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Stimme von Fuß bis Kopf

Ein Lehr- und Übungsbuch für Atmung und Stimme nach der Methode Atem-Tonus-Ton

AutorMaria Höller-Zangenfeind
VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl196 Seiten
ISBN9783706557115
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
'... Ich möchte allen, die auf stimmlicher Entdeckungsreise sind, 'Stimme von Kopf bis Fuß' wärmstens empfehlen!' Eine Leserin, Amazon Die von Maria Höller-Zangenfeind entwickelte Methode Atem-Tonus-Ton zielt nicht nur auf einzelne Aspekte des 'Schönsprechens' oder des unmittelbaren Sprechapparats ab, sondern sie stellt den gesamten Körper in den Mittelpunkt: Mit speziellen Übungen wird dieser als Resonanzraum und als Basis stimmlicher und persönlicher Entwicklung begriffen und ausgebildet. Diese langjährigen theoretischen und praktischen Erfahrungen werden nun erstmals in einem Buch zusammengefasst.

Maria Höller-Zangenfeind zählt zu den renommiertesten Atemtherapeutinnen. Seit über 20 Jahren bildet sie BerufskollegInnen aus, unterrichtet in Schulen und hält im gesamten europäischen Raum und darüber hinaus in Amerika und Japan Seminare.

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Leseprobe

5.   Atem – weder Mechanik noch Mysterium


Der Atem und seine Bewegungen sind eingeschränkt:

  wenn die Stimme klein, dünn oder monoton klingt

  wenn der Körper angespannt und innerlich eng ist

  wenn es an Selbstsicherheit mangelt

  wenn der Atem kurz und hastig ist

Atem und Stimme


Dass der Atem für die Stimme wichtig ist, „stimmt“ nicht ganz. Die Stimme ist der Atem und zwar der Ausatem. Was wir als Stimme hören, ist bewegte Luft, die der Körper entlässt. Der Kehlkopf besitzt dabei die Funktion eines Ventils. Das Einströmen der Luft bezeichnen wir als Einatmen. Durch feine Einstellungen der Stimmorgane können wir die Luft als Töne in unterschiedlichen Tonhöhen entlassen. Druck- und Sogverhältnisse im Körper sorgen für die Zirkulation der Luft. Dieser Vorgang gehört zur Atmung. Die dadurch zustande kommende Bewegungsenergie hören wir als Stimme. An diesen inneren Bewegungen beteiligen sich außer dem Kehlkopf und der Lunge eine ganze Kette von Muskelgruppen. Ein Teil davon muss die Bewegung als Druckwelle ungehindert durch den Körper lassen, ein anderer Teil der Muskeln wird aktiv tätig.

Es ist also lohnenswert, sich mit dem Atemgeschehen als Ganzes zu befassen. Das Ausströmen der Luft, das wir als Stimme hören, ist das Produkt eines großen energetischen Vorgangs. Es empfiehlt sich also nicht, nur am Endergebnis zu arbeiten, besser ist es, sich auf den gesamten Vorgang einzulassen.

Gesangstechniken und diverse Methoden des Stimmtrainings bekunden die große Wichtigkeit des Atemgeschehens für die Stimme. Erklärungen dafür bleiben jedoch oft genug unbefriedigend. Das mag daran liegen, dass der Atem selbst als Technik weder zu verstehen noch zu praktizieren ist, denn eine Technik lässt sich nur auf die willentlichen Funktionen des Körpers anwenden. Das Atemgeschehen verläuft weitgehend unbewusst, spontan und ist nur geringfügig kontrollierbar. Ein bewusster Umgang mit dem Atem erfordert grundlegende Atem- und Körpererfahrung des Lehrers – auch an sich selbst. Erst mit der Erfahrung wächst das Bewusstsein darüber, dass der Atem mehr ist als eine körperliche Funktion mit dem phonetischen Ergebnis Stimme.

Der Drang, den Atem „wie einen Muskel“ zu trainieren ist verständlich, da im Gesang lange Phrasierungen zu Mangel an Luft führen können. Diese Schwierigkeiten lassen sich beheben. Die Muskeln, die steuerbar sind, kann man dafür bewusst einsetzten. Der Ausatem verlängert sich dann indirekt. Mehr dazu in Kapitel „Tonus“ (Seite 54ff).

Der häufig gezogene Vergleich mit dem Körper als Instrument der Stimme gefällt mir nicht, denn ein Instrument ist nicht autonom. Es braucht einen Musiker der es zum Klingen bringt. Ein Publikum kommt erst dann in Begeisterung, wenn es dem Künstler gelingt, zusätzlich zu seiner virtuosen Spieltechnik, den Klang des Instruments zu beseelen. Die menschliche Stimme zeigt im Gegensatz zum Instrument in der Sprache ebenso wie im Gesang alle Stimmungen und Verstimmungen ganz unmittelbar.

Weil eine Atemtechnik den Menschen einschränkt, sollte man sie nur in Ausnahmefällen anwenden. Denken Sie an Wassersportler wie Schwimmer und Taucher, die eine ausgefeilte Atemtechnik anwenden, um kein Wasser schlucken zu müssen. Schnellkraftsportler entlasten ihren Kehlkopf, indem sie während der Bewegung die Luft ausstoßen. Atemtechniken können auch bei schweren Erkrankungen der Atemwege die Not lindern. Wird der Atem für den Gesang benutzt und zweckgebunden trainiert, so bleibt ein wertvoller Anteil der künstlerischen Person unterdrückt. Gesunde Menschen fühlen sich durch eine Atemtechnik eingeschränkt und verbauen sich damit den Zugang zu den kreativen Kräften.

Um die Kreativität des Schülers aus dem Atem heraus zu fördern, beengt man ihn besser weder mit einer Technik noch mit einer starren Methode. Doch wie kann der Lehrer den Atem des Schülers positiv unterstützen?

Ein Armmuskel lässt sich beispielsweise trainieren, nimmt die Befehle aus dem Gehirn entgegen, wiederholt die Bewegung ganz nach Anweisung. So bekommt der Muskel mehr Spannung und je nach Trainingsintensität auch Zuwachs an Muskelgewebe. In den Trainingspausen entspannt er sich, doch bleibt er stets unter Kontrolle.

Mit dem Atem gelingt so ein Training kaum. Für kurze Zeit können wir den Atem kontrollieren. Denken wir nicht mehr an ihn, geht er seinen eigenen Weg. Er lässt sich nicht gerne erziehen.

Ein Mensch kann sich in gesunder Weise entwickeln, und einen guten und ökonomischen Atemverlauf gewinnen, wenn seine Lehrer ihm zusehen, zuhören und dabei so lassen wie er ist. Der Schüler möchte vielleicht besser singen oder Flöte spielen lernen. Weil er diesen Wunsch hegt, ist er motiviert, regt sich bereits ein Keim künstlerischer Gestaltung. In diesen vielleicht noch verdeckten Qualitäten oder Fähigkeiten möchte er abgeholt, entdeckt, beachtet und respektiert werden. Um sich zu zeigen, braucht er eine vertrauensvolle Atmosphäre. Wird er so, wie er ist, respektiert und bekommt er Zuspruch und Bestätigung des Lehrers, beflügelt dies den Atem und damit auch die Stimme. Damit ist eine gute Basis für erfolgreiche Lernschritte geschaffen, die in die Kunst des Gesangs hineinführt und die sich an den Qualitäten des Schülers orientiert.

Mit dem Atem kommt der Schüler besonders gut voran, wenn der Lehrer zum Suchenden wird. Der Schüler ist bereits der Wissende. Er weiß in der Tiefe um seine eigenen Fähigkeiten, doch kann er sie allein nicht zum Vorschein bringen.

Von Seiten des Lehrers ist Offenheit, Einfühlung und Interesse am Schüler gefragt. Hinlauschen und entgegennehmen ist erforderlich, denn jeder Mensch atmet anders, und warum sollte ein Schüler exakt wie sein Lehrer atmen, wie der Lehrer singen, wie der Lehrer musizieren müssen?

Sänger und Musiker, die bereits ein Bewusstsein über ihre Virtuosität besitzen, suchen bei ihrem Lehrmeister den feinen Schliff. Atem- und Körpererfahrung lässt sich zur Förderung bei solchen fortgeschrittenen Schülern anwenden.

Was ist richtiges, was ist falsches Atmen?


Über das richtige Atmen hört man viel Oberflächliches. Und es kursieren die unterschiedlichsten Meinungen. Da heißt es, Bauchatmung sei gut, Hochatem sei schlecht und langsames Atmen besser als schnelles Atmen. Durch die Nase solle man am besten einatmen und durch den Mund ausatmen; den Einatem tief hereinholen und den Ausatem kräftig auspusten usw.

Vergessen Sie am besten alles, was Sie je darüber gehört haben. Alles, was man heute über das Atemgeschehen weiß, ist, dass es für jeden Menschen so einmalig ist wie die eigene Biografie. Jeder Gedanke, jedes Gefühl wirkt auf das Atemgeschehen. Der Atem zeigt, ob Sie eine Tätigkeit verrichten, die Sie erfüllt oder anödet. Ob Sie ein anregendes Gespräch führen oder einen langweiligen Small Talk über sich ergehen lassen. Der Atem reagiert seismografisch auf alles, was Sie erfahren und erleben. Deshalb lässt sich dieses lebendige Geschehen nicht in Schubladen von richtig oder falsch stecken. Der Atemzustand ist ein Spiegel der aktuellen Lebenssituation, der Tagesform und der Biografie. Aber sicher lässt er sich verbessern, optimieren und erweitern.

Da unsere Atemfunktion autonom und meist unbewusst abläuft, aber auch durch willentlichen Einfluss steuerbar ist, kommt es häufig zu Konfusionen. Mit dem Willen kann man dieses sensibel reagierende Geschehen am wenigsten regulieren, und wenn, dann nur so lange, wie man an seinen Atem denkt.

Große Verwirrung herrscht bei den Begriffen Atmung und Atembewegung. Gelegentlich hört man Menschen sagen, sie spürten Atmung in den Füßen und den Beinen oder dem Becken. Das kann nicht sein. Nicht der Atem, sondern die Atembewegung breitet sich im ganzen Körper aus, und das kann man spüren. Atembewegung ist real spürbar. Auch die einströmende und ausströmende Luft ist bei Beachtung klar zu spüren. Was die Lungenbläschen mit der Luft machen, können wir nicht mehr spüren. Die Umwandlung des gasförmigen in materiellen Stoff und umgekehrt wird in jedem Atemzug vollzogen. Mit der Wandlung des Stoffes kommen wir in Bereiche, die seelische und geistige Ebenen einbeziehen. Das muss man nicht unbedingt mystisch sehen. Doch Atem als Element der Wandlung und als Bindeglied des materiellen Körpers und der spirituellen Existenz ist ein zentrales Thema in Mythen und Religionen.

Die lebenserhaltende Funktion


Atmung ist der Gasaustausch, der in den Lungen stattfindet. Dort wird sauerstoffreiche Einatemluft aufgenommen. Die Lungenbläschen geben den Sauerstoff an das Blut ab. Kohlendioxyd aus dem Blut strömt mit der Ausatemluft aus. Biologen nennen diesen Vorgang: äußere Atmung.

Das Blut trägt den Sauerstoff zu den Zellen, die ihn für ihren Stoffwechsel benötigen, und nimmt das Abfallprodukt Kohlendioxyd aus den Geweben auf, um es wiederum zur Lunge zu transportieren. Das ist die innere Atmung.

Damit dieser Vorgang zustande kommt, ist Bewegung nötig,...

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