VOM WESEN DES BIERES
BRAUZUTATEN & AROMENVIELFALT
IM GRUNDE IST BIER EIN EINFACH HERZUSTELLENDES ALKOHOLISCHES GETRÄNK: GETREIDE IN WASSER ZUM KEIMEN BRINGEN; DAS GEKEIMTE KORN DARREN, ZU MALZ SCHROTEN UND UNTER ZUGABE VON HOPFEN KOCHEN; DEN SUD FILTERN, ABKÜHLEN LASSEN UND MITHILFE VON HEFE GÄREN LASSEN.
WASSER + MALZ + HOPFEN + HEFE = BIER
Hinter diesem eigentlich simplen Grundprinzip stecken komplexe alchemistische Vorgänge. Ganz so einfach ist die Gleichung nicht umzusetzen, denn Geschmack und Charakter eines Bieres werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst.
So führt etwa der Einsatz größerer Malzmengen zu einem höherem Zuckergehalt des unvergorenen Bieres, (der sogenannten Würze), was zu einem höheren Alkoholgehalt oder einer größeren Restsüße führen kann. Eine Hopfengabe zu Beginn des Kochens wird den Bitterkeitswert des Bieres erhöhen, eine Hopfengabe am Ende der Kochzeit dem Bier mehr Aromen verleihen. Vergärt man die Würze mit untergärigen Hefestämmen bei kühleren Temperaturen, wird untergäriges Lagerbier gebraut, beim Einsatz anderer Hefesorten und wärmerer Temperaturen obergäriges Bier wie Pale Ale – und das sind nur einige der zahlreichen Entscheidungen, die ein Brauer treffen muss, denn es gilt noch viele weitere Dinge zu klären: Soll das Bier nach deutschem Reinheitsgebot nur aus Malz, Hopfen, Hefe und Wasser gebraut werden? Sollen zu einem bestimmten Zeitpunkt Gewürze zugesetzt oder Zucker für die Nachgärung beigefügt werden? Soll das Aromenspektrum eine Zitrusnote aufweisen, einen Hauch tropischer Früchte oder eine nussige Würze? Soll das Bier dunkel, kräftig und malzig oder hell, schlank und hopfig sein? Gefiltert, naturtrüb, im Fass gereift oder in der Flasche vergoren? Und damit wäre die Checkliste noch lange nicht zu Ende.
All das stellt den Biertrinker vor die Frage, was genau ihn bei einem bestimmten Bier erwartet, dessen Etikett ihm nur knappe Informationen liefert. Die Grundinformation ist der Bierstil (freilich nur so weit, wie sich die Brauerei an die Konventionen hält). Auch die Brauweise verrät einiges über die Qualitäten eines Bieres, angefangen bei der Malzsorte bis hin zur Temperatur, bei der das Bier vergoren wird. Aber niemand muss Brauwesen studieren, um in der Lage zu sein, sich für einen bestimmten Bierstil zu entscheiden – eine kurze Einführung sollte genügen. Beginnen wir einfach mit den Grundzutaten – und zwar mit der prozentual größten, dem Wasser.
Die Verwendung selbstklebender, von Hand aufgebrachter Etiketten ermöglicht es kleinen Brauereien wie Harbour Brewing in Cornwall, ihr Flaschenbier kostengünstig zu vertreiben.
3
Die sich selbst als »extrem« bezeichnenden Köpfe hinter BrewDog führen die britischen Craft-Bier-Stile und das Marketing in bisher unbekannte Höhen.
WASSER
Über das Wasser, aus dem Bier zu 90–96 Prozent besteht, machen sich nur wenige Bierliebhaber Gedanken. Kaum einer tut das, kein Grund also für ein schlechtes Gewissen.
WASSER IST DER WICHTIGSTE UND ZUGLEICH NEBENSÄCHLICHSTE BESTANDTEIL VON BIER.
Da Wasser einen relativ neutralen Geschmack hat, kann man seinen Einfluss auf das, was der normale Biertrinker an Aromen im Bier ausmachen kann, als vernachlässigbar betrachten. Für den Brauer hingegen ist die Zusammensetzung des Brauwassers von herausragender Bedeutung, denn es bestimmt grundsätzlich den Charakter seines Bieres. Die Beschaffenheit des Wassers ist sogar so wichtig, dass diesem Thema ganze Abhandlungen gewidmet wurden. Worauf es ankommt, ist der Gehalt an im Wasser gelösten Mineralien. Die Summenformel (H2O) definiert Wasser grundsätzlich als Molekülverbindung aus je einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen, aber Kalk- oder Salzgehalt des Wassers beeinflussen die Struktur und den Geschmack. Je nach Beschaffenheit des Bodens oder der städtischen Wasserwerke weist Wasser ganz spezielle Eigenschaften auf, und diese wiederum haben Einfluss darauf, wie gut es sich als Brauwasser für einen bestimmten Bierstil eignet.
Heutzutage können die Brauereien ihr Wasserprofil relativ leicht an den jeweiligen Bierstil anpassen, was natürlich nicht immer so einfach war. Früher siedelten sich die Brauereien daher gerne in der Nähe von besonders gut zum Brauen geeigneten Quellen an.
Früher war die Zusammensetzung des Trinkwassers am Brauereistandort entscheidend für den Geschmack eines Bieres. Heute können die Brauereien durch entsprechende Techniken das Wasserprofil künstlich verändern.
In England war einer dieser Brennpunkte des Braugewerbes das mittelenglische Städtchen Burton-upon-Trent, das lange als Hochburg der Pale Ales galt. Es verdankt seinen Platz in der Braugeschichte dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren, wobei das Vorkommen artesischer Quellen in dieser Region einer der wichtigsten war. Das mineralsalzhaltige Quellwasser eignete sich besonders gut zum Brauen der in England beliebten »Bitters «. Das ging so weit, dass in Burton schließlich Dutzende Brauereien existierten, obwohl es nur ein paar Tausend Einwohner hatte. Die stark gehopften, aromatischen Biere aus Burton wurden derart geschätzt, dass noch heute einige Brauereien ihr Wasser »burtonisieren«, also mit Mineralsalzen wie Calcium- oder Magnesiumsulfat versetzen. Dieses Wasserprofil gilt bei vielen Brauern als ideal für die Herstellung von Bitters und India Pale Ales (IPAs).
Umgekehrt kommen die blumigen, sanften Geschmacksnoten des Saazer Hopfens durch das weiche Wasser Böhmens besonders gut zur Geltung, was das feine und duftig leichte tschechische Pilsner auszeichnet. Diesem speziellen Stil eifern Brauereien auf der ganzen Welt nach und demineralisieren deshalb vielerorts ihr Brauwasser. Für den privaten Biertrinker und Hobbybrauer sind jedoch weit wichtiger als bestimmte Wasserprofile sicherlich die übrigen Zutaten.
Die britische Purity Brewing Co. in Warwickshire »recycelt« ihr Wasser auf den angrenzenden Feuchtwiesen.
MALZ & HEFE
MALZ ist die Grundzutat beim Bierbrauen. Um Getreide in Malz zu verwandeln, werden die Körner in Wasser eingeweicht, bis sie keimen (Grünmalz). Durch den Keimvorgang entstehen im Korn Enzyme, die später für den Stärke- und Eiweißabbau während des Brauens wichtig sind, denn sie sorgen beim Kochen für die Umwandlung der Stärke in vergärbaren Zucker. Dann wird die Keimung der Körner durch Erhitzen und Trocknen beendet, was den Geschmack des Bieres maßgeblich beeinflusst. Durch das »Darren« entsteht helles Malz, das als Basis beim Brauen dient. Es liefert vergärbare Mehrfachzucker wie Maltose und sorgt für einen leicht süßlichen Geschmack.
Zur Malzherstellung verwendet man meist zweireihige Gerste (so bezeichnet aufgrund ihrer zweireihigen Fruchtstände). Sie wird in großen Silos gelagert, die (von Kleinstbrauereien abgesehen) zur Grundausstattung jeder Brauerei gehören. Malz kann aber auch aus Weizen, Roggen, Hirse und anderen Getreidesorten hergestellt werden.
Helles Malz kann durch Rösten zu speziellen Malzsorten weiterverarbeitet werden, die man zur Herstellung bestimmter Bierstile benötigt. Die dadurch erzielten Farbtönungen des Malzes (und der Biere) reichen von hell (wie leicht getoastetes Weißbrot) über hellbraun und karamell bis dunkelbraun und schwarz. Wenn ein bernsteinfarbenes Lagerbier Toffee- oder Karamellaromen aufweist, liegt das an karamellisiertem Malz. Stößt man in einem Porter oder Stout auf Kaffeenuancen, sind sie meist schwarz geröstetem Malz oder unvermälzter Röstgerste zu verdanken, die als Geschmacksergänzung zugesetzt werden. Schmeckt das Bier rauchig, wurde es vermutlich mit Malz gebraut, das nicht indirekt, sondern über offenem Holzfeuer gedarrt wurde.
Außer für die unterschiedlichsten Geschmacksnuancen ist das Malz für die Farbe des Bieres verantwortlich – es sei denn, es wurden noch Früchte oder Karamell beigegeben. Die Farbe hat nichts mit Kalorien- oder Alkoholgehalt eines Bieres zu tun, beide werden weitgehend von der für die Gärung verfügbaren Zuckermenge bestimmt. Den größten geschmacklichen Einfluss nimmt Malz in Kombination mit Hefe.
Gerste liefert Zucker für die Gärung. Dazu muss sie eine Zeit lang keimen und in Malz umgewandelt werden.
HEFE bewirkt die Bildung von Alkohol und Kohlendioxid – ohne Hefe käme es zu keiner Gärung. Lange Zeit wusste man in der Geschichte des Brauens nicht, wodurch die Gärung ausgelöst wurde, man wusste nur, dass sie etwas bewirkte. Die bayerischen Brauer schöpften vom Gärbottich einen Schaum ab, den sie als »Gottesgut« bezeichneten. Sie wussten, dass man ihn wieder als Gärmittel einsetzen konnte, aber nicht, warum das so war. Und die Brauer des Altertums hatten sicherlich ähnliche Erfahrungen gemacht.
1876 war es Louis Pasteur gelungen, Hefe zu isolieren und von anderen Mikroorganismen zu trennen, die den Geschmack des Bieres verderben konnten. Das führte schließlich zu der Erkenntnis, dass zum Brauen gezielt zwei Hefefamilien eingesetzt werden können, die zwei unterschiedliche Bierarten erzeugen:
Als Brauhefen dienen generell Zuckerhefen der Gattung Saccharomyces. Sie umfassen verschiedenste Arten von Hefen, von denen hauptsächlich Saccharomyces cerevisiae und Saccharomyces...