborforschung und wissenschaftliche Methodik hervorzuheben. Parapsychologen bezeichnen die parapsychischen Phänomene, denen sie nachspüren, mit dem griechischen Buchstaben ψ (= Psi), dem ersten Buchstaben des Wortes Psyche.
Geschichte
Frühe Forschung
Die Geschichte der Parapsychologie begann 1862 mit der Gründung des Ghost Club in England, der es sich zur Aufgabe machte, Geistererscheinungen zu untersuchen. 20 Jahre später, also 1882, wurde die Society for Psychical Research (SPR) in London gegründet. Die SPR war der erste systematische Versuch, Wissenschaftler und Gelehrte in einer Organisation zu versammeln, um eine kritische und nachhaltige Erforschung paranormaler Phänomene zu gewährleisten. Zu den frühen Mitgliedern der SPR gehörten Philosophen, Gelehrte, Wissenschaftler, Pädagogen und Politiker wie Henry Sidgwick, Arthur Balfour, William Crookes, Rufus Osgood Mason und Charles Richet.
Die SPR teilte ihre Forschungsgegenstände in verschiedene Klassen ein: Telepathie, Hypnose, Reichenbachs Lebenskraft Od, Geistererscheinungen und die parapsychologischen Begleitphänomene des Spiritismus wie das Tischerücken und Materialisationen. Eine der ersten gemeinsam vollbrachten Leistungen war die „Erhebung über Sinnestäuschungen“ (Census of Hallucinations), die Geistererscheinungen und Sinnestäuschungen bei Gesunden untersuchte. Diese Erhebung war der erste Versuch der SPR, mittels statistischer Methoden paranormale Phänomene zu erfassen, und die daraus 1886 hervorgegangene Publikation „Erscheinungen Lebender“ (Phantasms of the Living) wird immer noch häufig in der parapsychologischen Literatur zitiert.
Die SPR wurde zum Vorbild für ähnliche Gesellschaften in anderen europäischen Ländern und in den Vereinigten Staaten im späten 19. Jahrhundert. Vor allem auf Betreiben durch William James wurde die American Society for Psychical Research (ASPR) in New York 1885 gegründet.
In Deutschland gründeten 1886 Albert Freiherr von Schrenck-Notzing und Carl du Prel die Psychologische Gesellschaft in München. Sie führte Untersuchungen zur Hypnose und zur Telekinese durch. Vor allem die gut dokumentierten Telekineseversuche in den 1920er und 1930er Jahren an der Münchener Universität, die Schrenck-Notzing im Beisein von Ärzten und Prominenten vorführte, machten die Parapsychologie in Deutschland bekannt. Bei diesen Versuchen mussten sich die Versuchspersonen vor den Tests im Beisein von Beobachtern entkleiden und umziehen und wurden bei den Versuchen oft in Käfige eingesperrt und an Händen und Füßen festgehalten.
Bevor ungewöhnliche Effekte beobachtet werden konnten, gingen oft Stunden des Wartens voraus, in denen die Versuchspersonen in eine tiefe Trance mit lebhaften körperlichen Begleitsymptomen fielen. Die „telekinetischen“ Phänomene zeigten sich dann in Form einer Spieluhr, die von selbst zu spielen begann und danach auf Zuruf des Versuchsleiters vom Medium wieder angehalten oder neu gestartet werden konnte. Von emporschwebenden Taschentüchern wurde auch berichtet. Nach solchen Vorführungen wurden die Gegenstände von den Zeugen inspiziert. Dem Medium selbst waren phosphoreszierende Armbänder und Leuchtpunkte auf die Kleidung befestigt worden, um auch bei geringer Helligkeit mögliche Täuschungsversuche erkennen zu können. Als Besonderheit dieser Trance wird ihre erotische Komponente angemerkt: Es kam mitunter zu Samenergüssen des Mediums während der Trance, was bei der nachfolgenden Kleiderkontrolle bemerkt wurde. Der Schriftsteller Thomas Mann war als prominenter Zeuge bei den telekinetischen Vorführungen Schrenck-Notzings mit dem Medium Rudi Schneider dabei und verarbeitete seine Erfahrungen in dem Roman Der Zauberberg.
Bei der Kriminalpolizei wurden ab 1919 „Telepathen“ zur Aufklärung von Verbrechen eingesetzt, um daraus Rückschlüsse über den möglichen Einsatz von Medien bei der Ermittlungsarbeit zu gewinnen: „Landesweite Schlagzeilen machte beispielsweise im Sommer 1921 die Frankfurter Wahrträumerin Minna Schmidt. Sie hatte im Fall eines Doppelmordes an zwei Bürgermeistern in Heidelberg den späteren Fundort der Leichen bestimmt ..., was zum Thema für große Feuilletons ... wurde.“ In der überwiegenden Mehrheit der Fälle, in denen Kriminaltelepathen eingesetzt wurden, konnten diese jedoch nichts zur Verbrechensaufklärung beitragen. Auch der Parapsychologe Hans Bender kam zu der Schlussfolgerung, dass die Angaben von Hellsehern vielleicht „parapsychologisch interessant“ seien, aber „für die Ermittlung nutzlos“. Sogar „gemeingefährlich“ sei es, wenn selbsternannte „okkulte Detektive“ sich einmischten.
Der französische Arzt Charles R. Richet forschte systematisch auf dem Gebiet der Parapsychologie; vor allem untersuchte er spiritistische Sitzungen, war aber auch der erste, der die statistische Methode 1895 in die Parapsychologie eingeführt hat. 1919 wurde in Frankreich das Institut Métapsychique International gegründet. Die ersten Forschungen fanden statt mit dem Medium Franek Kluski, dem nachgesagt wurde, Tiere und menschliche Formen materialisieren zu können. In den Niederlanden wurde 1920 die Studievereiniging voor Psychical Research gegründet, die ab 1921 die Zeitschrift Mededeelingen der Studievereiniging voor Psychical Research (MSPR) herausgab. 1928 begründeten Paul Dietz, Wilhelm Heinrich Carl Tenhaeff und Emil Wegelin die unabhängige Tijdschrift voor Parapsychologie (TP).
Die Ära J. B. Rhine
1911 wurde die Stanford-Universität zur ersten akademischen Institution in den Vereinigten Staaten, in der außersinnliche Wahrnehmung und Psychokinese im Labor erforscht wurden. 1930 wurde die Duke-Universität in Durham zur zweiten größeren akademischen Institution, die sich um die Erforschung von außersinnlicher Wahrnehmung und Psychokinese im Labor bemühte. Unter der Anleitung des Psychologen William McDougall und mit Hilfe anderer, darunter die Psychologen Karl Zener, Joseph B. Rhine und Louisa E. Rhine, begann die Laborforschung zur außersinnlichen Wahrnehmung. Als Versuchspersonen wurden freiwillige Studenten herangezogen. Im Gegensatz zu den Ansätzen der SPR und der ASPR, die versuchten, durch qualitative Belege die Existenz paranormaler Phänomene zu bekräftigen, stützte man sich an der Duke-Universität auf quantitative Methoden. In Zenerkarten-Tests zum Nachweis außersinnlicher Wahrnehmung und Würfelversuchen zum Nachweis von Psychokinese wurden Ergebnisdaten erhoben, die dann mit Hilfe standardisierter statistischer Methoden ausgewertet werden konnten. Diese Verfahren wurden später von Forschern in der ganzen Welt übernommen.
Durch Rhines Buch Neuland der Seele („New Frontiers of the Mind“) im Jahre 1937 wurde die Laborforschung in Durham in eine breite Öffentlichkeit getragen. Rhine...