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E-Book

Scrum Think big

Scrum für wirklich große Projekte, viele Teams und viele Kulturen

AutorBoris Gloger
VerlagCarl Hanser Fachbuchverlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl238 Seiten
ISBN9783446448131
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR

- Vor welchen Herausforderungen steht das Management großer Projekte?
- Wie sinnvoll sind agile Skalierungsschablonen?
- Welche Voraussetzungen sollten für eine erfolgreiche Skalierung erfüllt sein?
- Welche Skills brauchen Mitarbeiter in agilen Projekten?
- Wie wird aus einem Projekt eine fraktal skalierte Organisation?
Viele Mitarbeiter an vielen Standorten sollen gemeinsam ein Projekt agil abwickeln - was ist dabei zu berücksichtigen? In kleinen Teams hat sich Scrum als Weg für erfolgreiche Produktentwicklung längst etabliert, doch jetzt geht es um andere Dimensionen. Unter dem Druck der Digitalisierung beginnen selbst Großkonzerne, die Erfahrungen aus agilen Pilotprojekten auf immer größere Teile der Organisation zu übertragen. Agile Skalierungsframeworks versprechen schnelle und einfache Lösungen, diese vorgefertigten Strukturen führen aber nicht zum eigentlichen Ziel: dem agilen Unternehmen.
Boris Gloger beschreibt in diesem Buch einen anderen Weg, der auf seinen eigenen Erfahrungen basiert. Bei der Skalierung von Scrum geht es nicht um die Multiplikation einer Methode, sondern um einen neuen Blick auf das große Projekt als fraktal skalierte Organisation. Gefragt sind entkoppelte Produktarchitekturen, das konsequente Denken aus der Sicht des Kunden, das Projektmanagement-Office als umsichtiger ScrumMaster, die Lust auf frische Skills, gestützt von modernen Infrastrukturen. Und schließlich braucht es eine Führung, die ihre wichtigste Aufgabe darin sieht, Zusammenarbeit über alle Ebenen hinweg zu ermöglichen.
AUS DEM INHALT//
Die Umfeldbedingungen des Skalierens // Kommunikations- und Produktarchitektur // Die passende Infrastruktur // Skills und Professionalität // Produktentwicklung // Good Practices für das skalierte Scrum-Projekt // Die fraktal skalierte Organisation

Boris Gloger ist in der DACH-Region der bekannteste Proponent von Agilität. An seinen Ideen zum agilen Management orientieren sich nationale und internationale Unternehmen, die er mit den Teams der borisgloger consulting GmbH durch tiefgreifende Transformationen lotst.

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Leseprobe
2Architektur

Die Architektur eines Produkts ist die erste und wichtigste Voraussetzung für eine gelungene Skalierung. Es ist die Architektur, durch die sich ein Produkt vergrößern und erweitern lässt, genau so kann sie das Wachstum des Produkts oder Projekts behindern. Teams können durch die Architektur zu Bottlenecks werden oder sie kann Teams dazu bringen, unabhängig voneinander zu arbeiten. Die Skalierung eines Projekts wird also vom Rahmen bestimmt, den die Architektur vorgibt. Architektur ist immer auch Projektstruktur und beeinflusst dadurch die Kommunikation und Interaktion. Ich werde Ihnen in diesem Kapitel nicht sagen, wie eine skalierbare Architektur aussehen muss. Ich liefere Ihnen also keine Blaupausen, sondern architektonische Muster, die Sie in jedem Projekt anwenden können ‒ auch in nichtagilen Projekten.

Mein erster Job nach dem Studium führte mich zu Electronic Data System (EDS). Auf einem Mainframe entwickelten mein Entwicklungsteam und ich unter Cobol eine Applikation, mit der Gut- und Lastschriften für die Fahrzeuge eines Automobilkonzerns erstellt werden konnten. Die erfahrenen Entwickler erzählten mir vom Frontend, vom Backend und einer sogenannten „Three Tier Architecture“. Ich lernte, logische und physische Datenmodelle zu unterscheiden, und ich erfuhr, dass man auch objektorientiert statt prozedural programmieren kann. Mein damaliges Entwicklungsteam machte mich mit Business Modelling vertraut und kurz darauf begann der große Hype: Internet. Ich lernte etwas Wesentliches: Das eigene System sollte modular entwickelt werden und über Interfaces mit anderen Systemen arbeiten. Die Module mussten so geschrieben werden, dass sie vollkommen autark von allen anderen Systemen funktionieren konnten. Und das alles noch auf einem Mainframe. Später sprachen wir auf den ersten agilen Entwicklerkonferenzen von emergenten Software- und Systemarchitekturen, also von Architekturen, die erst im Laufe der Zeit entstehen. Eigentlich wächst ein System also, aber wie sollte das gehen: Ich selbst hatte noch gelernt, dass man ein Datenbankmodell nicht einfach ändern kann, es wäre ein zu großer Aufwand. Diese Annahme war auch korrekt. Zumindest in der Toollandschaft der 1990er-Jahre.

Ende 1999 war Extreme Programming noch weitgehend unbekannt und auch fünf Jahre später hatte noch immer kaum jemand verstanden, wie man das machen sollte, was sich Kent Beck da ausgedacht hatte. Doch die Ideen klangen verlockend und vor allem klangen sie logisch. Es war das Thema auf Konferenzen und einige Softwareentwickler schrieben begeistert Tests. Aber es flammten auch die ersten Glaubenskriege auf: Braucht man nun eine Architektur oder entwickelt sie sich emergent? Und dann hörten wir von Conway's Law (Conway 1968): „Organizations which design systems [. . .] are constrained to produce designs which are copies of the communication structures of these organizations.“

2.1Architektur als Ergebnis der Kommunikationsstruktur

In den Entwürfen von Systemen spiegelt sich laut Melvin Conway also die Kommunikationsstruktur einer Organisation wider. Wenn man sich genauer damit auseinandersetzt, was Conway geschrieben hatte, wird klar, warum viele Softwaresysteme so komplex sind, wie sie es eben sind. Zunächst bauen einzelne Abteilungen jeweils ihr System, danach werden die Einzelsysteme miteinander verbunden. Allerdings passiert das oft nicht so, wie ich es in meinem ersten Team gelernt habe: über klar definierte Schnittstellen und nach genauen Absprachen zwischen den Abteilungen. Vielmehr gibt sich jede Abteilung einfach mit dem zufrieden, was sie bekommen kann und strickt ihre eigene Applikation um. Ein Beispiel: Ein Unternehmen baute ein System, das man als Middleware bezeichnen kann. Bei vielen großen Kunden ist dieses System seit mehr als einem Jahrzehnt im Einsatz. Heute hat es aber nicht alle Funktionalitäten, die von den Kunden benötigt werden, weil die Entwickler vor zehn Jahren noch gar nicht wissen konnten, was in den Systemen der Zukunft wichtig sein würde ‒ die Kunden wussten es ja selbst nicht. Als sich der Bedarf der Kunden allmählich änderte, war das Unternehmen zunächst einfach zu langsam und konnte nicht für jeden Kunden sofort die passende Lösung entwickeln. Also bauten die Kunden ihre eigenen Behelfslösungen um die existierende Applikation herum, die sogenannten „Workarounds“. Als das Softwareunternehmen sein Produkt an die Erfordernisse der Kunden anpasste und damit die eigene Architektur änderte, verursachte genau diese Anpassung ein neues Problem: Nun funktionierten die Workarounds nicht mehr. So verrückt es klingt: Der Softwareanbieter baute seine „richtige“ Architektur wieder zurück.

Ein Manager jenes österreichischen Telekommunikationsunternehmens, bei dem ich nach EDS arbeitete, bezeichnete diese Art, Softwaresysteme zu entwickeln, als „Mushroom-Architektur“. Überall schießen Systeme und Applikationen aus dem Boden. Sie sind nicht so elegant miteinander verbunden, dass man leicht weiterentwickeln kann, meistens weiß niemand mehr, wie diese Systeme miteinander verbunden sind. Konsequenterweise beginnen die verschiedenen Systeme irgendwann, völlig unkontrolliert und unerwartet aufeinander zu reagieren. Entwickelt ein Team an einer Applikation weiter, funktioniert plötzlich in einer anderen Applikation etwas nicht mehr, das bisher keine Probleme gemacht hat. Bei diesem Telekommunikationsunternehmen erlebte ich, wie man sich zunächst mit Release-Management behelfen wollte, nur um wenig später zu merken, dass man auch mit dieser Maßnahme dem Komplexitätsproblem nicht beikommen konnte. Ganz im Gegenteil: Alle Prozesse in der Entwicklung wurden noch langsamer. Viele Telekom-Unternehmen starteten daher in den frühen 2000er-Jahren kostspielige Infrastrukturprojekte und versuchten, mit Middleware die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Als Middleware bezeichnet man in der IT-Systemlandschaft jene Systeme oder Programme, die als Datendrehscheibe für alle Applikationen dienen. Gut vergleichbar mit dem Kabelbaum eines Autos, nur viel komplizierter.

Diese Middleware sollte es also richten. Sie sollte das Chaos der Applikationen und Programme, der Datengräber und Fehlplanungen entwirren. Aber sie tat es nicht. Die Systeme wurden immer nur komplexer und die Projekte teurer und teurer. Aus meiner heutigen Sicht wurde dabei die wichtigste Voraussetzung des Aufräumens nicht erfüllt: Wer aufräumt, muss auch wegwerfen. Wer alles Alte aufhebt, kann nicht umbauen oder renovieren und schon gar nicht für die Zukunft planen. Der Ballast, den man mit sich herumschleppt, wird ständig größer, schwerer und unübersichtlicher. Genau das passiert bei vielen Softwareprogrammen in Unternehmen: Anstatt alles, was nicht mehr verstanden wird, einfach auszumisten, werden Applikationen am Leben erhalten ‒ weil man nicht mehr weiß, was sie genau tun.

Aufräumen, wegwerfen und dann: miteinander reden

Aber ich will die aufräumenden Softwareentwickler in Schutz nehmen. Niemand will für das Aufräumen bezahlen, denn Projekte sind Investitionen. Wie soll man den Aktionären klarmachen, dass ständig aufgeräumt werden muss? Das Aufräumen als eine Investition in die Zukunft zu verstehen, fällt vielen schwer. Man bekommt auf den ersten Blick ja nichts dafür, außer einem aufgeräumten System, das eigentlich schon aufgeräumt sein sollte. Aufräumen kostet Arbeit, Zeit und meist auch ein wenig Geld.

In vielen Unternehmen sind die Architekturen der Systeme und Programme so miteinander verwachsen, dass es so gut wie unmöglich scheint, sie wieder aufzulösen und zu entwirren. Sieht man sich Conway's Law noch einmal genauer an, wird deutlich, warum das passieren muss: Die Informationsstrukturen in einem Unternehmen ändern sich schneller, als man sie mit Hilfe von Software nachbilden kann. Ändert sich nun die Informationsstruktur der Realität (des Business) und werden zum Beispiel dezentrale Abteilungen und Prozesse zentralisiert, müsste sich das unterstützende Softwaresystem sofort mitändern. Genau das kostet aber sehr viel Geld, das man nicht jedes Mal ausgeben will, wenn sich innerhalb der Organisation etwas ändert.

Das gilt nicht nur für Software. Auch Hardwareprodukte werden nicht unabhängig von den Informationsstrukturen entworfen, entwickelt und gebaut ‒ in diesem Fall sind es die Lieferantenstrukturen. Aus meinen Beobachtungen ziehe ich den Schluss, dass die Abhängigkeiten im Hardwarebereich sogar noch stärker sind. Deshalb ist es so wichtig, mit den richtigen Lieferanten zu arbeiten und Schnittstellen nicht nur am Anfang der Zusammenarbeit, sondern regelmäßig abzustimmen und gegebenenfalls zu testen, um Änderungen zu erlauben. Wird etwas gemeinsam entwickelt, das beide Seiten der Lieferkette gut beherrschen, ist das meistens kein Problem. Doch wehe, wenn die Lieferkette dysfunktional aufgesetzt wurde und nicht über Dinge geredet wird (manchmal aus seltsamen Gründen auch nicht geredet werden darf), über die unbedingt miteinander geredet werden müsste. Ich habe auch schon erlebt, dass Kunden die fehlende Kommunikation zwischen den Herstellern und ihren Lieferanten ausbaden müssen.

Abgesehen davon, dass solche Setups an sich dysfunktional sind, ist vollkommen klar, warum so ein Projekt nicht erfolgreich sein kann:

  • Niemand kennt die Architektur des Gesamtprodukts.

  • Niemand hat ein ähnliches Produkt bereits gebaut, aber die Budgets und Deadlines stehen fest.

  • Bei Fehlern kann man sich nicht gemeinsam auf die Suche nach der Ursache machen, denn das wäre eine Grenzüberschreitung. Die Folge: Verzögerungen.

  • Nicht die Teammitglieder, die täglich am Produkt arbeiten, treffen die...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort10
Über den Autor14
1 Die Umfeldbedingungen des Skalierens16
1.1 Hyperspezialisierung20
1.2 Digitalisierung24
1.3 Arbeitsschutzgesetze28
1.4 Professionalität und neue Skills30
1.5 Produktentwicklungszyklen und Projektmanagement32
1.6 Bürokratie und Kontrolle41
1.7 Die Netzwerkorganisation47
1.8 Kapitelausblick49
2 Architektur52
2.1 Architektur als Ergebnis der Kommunikationsstruktur53
2.1.1 Schneller ist besser56
2.1.2 Entkopplung59
2.2 Was ist eine agile Produktarchitektur?62
2.2.1 Microservices – Grundlage flexibler Architektur63
2.2.2 Redundanz und Durchfluss gewährleisten65
2.2.3 Die Einheitlichkeit der Produktarchitektur72
2.2.4 Technologien und Architektur75
2.2.5 Betrieb und Architektur76
3 Infrastruktur78
3.1 Integration ist alles78
3.2 Räume – bauliche Infrastruktur83
3.2.1 Das große Projekt in einem Raum84
3.2.2 Flipcharts, Stifte und Haftnotizen87
3.3 Kommunikationstools88
3.4 Entwicklungstools96
3.5 Zusammenarbeit mit Lieferanten103
3.6 Richtlinien und Policies107
4 Skills und Professionalität112
4.1 Die Skills des Einzelnen115
4.1.1 Selbstmanagement116
4.1.2 Wissen über die Theory of Constraints123
4.1.3 Wissen über neue Formen der Produktentwicklung123
4.1.4 Die Rollen mit den richtigen Fähigkeiten ausfüllen126
Die Skills des ScrumMasters126
Die Skills des Product Owners128
4.2 Die Skills des Entwicklungsteams131
4.3 Die Skills des Managements134
5 Produktentwicklung140
5.1 Agiles Anforderungsmanagement143
5.2 Design Thinking145
5.3 Ein agiler Produktentwicklungsprozess149
6 Good Practices für das skalierte Scrum-Projekt154
6.1 Mythos zentrale Steuerung155
6.1.1 Steering Committee und Projektmanagement-Office156
6.1.2 Das richtige Produkt richtig liefern158
Vertrauen und Erfolg: Im Gehirn des Managers159
6.1.3 Scrum-Teams: gemeinsam für den Return on Investment verantwortlich162
6.2 Theory of Constraints164
6.3 Die Skalierungstoolbox167
6.3.1 Die Meetings167
Das skalierte Daily Scrum oder Scrum of Scrums169
Das ScrumMaster Daily174
Das Product Owner Daily174
Das ScrumMaster Weekly175
Das Product Owner Weekly oder Business Value Estimation Meeting175
Das skalierte Estimation Meeting176
6.3.2 Rollen und Teams176
Das ScrumMaster-Team176
Das Product-Owner-Team177
Die Gilden178
Support-Teams179
6.3.3 Artefakte182
6.4 Agiles Portfoliomanagement184
6.4.1 Wert und Durchfluss190
6.4.2 Constraints und Puffer193
6.4.3 Cost of Delay – Projekte priorisieren194
6.5 Das agile Projektmanagement-Office196
6.6 KPIs und Reporting199
6.7 Marketing für das agile Projekt201
7 Die fraktal skalierte Organisation204
7.1 Wer führt die fraktal skalierte Organisation?208
7.2 Ein Leitfaden für die fraktal skalierte Organisation210
7.2.1 Glaubenssätze und Werte211
7.2.2 Fähigkeiten222
7.2.3 Verhalten230
7.2.4 Umwelt – Kunde, Dienstleister und Regularien231
Schlussendlich: Es fängt mit Ihnen an!234
Literatur238
Index242

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