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E-Book

Pause

Tue weniger, erreiche mehr

AutorAlex Pang
VerlagArkana
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783641182526
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Die faszinierende Wissenschaft der Pause.
Albert Einstein kannte sie, Charles Darwin und auch Thomas Mann: die Kunst, Pausen richtig zu nutzen! Denn alle drei arbeiteten täglich nicht länger als vier bis sechs Stunden und leisteten doch Herausragendes auf ihren jeweiligen Gebieten. Anhand dieser und vieler weiterer historischer Beispiele sowie aktueller Ergebnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen weist der bekannte als Gastwissenschaftler an der Stanford University tätige Autor Alex Pang eindrucksvoll nach: Pausen sind ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsprozesses, die richtig genutzt kreativer und produktiver machen. Sie sind keineswegs bloße 'Ruhezeiten', in denen alle Zeichen auf Pause stehen, sondern unbedingt notwendig für das Gehirn, um Informationen zu verarbeiten, einzuordnen und neue Zusammenhänge herzustellen. Wie Pausen zu wahren Krafttankstellen werden, die uns zutiefst erfrischen und unsere Kreativität in Hochform bringen, zeigt uns Alex Pang am Beispiel vieler unterschiedlicher Formen: Nickerchen, Morgen-Routinen, Zeiten des spielerischen Zeitvertreibs, körperliche Betätigung, Sabbaticals und viele andere mehr. Mit bahnbrechenden Ideen und vielen praktischen Tipps lädt die faszinierende Wissenschaft der Pause dazu ein, durch weniger mehr zu erreichen.



Alex Soojung-Kim Pang arbeitet im Silicon Valley im Bereich der Managementberatung und ist Gastwissenschaftler an der Stanford University im Fach History and Philosophy of Science. Sein Interesse gilt dem Schnittpunkt von Menschen, Technologien und den Welten, die sie kreieren. Neben zahlreichen fachwissenschaftlichen Artikeln veröffentlichte er 2013 'The Distraction Addiction'. Als gefragter Redner bereist die ganzen USA sowie England.

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Leseprobe

Das Problem des Ausruhens

»Erst in der jüngeren Geschichte sind wir auf ›Schwerarbeit‹ eher stolz, als uns ihrer zu schämen.«

Nassim Nicholas Taleb

In seinem 1897 erschienenen Buch Regeln und Ratschläge zur wissenschaftlichen Forschung warnte der Neurologe Santiago Ramón y Cajal angehende junge Wissenschaftler, dass ihnen bei dem Versuch, Neues zu entdecken, zwei große Hindernisse im Weg stehen würden.

Erstens sei die Wissenschaft ein wirtschaftliches und politisches Machtinstrument geworden, und das Wachstum der Wissenschaftsgemeinde sowie die über Fachjournale, Tagungen und Zeitungen beschleunigte Kommunikation innerhalb der Gemeinde habe die Wissenschaft insgesamt schneller gemacht und den Konkurrenzdruck erhöht. Wissenschaftler könnten es sich kaum noch leisten, »sich über längere Zeit auf ein und denselben Gegenstand zu konzentrieren« oder sich tiefschürfenden Gedanken hinzugeben »in der Stille ihres Arbeitsraums, sicher, dass kein Rivale ihre beschaulichen Betrachtungen stören würde«. Man müsse jetzt ein hohes Tempo anschlagen, um im allgemeinen Konkurrenzkampf mitzuhalten. »Forschung hat etwas Hektisches bekommen«, mahnte er, und das bedeute, dass hastige, oberflächliche Wissenschaft – und die in Massen – drauf und dran sei, langsame, gründliche und tiefschürfende Arbeit zu verdrängen.

Zweitens würden die meisten Wissenschaftler davon ausgehen, dass viel Zeitaufwand nötig sei, um etwas Großes zu leisten, und dass »eine Flut von Vorlesungen, Artikeln und Büchern« tiefe Erkenntnisse auslösen würde. Auch aus diesem Grund akzeptierten sie die Beschleunigung in den Wissenschaften: Sie glaubten, dass ihre eigene Wissenschaft dadurch besser werden würde. Aber diese Arbeitsweise führte aus Ramón y Cajals Sicht dazu, dass nur noch seichte, leicht zu beantwortende Fragen gestellt wurden, statt wirklich beinharter, grundlegender Fragen. Das erzeuge einen Anschein von Gründlichkeit und das Gefühl, es werde etwas zustande gebracht, doch tatsächlich führe es nicht zu bedeutenden Entdeckungen.

Obwohl Regeln und Ratschläge zur wissenschaftlichen Forschung aus dem Jahr 1897 stammt, ist es heute noch lesenswert. Ramón y Cajal war einer der Begründer der modernen Neurowissenschaft. Er arbeitete mit an dem Beweis, dass das Nervensystem aus vielen Zellen besteht; er entwickelte Färbetechniken, mit denen man die Neuronen, die signalübermittelnden Axone und Dendriten zwischen den Neuronen sowie die sternförmigen Gliazellen besser untersuchen konnte. (Die Begriffe »Neuron«, »Axon« und »Dendrit« wurden zwischen 1889 und 1896 geprägt, als der 1852 geborene Ramón y Cajal selbst noch ein junger Forscher war.) Er war ein hochbegabter Illustrator, und seine Zeichnungen des Gehirns werden nach wie vor zu Lehrzwecken verwendet. Während seiner fünfzigjährigen Berufslaufbahn veröffentlichte er gut 300 Artikel und Einzeldarstellungen über Themen, die von der Neurowissenschaft über das öffentliche Gesundheitswesen bis hin zu Science Fiction reichten. Wenn jemand, der so Außerordentliches geleistet hat, die Stimme erhebt, sollten wir ihn zumindest anhören.

Ramón y Cajals Diagnose der Probleme, vor die sich Forscher gestellt sehen, bleibt aktuell. Das moderne Leben lässt uns keine Zeit mehr zum Ausruhen – diese Klage ist so alt wie das moderne Leben selbst, und nach über einem Jahrhundert wird man auch heute noch in jedem Hörsaal Kopfnicken ernten, wenn man Ramón y Cajals Ansicht wiederholt, Wissenschaftler seien gezwungen, Quantität über Qualität zu stellen, Arbeitsüberlastung sei die Norm und das Tempo im Wissenschaftsbetrieb lasse kaum noch echtes Engagement und ernsthaftes Nachdenken zu. Und seine Schlussfolgerung, die galoppierende Oberflächlichkeit sei ebenso auf äußere und strukturelle wie auf innere und gesellschaftliche Kräfte zurückzuführen, kann uns heute noch helfen zu verstehen, weshalb wir uns so schwertun, den Wert der Ruhepause zu erkennen und ihr den gebührenden Platz in unserem Leben einzuräumen.

Dass Arbeit und Ruhe gegensätzliche und konkurrierende Prinzipien seien, erscheint uns heute als völlig logisch, aber es ist eben eine dieser Vorstellungen, bei denen es sich in Wahrheit um historische Artefakte handelt. Vor dem 18. Jahrhundert waren Arbeit und Rast noch nicht so scharf voneinander abgegrenzt. Der Arbeitsplatz und das Zuhause gingen vielfach ineinander über: In vorindustrieller Zeit hatten Handwerker ihren Arbeitsplatz häufig im Haus, Kleinbauern holten im Winter das Vieh ins Haus. Gelehrte und Lehrer gaben daheim Unterricht, Lehrlinge wohnten im Haus des Meisters. Die Arbeitszeiten waren flexibler und »aufgabenabhängig«, wie es der Arbeitshistoriker E. P. Thompson formuliert, und viele Handwerker arbeiteten nur gerade so viel wie nötig, um ihren Grundbedarf zu decken.

Diese Verhältnisse wurden im 18. und 19. Jahrhundert von der Industriellen Revolution auf den Kopf gestellt. Jetzt waren die Fabrik und das Büro die Orte, an denen »echte« Arbeit geleistet wurde, während das Zuhause zunehmend reiner Wohnsitz war, wo man sich entspannen und von der Arbeit erholen konnte. (Männer mochten das Zuhause wohl als Rückzugs- und Erholungsort sehen, solange sie dort nicht zu arbeiten hatten; für Frauen sah das natürlich ein wenig anders aus.) Als sich die Arbeiterbewegung für kürzere Arbeitszeiten, bezahlte Urlaubstage und arbeitsfreie Feiertage starkmachte, trug sie, ohne es zu wollen, zu der Einschätzung bei, Arbeit und Freizeit seien Gegensätze, um die man feilschen müsse, die man erkämpfen oder verlieren könne.

Das Grundmuster der industriellen Arbeit mitsamt ihren ungeprüften Annahmen über Arbeit und Erholung wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts von Dienstleistern, Fachkräften und Verwaltungen übernommen. Das moderne Büro sollte wie ein Apparat funktionieren, der die Kopfarbeit rationalisiert und organisiert, und die Arbeitszeiten der Fabriken wurden einfach kopiert. Das Modell ist aber für kreative Industriezweige unzulänglich, da Produktivität und Qualität hier, wie gesagt, sehr schwer zu messen sind. In der Fabrik und auf dem Feld kann man am Abend auf handfeste Produkte deuten, aber wo die »Produkte« ungreifbar sind und Projekte sich über Jahre hinziehen können, lässt sich schwer von Tag zu Tag einschätzen, wie viel Sie oder Ihre Mitarbeiter leisten.

Man kann jedoch sehen, und das natürlich besonders gut in modernen Großraumbüros, wer beschäftigt wirkt, wer engagiert wirkt, wer mit Begeisterung zu arbeiten scheint. In der Folge werden Servicemitarbeiter und Fachkräfte nicht allein für geleistete Arbeit, sondern auch für die »Darbietung« von emsiger Beschäftigung entlohnt. Das ist schon lange so, aber mit dem Aufstieg von Unternehmen, die rund um den Globus und rund um die Uhr operieren, gibt es immer mehr Gelegenheit für die Darbietung von Geschäftigkeit, vor allem durch die massenhafte Einführung mobiler digitaler Geräte, mit denen man jederzeit und überall arbeiten kann, sodass einem die Arbeit überallhin folgt und der Arbeitgeber jederzeit weiß, was man am Arbeitsplatz und anderswo treibt. Mit diesen Gerätschaften lässt sich alles messen und feststellen – nur eben nicht, wann es genug ist mit der Arbeit, wann es Zeit wird, die Apparate auszuschalten und uns selbst auszuklinken. Flexible Arbeitszeiten laufen gern darauf hinaus, dass die Arbeit dräuend über unserer gesamten Zeit schwebt, nicht als ein Pensum, das man in Portionen über den Tag verteilt, sondern als eine Flut, die unser Leben vollkommen durchtränkt. Im modernen Büro ist alles Bühne, nirgendwo ein nicht von Kameras abgedeckter Winkel – und so hört die Darbietung nie auf.

Storys von Unternehmensberatern, die E-Mails so terminieren, dass sie mitten in der Nacht versandt werden, oder von Mitarbeitern, die ihre Übermüdung wie eine Medaille zur Schau tragen, sind nur das Update eines alten Problems. William James notierte 1899, viele Amerikaner seien »der jämmerlichen Angewohnheit« der Überarbeitung und generellen Überforderung verfallen, was »die Häufigkeit und Schwere unserer gesundheitlichen Einbrüche« erhöhe. Ein anonymer Autor schrieb 1913 in der Singapurer Straits Times: »Unser gegenwärtiges Zeitalter neigt zu geistiger Überarbeitung und der Erschöpfung der Gehirnkräfte.« Zwei Jahre später befand Bertie Charles Forbes, der moderne Industrielle »arbeitet mehr als jeder seiner Arbeiter«, und der Bankier »ist früher im Büro und leistet mehr Arbeit – anspruchsvolle geistige Arbeit – als irgendwelche anderen Leute in dieser nervenaufreibenden Sparte«. Um solche Männer, schloss er, beneide die Welt Amerika, aber sie »begehen Selbstmord durch Überarbeitung«.

Seit den 1970er Jahren sorgen mehrere Kräfte im Verbund dafür, dass das Problem der Arbeitsüberlastung sich ausweitet. Der Dienstleistungssektor hat in den westlichen Wirtschaften drastisch expandiert, während die Zahl der Beschäftigten im Fertigungsbereich zurückgeht. Den Niedergang der Gewerkschaften und den Abbau des Arbeitsschutzes haben Arbeitgeber für Forderungen nach längeren Arbeitszeiten genutzt, während der globale Konkurrenzkampf, schwindende Arbeitsplatzsicherheit und stagnierende Einkommen (verbunden mit steigenden Immobilienpreisen, vor allem in beliebten Städten) die Beschäftigten zwingen, sich noch mehr ins Zeug zu legen, um ihre Arbeit behalten zu können. Die Unternehmen bauen im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen und der »Neugestaltung von Geschäftsprozessen« Arbeitsplätze ab, sodass sich die verbleibenden Mitarbeiter mit einer höheren Arbeitsbelastung abfinden müssen. Untergeordnete Arbeitsbereiche werden an Selbstständige und Subunternehmer »outgesourct«, die nichts...

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