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Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird auftreten können

Die transzendentalen Hauptfragen: Wie ist reine Mathematik möglich? + Wie ist reine Naturwissenschaft möglich? + Wie ist Metaphysik überhaupt möglich?

AutorImmanuel Kant
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl126 Seiten
ISBN9788026866534
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird auftreten können' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Folgende Fragen stehen im Zentrum: Wie ist reine Mathematik möglich? - Kant entwickelt seine Lehre von der transzendentalen Idealität von Raum und Zeit. Kurzgefasst besagt diese, dass Raum und Zeit nicht real, d. h. nicht unabhängig vom Menschen existieren: Sie stellen vielmehr die Grundbedingung aller sinnlichen Erfahrung dar, sind gewissermaßen eine Art Linse oder Brille, mit der wir auf die unerkennbare Wirklichkeit der Dinge an sich blicken. Wie ist reine Naturwissenschaft möglich? - Gedanken der Transzendentalen Analytik der Kritik der reinen Vernunft: steht hier nun das Erkennen des Verstandes im Mittelpunkt. Wie ist Metaphysik überhaupt möglich? - Stark gekürzte Version der Transzendentalen Dialektik aus der Kritik der reinen Vernunft. Als zentrales Erkenntnisorgan wird hier die Vernunft im engeren Sinne thematisiert. Während Sinnlichkeit und Verstand unsere Erkenntnis der Natur konstituieren, dient die Vernunft dieser als Regulativ, indem sie uns anleitet, ein Ganzes aller möglichen Erkenntnisse anzustreben. Immanuel Kant (1724-1804) war ein deutscher Philosoph der Aufklärung. Kant zählt zu den bedeutendsten Vertretern der abendländischen Philosophie. Kant veröffentlichte 1783 die Prolegomena, die allgemeinverständlich in die kritische Philosophie einführen sollen.

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Leseprobe

Vorerinnerung von dem Eigentümlichen aller metaphysischen Erkenntnis


§ 1
Von den Quellen der Metaphysik

Wenn man eine Erkenntnis als Wissenschaft darstellen will, so muß man zuvor das Unterscheidende, was sie mit keiner andern gemein hat, und was ihr also eigentümlich ist, genau bestimmen können; widrigenfalls die Grenzen aller Wissenschaften ineinander laufen, und keine derselben ihrer Natur nach gründlich abgehandelt werden kann.

Dieses Eigentümliche mag nun in dem Unterschiede des Objekts, oder der Erkenntnisquellen, oder auch der Erkenntnisart, oder einiger, wo nicht aller dieser Stücke zusammen, bestehen, so beruht darauf zuerst die Idee der möglichen Wissenschaft und ihres Territorium.

Zuerst, was die Quellen einer metaphysischen Erkenntnis betrifft, so liegt es schon in ihrem Begriffe, daß sie nicht empirisch sein können. Die Prinzipien derselben, (wozu nicht bloß ihre Grundsätze, sondern auch Grundbegriffe gehören,) müssen also niemals aus der Erfahrung genommen sein: denn sie soll nicht physische, sondern metaphysische, d. i. jenseit der Erfahrung liegende Erkenntnis sein. Also wird weder äußere Erfahrung, welche die Quelle der eigentlichen Physik, noch innere, welche die Grundlage der empirischen Psychologie ausmacht, bei ihr zum Grunde liegen. Sie ist also Erkenntnis a priori, oder aus reinem Verstande und reiner Vernunft.

Hierin würde sie aber nichts Unterscheidendes von der reinen Mathematik haben; sie wird also reine philosophische Erkenntnis heißen müssen; wegen der Bedeutung dieses Ausdrucks aber beziehe ich mich auf Kritik d. r. V. Seite 712 [B 740] u. f.) wo der Unterschied dieser zwei Arten des Vernunftgebrauchs einleuchtend und gnugtuend ist dargestellt worden. Soviel von den Quellen der metaphysischen Erkenntnis.

§ 2
Von der Erkenntnisart, die allein metaphysisch heißen kann

a) Von dem Unterschiede synthetischer und analytischer Urteile überhaupt

Metaphysische Erkenntnis muß lauter Urteile a priori enthalten, das erfordert das Eigentümliche ihrer Quellen. Allein Urteile mögen nun einen Ursprung haben, welchen sie wollen, oder auch ihrer logischen Form nach beschaffen sein wie sie wollen, so gibt es doch einen Unterschied derselben, dem Inhalte nach, vermöge dessen sie entweder bloß erläuternd sind, und zum Inhalte der Erkenntnis nichts hinzutun, oder erweiternd, und die gegebene Erkenntnis vergrößern; die erstern werden analytische, die zweiten synthetische Urteile genannt werden können.

Analytische Urteile sagen im Prädikate nichts als das, was im Begriffe des Subjekts schon wirklich, obgleich nicht so klar und mit gleichem Bewußtsein gedacht war. Wenn ich sage: Alle Körper sind ausgedehnt, so habe ich meinen Begriff vom Körper nicht im mindesten erweitert, sondern ihn nur aufgelöset, indem die Ausdehnung von jenem Begriffe schon vor dem Urteile, obgleich nicht ausdrücklich gesagt, dennoch wirklich gedacht war; das Urteil ist also analytisch. Dagegen enthält der Satz: einige Körper sind schwer, etwas im Prädikate, was in dem allgemeinen Begriffe vom Körper nicht wirklich gedacht wird, er vergrößert also meine Erkenntnis, indem er zu meinem Begriffe etwas hinzutut, und muß daher ein synthetisches Urteil heißen.

b) Das gemeinschaftliche Prinzip aller analytischen Urteile ist der Satz des Widerspruchs

Alle analytische Urteile beruhen gänzlich auf dem Satze des Widerspruchs, und sind ihrer Natur nach Erkenntnisse a priori, die Begriffe, die ihnen zur Materie dienen, mögen empirisch sein oder nicht. Denn, weil das Prädikat eines bejahenden analytischen Urteils schon vorher im Begriffe des Subjekts gedacht wird, so kann es von ihm ohne Widerspruch nicht verneinet werden, ebenso wird sein Gegenteil in einem analytischen, aber verneinenden Urteile notwendig von dem Subjekt verneinet, und zwar auch zufolge dem Satze des Widerspruchs. So ist es mit denen Sätzen: "Jeder Körper ist ausgedehnt" und "kein Körper ist unausgedehnt" (einfach) beschaffen.

Ebendarum sind auch alle analytische Sätze Urteile a priori, wenngleich ihre Begriffe empirisch sind, z. B. Gold ist ein gelbes Metall; denn um dieses zu wissen, brauche ich keiner weitern Erfahrung, außer meinem Begriffe vom Golde, der enthielte, daß dieser Körper gelb und Metall sei: denn dieses machte eben meinen Begriff aus, und ich durfte nichts tun, als diesen zergliedern, ohne mich außer demselben wornach anders umzusehen.

c) Synthetische Urteile bedürfen ein anderes Prinzip, als den Satz des Widerspruchs

Es gibt synthetische Urteile a posteriori, deren Ursprung empirisch ist; aber es gibt auch deren, die a priori gewiß sind, und die aus reinem Verstande und Vernunft entspringen. Beide kommen aber darin überein, daß sie nach dem Grundsatze der Analysis, nämlich dem Satze des Widerspruchs allein nimmermehr entspringen können; sie erfordern noch ein ganz anderes Prinzip, ob sie zwar aus jedem Grundsatze, welcher er auch sei, jederzeit dem Satze des Widerspruchs gemäß abgeleitet werden müssen; denn nichts darf diesem Grundsatze zuwider sein, obgleich eben nicht alles daraus abgeleitet werden kann. Ich will die synthetischen Urteile zuvor unter Klassen bringen.

1) Erfahrungsurteile sind jederzeit synthetisch. Denn es wäre ungereimt, ein analytisches Urteil auf Erfahrung zu gründen, da ich doch aus meinem Begriffe gar nicht hinausgehen darf, um das Urteil abzufassen, und also kein Zeugnis der Erfahrung dazu nötig habe. Daß ein Körper ausgedehnt sei, ist ein Satz, der a priori feststeht, und kein Erfahrungsurteil. Denn ehe ich zur Erfahrung gehe, habe ich alle Bedingungen zu meinem Urteile schon in dem Begriffe, aus welchem ich das Prädikat nach dem Satze des Widerspruchs nur herausziehen und dadurch zugleich der Notwendigkeit des Urteils bewußt werden kann, welche mir Erfahrung nicht einmal lehren würde.

2) Mathematische Urteile sind insgesamt synthetisch. Dieser Satz scheint den Bemerkungen der Zergliederer der menschlichen Vernunft bisher ganz entgangen, ja allen ihren Vermutungen gerade entgegengesetzt zu sein, ob er gleich unwidersprechlich gewiß und in der Folge sehr wichtig ist. Denn weil man fand, daß die Schlüsse der Mathematiker alle nach dem Satze des Widerspruches fortgehen, (welches die Natur einer jeden apodiktischen Gewißheit erfordert), so überredete man sich, daß auch die Grundsätze aus dem Satze des Widerspruchs erkannt würden, worin sie sich sehr irreten; denn ein synthetischer Satz kann allerdings nach dem Satze des Widerspruchs eingesehen werden, aber nur so, daß ein anderer synthetischer Satz vorausgesetzt wird, aus dem er gefolgert werden kann, niemals aber an sich selbst.

Zuvörderst muß bemerkt werden: daß eigentliche mathematische Sätze jederzeit Urteile a priori und nicht empirisch sind, weil sie Notwendigkeit bei sich führen, welche aus Erfahrung nicht abgenommen werden kann. Will man mir aber dieses nicht einräumen, wohlan, so schränke ich meinen Satz auf die reine Mathematik ein, deren Begriff es schon mit sich bringt, daß sie nicht empirische, sondern bloß reine Erkenntnis a priori enthalte.

Man sollte anfänglich wohl denken: daß der Satz 7 + 5 = 12 ein bloß analytischer Satz sei, der aus dem Begriffe einer Summe von Sieben und Fünf nach dem Satze des Widerspruches erfolge. Allein, wenn man es näher betrachtet, so findet man, daß der Begriff der Summe von 7 und 5 nichts weiter enthalte, als die Vereinigung beider Zahlen in eine einzige, wodurch ganz und gar nicht gedacht wird, welches diese einzige Zahl sei, die beide zusammenfaßt. Der Begriff von Zwölf ist keinesweges dadurch schon gedacht, daß ich mir bloß jene Vereinigung von Sieben und Fünf denke, und, ich mag meinen Begriff von einer solchen möglichen Summe noch so lange zergliedern, so werde ich doch darin die Zwölf nicht antreffen. Man muß über diese Begriffe hinausgehen, indem man die Anschauung zu Hülfe nimmt, die einem von beiden korrespondiert, etwa seine fünf Finger, oder (wie SEGNER in seiner Arithmetik) fünf Punkte, und so nach und nach die Einheiten der in der Anschauung gegebenen Fünf zu dem Begriffe der Sieben hinzutut. Man erweitert also wirklich seinen Begriff durch diesen Satz 7 + 5 = 12 und tut zu dem ersteren Begriff einen neuen hinzu, der in jenem gar nicht gedacht war, d. i. der arithmetische Satz ist jederzeit synthetisch, welches man desto deutlicher inne wird, wenn man etwas größere Zahlen nimmt; da es denn klar einleuchtet, daß, wir möchten unsern Begriff drehen und wenden, wie wir wollen, wir, ohne die Anschauung zu Hülfe zu nehmen, vermittelst der bloßen Zergliederung unserer Begriffe die Summe niemals finden könnten.

Ebensowenig ist irgendein Grundsatz der reinen Geometrie analytisch. Daß die gerade Linie zwischen zweien Punkten die kürzeste sei, ist ein synthetischer Satz. Denn mein Begriff vom Geraden enthält nichts von Größe, sondern nur eine Qualität. Der Begriff des Kürzesten kommt also gänzlich hinzu, und kann durch keine Zergliederung aus dem Begriffe der geraden Linie gezogen werden. Anschauung muß also hier zu Hülfe genommen werden, vermittelst deren allein die Synthesis möglich ist.

Einige andere Grundsätze, welche die Geometer voraussetzen, sind zwar wirklich analytisch und beruhen auf dem Satze des Widerspruchs, sie dienen aber nur, wie identische Sätze, zur Kette der Methode und nicht als Prinzipien, z. B. a = a, das Ganze ist sich selber gleich, oder (a + b) > a d. i. das Ganze ist größer als sein Teil. Und doch auch diese selbst, ob sie gleich nach bloßen Begriffen gelten,...

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