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E-Book

Heiliger Raum

Sakrale Architektur und die Schaffung »Heiliger Räume« heute

AutorStefan Brönnle
VerlagNeue Erde
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783890601823
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Kultplätze, Tempel, Kirchen - heilige Räume und sakrale Bauten begleiten die Menschheit seit ihrem Beginn. Was die Heiligkeit der Räume ausmacht, wie die unterschiedlichen Kulturen ihr Ausdruck verliehen und welcher Techniken sie sich bedienten wird in diesem Buch umfassend und kompetent dargelegt; und es wird beschrieben, wie jeder von uns heute sich ebenfalls einen »heiligen Raum« erschaffen kann.

Stefan Brönnle, Dipl. Ing. Landespflege (Landschaftsplanung) mit Schwerpunkt Landschaftsökologie, Diplomarbeit zum Thema »Spiritualität und Landschaft«. Langjährige Beschäftigung mit Religionswissenschaften. Ausbildung in Radiästhesie, Taijiquan, Technical Remote Viewing sowie verschiedenen Wahrnehmungstechniken. 1993 Gründung der Schule für Geomantie »Hagia Chora«. 2006 Gründung der Schule für Geomantie »INANA«. Stefan Brönnle ist Inhaber des Büros für geomantische Planung er analysiert, plant und gestaltet Grundstücke und Gärten nach ganzheitlichen geomantischen Kriterien (Geomantie, Feng Shui, Standortastrologie, u.a.). Seit 2011 ist er Dozent an Der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf im Fach »Geomantie und Feng Shui in der Landschaftsarchitektur«.

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Leseprobe

Mythologische Grundlagen sakraler Architektur


Vom Himmelsraum zum gebauten Raum


Noch bevor es gebaute Tempel gab, erlebte der Mensch den Raum der Landschaft. In den Elementen erfuhr er die Kraft des Göttlichen. Er nahm die Bewegungen des Himmelsgewölbes wahr, den Wechsel der Jahreszeiten der Erde, der mit ihnen in Übereinstimmung war. Er sah die Veränderungen der Pflanzen im Zyklus des Werdens und Vergehens und das Verhalten der Tiere. Und er erkannte den Wechsel des Wassers, die Zeiten, in denen mehr oder weniger Regen fiel, in denen Flüsse anschwollen und Tümpel austrockneten. Die Elemente der Landschaft wurden zu Symbolträgern des heiligen Lebens auf der Erde. Diese Elemente sind die Pflanzen, das Wasser und der Stein. Heilige Orte zeichnen sich überproportional häufig durch die Kulmination dieser drei Elemente aus, und sie fanden ihren Weg in die Symbolsprache der Tempel verschiedenster Kulturen. Beim Bau der ersten heiligen Räume waren Wasser, Stein und Pflanze präsent. Durch ihre, wenn auch später oft nur noch symbolische Präsenz im sakralen Raum war sich der Mensch des Segens der Erde gewiß. Die Erde, die Große Göttin, mußte auch präsent sein, wenn der Mensch sich eigene heilige Räume erschuf. So schrieb Seneca (Epist. 41,3):

Erblickst du einen Hain von dichtstehenden, alten, über die gewöhnliche Höhe aufragenden Bäumen, wo die Masse des über- und durcheinander sich erstreckenden Gezweiges den Anblick des Himmels ausschließt, dann gibt der riesige Baumwuchs, das Geheimnis des Ortes und die Bewunderung des im offenen Feldes so dichten und zusammenhängenden Schattendunkels dir das Gefühl von der Gegenwart einer Gottheit. Und wenn eine Grotte mit tief ausgefressenem Felsgestein sich in einen Berg hinein erstreckt, keine künstliche, sondern durch natürliche Ursachen zu solcher Weite ausgehöhlt, so wird sie dein Gemüt mit der Ahnung von etwas Höherem ergreifen. Wir verehren die Ursprünge großer Flüsse; wo ein gewaltiger Strom plötzlich aus dem Abgrund hervorbricht, stehen Altäre, heiße Quellen haben ihren Gottesdienst, und manche Seen werden wegen ihres dunklen oder unermeßlich tiefen Wassers für heilig gehalten.

Der heilige Baum

Ein Ausdruck der Lebendigkeit der Erde sind die Pflanzen. Sie wachsen, gedeihen, tragen Frucht, sterben und ziehen sich in die Erde zurück, um daraus neu geboren zu werden. So wurde die Pflanze, allen voran natürlich der Baum, zu einem Ausdruck für das Leben und letztendlich für die Göttlichkeit selbst. Zahllose Verehrungen heiliger Bäume künden davon: Gott erschien Moses als brennender Dornbusch (2. Mose, 3,2) und unter einer Eiche erfährt Abraham, daß er Stammvater eines großen Volkes werden soll (1. Mose 12, 6-8). Die Ägypter hielten die Feige Sykomore für den Sitz von Göttern. Im Schintoismus gilt der Sakakistrauch als heilig, und unter einem Baum erfuhr Buddha die Erleuchtung.

Vornehmlich tritt uns der Baum in drei Aspekten entgegen:

• als Symbol des Lebens, des Werdens und Vergehens

• als menschengleiches Wesen

• als axis mundi (Weltenachse)*

Als Lebensbaum steht der Baum mitten im Paradies. Im Frühjahr verkörpern früh treibende Pflanzen wie die Weide die Kraft der Natur und der Wiedergeburt. Man schmückt sie oder schlägt mit ihnen das Vieh, um ihre Fruchtbarkeit zu übertragen. Auch der Maibaum ist ein solches Lebens- und Fruchtbarkeitssymbol.

Als menschengleiches Wesen wird der Baum zur »Wurzel« der Menschheit selbst: In der Edda entstehen der Mann aus einer Esche und die Frau aus einer Ulme, auch bei den Sioux-Indianern werden die Menschen aus Bäumen erschaffen und im mixtekischen Mexiko entsteht das erste Menschenpaar aus einem gespaltenen Baum. So schreibt C. G. Jung in »Der philosophische Baum«: »Der Baum ist sozusagen eine Wandlungsform des Menschen, indem er einerseits aus dem Urmenschen hervorgeht und andererseits zum Menschen wird.«

Als axis mundi, als Himmel, Erde und Unterwelt verbindende Weltenachse, erleben wir den Baum im germanischen Weltenbaum Yggdrasil oder in der Bhagavad Gita als »Umgekehrten Baum«, der im Geistigen wurzelt. Für die Azteken ist die Krone des Weltenbaumes die Milchstraße, und die Tartaren stellten sich den Weltenbaum als Birke vor.

In der sakralen Architektur wird der Baum buchstäblich zur tragenden Säule. In der Gotik werden die Säulen – einem Buchenhallenwald ähnelnd – wie der Weltenbaum zu Trägern des (Himmels-)Gewölbes. Das christliche Kreuz wird selbst zum Lebensbaum. Im Kloster Zwettl im österreichischen Waldviertel ist das Kreuz, der Gründungslegende des Klosters folgend, als Eichenbaum mit Blättern ausgestaltet. Der Sage nach habe hier mitten im Winter eine grüne Eiche gestanden. Das christliche Auferstehungssymbol vermischt sich mit dem alten Symbol des Lebensbaumes.

In der Michaelskirche in Bamberg ist das Gewölbe über und über mit Pflanzen bemalt. Jede Pflanze steht dabei in einem genauen symbolischen Bezug zum Ort, an dem sie sich befindet. So ist das Gewölbe des Chores in vier Felder geteilt. Im Westen des Chores steht die Pampelmuse, deren früherer Name »Adamsapfel« war, und im Osten die Passionsblume, die den Opfertod Christi symbolisiert. So ist im Chor über die Symbolik der Pflanzen der Weg von Adam, dem ersten Menschen, zu Jesus, dem Erlöser, nachgezeichnet. Da sich die Pflanzen am Gewölbe befinden, sind sie symbolisch gesehen »himmlische Pflanzen«, die ähnlich wie der »Umgekehrte Baum« in der Bhagavad Gita ein geistiges Prinzip auf die Erde bringen. Hier stehen die Pflanzen als menschengleiches Wesen (z. B. Adam oder Christus) und als Weltenachse im sakralen Raum. Am häufigsten finden wir jedoch den Baum als Archetyp der Weltenachse oder Weltensäule (axis mundi) im heiligen Raum wieder. Hier steht sie meist in Bezug zur Mitte. Dazu unten mehr.

Das heilige Wasser

80 % aller Wallfahrtsstätten Österreichs sollen einer Angabe zufolge an Orten mit heiligen Quellen und Wassern liegen.* Im Zentrum des Paradieses steht nicht nur ein Baum. Hier entspringen auch dem Mythos zufolge die vier großen Ströme Geon, Phison, Euphrat und Tigris. Und auch der Weltenbaum Yggdrasil besitzt an seinen Wurzeln den heiligen Urdarbrunnen. Die Symbolik des Wassers ist dabei geprägt von seiner Eigenschaft, Stoffe lösen zu können und in sich aufzunehmen, sowie natürlich durch die Grundlage unserer Existenz: Menschen bestehen bis zu 80 % aus Wasser. So zeigt sich das Wasser wiederum in drei Symbolkomplexen:

• das Wasser der Reinigung

• das Wasser als Sitz von Göttern und Geistern

• das Wasser als Fruchtbarkeitssymbol

Daß das Wasser mit Fruchtbarkeit in Beziehung steht, ist offensichtlich. Erst wenn in einer Gegend Wasser verfügbar war, konnte sich der Mensch dort niederlassen. Zu Ostern, dem christlichen Auferstehungsund dem alten Fruchtbarkeitsfest der Göttin Ostara, werden in Süddeutschland Brunnen mit Eiern (ebenfalls Auferstehungs- und Fruchtbarkeitssymbole!) und Blumen geschmückt. Frau Holle hütet am Grunde des Frau Holle-Teichs auf dem Hohen Meißner bei Eschwege die ungeborenen Kinder und schenkt sie Frauen, die darum bitten. Auch der Brunnen auf der Löwenburg bei Bad Honnef oder das Wasser des Queckbrunnens bei Dresden sollen reichen Kindersegen bescheren.

Mit dem Wasser verbundene Reinigungsriten gibt es zahlreiche, seien es die Waschungen im heiligen Ganges, der schintoistische Reinigungsritus Misogi, die Reinigungen der eleusischen Weihungen im saronischen Golf, die Totenwaschungen in zahlreichen Kulturen oder letztendlich auch die christliche Taufe, die von der »Erbsünde« befreit.

Doch Wasser löst nicht nur, es trägt auch Kräfte in sich. Properz verdankte so seine Inspiration dem Wasser der Aganippe, das Wasser der Musen in Delphi sollte poetische und prophetische Kräfte verleihen. Im Wasser wohnten Gottheiten wie die erwähnte Frau Holle (ein Abbild der Großen Göttin), der römische Quellgott Fons oder die keltische Göttin Sulis, die z. B. in Bath/Südengland von den Römern als »Sulis Minerva« verehrt wurde.

Da das Wasser in zahllosen religiösen Reinigungs- und Weiheriten eine Rolle spielt, ist es bei nahezu jedem Sakralbau präsent. Der Dom von Paderborn soll auf 80 (!) Quellen ruhen und die Kathedrale von Chartres auf 40. Im Weihwasser- und Taufbecken ist es in jeder christlichen Kirche präsent. Auch in islamischen Moscheen gehört es mit zur rituellen Gestaltung des Sakralbaues. Die im Wasser gelöste, innewohnende göttliche Kraft soll sich auf den spirituell Suchenden übertragen. In St. Wolfgang bei Dorfen ist die alte Quelle, die der Heilige Wolfgang höchstselbst aus der Erde »geschlagen« haben soll, noch heute unter dem Altar vorhanden, und das Wasser kann dort geschöpft werden (Abbildung 1).

Abb. 1: Quelle am Altar der St....

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