1. Kapitel
Grundlagen
Wussten Sie, dass Schnupfen die häufigste Krankheit der Menschheit ist? Wenn wir 2 bis 4 Wochen pro Jahr erkältet sind, Kinder noch deutlich mehr, kommt im Leben ganz schön was zusammen. Solche vermeintlich harmlosen grippalen Infekte können sehr lästig und belastend sein und zu schlimmeren Gesundheitsproblemen führen. Auch der volkswirtschaftliche Schaden durch Fehlzeiten ist enorm: Allein in Deutschland geschätzte 30 Milliarden Euro pro Jahr5. Von den Leistungseinbußen durch wenig erholsame Nächte und allgemeiner Mattigkeit gar nicht zu reden. Im Winter 2014/2015 legten üble Erkältungswellen Teile des öffentlichen Lebens lahm, kaum jemand blieb gänzlich verschont. Hochkonjunktur für die Gesundheitsbranche. Medikamente können Schnupfensymptome lindern, aber echte Heilmittel gegen die Erreger gibt es nicht. Allein das Immunsystem kann Schnupfenviren wirksam bekämpfen. Umso wichtiger ist es, auf ein gut funktionierendes Immunsystem zu achten.
Schnupfen, was ist das?
Der gewöhnliche Schnupfen oder grippale Infekt ist eine Viruserkrankung des Nasen- und Rachenraumes inklusive der Nebenhöhlen bis in die Bronchien. Über 200 unterschiedliche, meist mehr oder weniger kugelige Virentypen können einen Schnupfen auslösen, am häufigsten sind Rhinoviren. Üblicherweise verläuft die Erkältung harmlos und heilt in 7-10 Tagen ab. Der gewöhnliche Schnupfen ist auch in wärmeren Regionen verbreitet. Sogar in den Tropen sind viele Menschen „erkältet“.
In unseren Breitengraden bekommen Kleinkinder sehr häufig Schnupfen, bis zu 9mal pro Jahr gilt als normal6. Die Zahl der Erkältungen nimmt dann bis zum Erwachsenenalter ab, bis auf etwa eine Erkältung im Jahr. Ältere Menschen erkranken wieder häufiger. Die Zahl der jährlichen Erkältungen hängt aber sehr stark von der Exposition ab. In Familien mit Klein-, Kindergarten- oder Schulkindern reiht sich oft ein Schnupfen an den anderen, jeweils ausgelöst von verschiedenen Viren. Auch mehrfache Infektionen gleichzeitig kommen vor: Die Symptome fallen dann oft heftiger aus.
Grippale Infekte werden zwar umgangssprachlich oft „Grippe“ genannt, haben aber nichts mit der gefährlichen „echten Grippe“ oder „Virusgrippe“ (verursacht von Influenza-Viren) zu tun, die mit rasch einsetzendem hohen Fieber, Schmerzen, Husten und Schluckbeschwerden einhergeht4. Der allergische Heuschnupfen hingegen verursacht keine erhöhte Körpertemperatur, sehr wässrige Nasensekrete, Juckreiz in Nase und oft auch Augen. Er tritt besonders im Frühjahr und Sommer auf.
Leider kann es auch beim an sich harmlosen gewöhnlichen Schnupfen zu bakteriellen Sekundärinfektionen kommen. Oft sind die verstopften Nebenhöhlen, der Rachen und die Bronchien betroffen, die Sekrete färben sich dann meist grünlich. Zusätzlich belastet jeder grippale Infekt das Immunsystem, und das kann andere Infektionen begünstigen oder deren Ausbruch erst ermöglichen.
Die meisten Erkältungen treten im Winter auf, oft verursacht durch erwähnte Rhinoviren. Trockene Luft in überheizten Räumen reizt die Schleimhäute zusätzlich und begünstigt Ansteckungen. Viele Viren halten sich bei nasskalter Witterung und bei geringer UV-Strahlung länger. Und obwohl Erkältungen nicht direkt durch Kälte bedingt sind, kann Unterkühlung des Körpers oder von empfindlichen Körperteilen (z.B. den Füßen) zur Schwächung des Immunsystems und damit zur Infektion beitragen. Grippale Infekte außerhalb der typischen Erkältungssaison werden zwar oft als „Sommergrippe“ bezeichnet. Sie entstehen aber ebenfalls durch Schnupfenviren. Häufig sind hier so genannte Enteroviren die Übeltäter.
Phasen des Schnupfens
Nach Aufnahme der Viren, meist als Tröpfchen- oder Schmierinfektion, setzen sie sich in den Körperzellen der Schleimhäute fest und vermehren sich. Nach etwa 2 Tagen Inkubationszeit bricht die Krankheit dann aus. Jetzt sind genügend Viren vorhanden, um Symptome hervorzurufen. Meist beginnt es mit dem charakteristischen Kribbeln in der zuschwellenden Nase, bedingt durch eine Entzündung der Nasenschleimhäute (Rhinitis), dem Schnupfen im engeren Sinn. Ein Kratzen im Hals oder Schluckbeschwerden deuten ebenfalls auf eine Infektion hin. Im Falle eines grippalen Infekts breitet der sich oft weiter in den Rachen, Nasen- und Nebenhöhlenraum aus. Der Körper bzw. das Immunsystem reagiert auf die Erreger und bekämpft sie. Erhöhte Temperatur ist eine Abwehrreaktion gegen oft hitzeempfindliche Viren. Zudem verbessert Wärme die Durchblutung; Immunzellen gelangen besser zur Infektion und sind aktiver. Die bei grippalen Infekten so typische Mattigkeit und Abgeschlagenheit mahnt den Menschen zur Ruhe und fördert das Einnehmen einer Schonhaltung während der aufziehenden Infektionskrankheit. Das Immunsystem vollbringt Höchstleistungen und will ungestört seiner Arbeit nachgehen. Nach 2-3 Tagen Bettruhe wäre das Schlimmste meist überstanden. Ideal wäre, sich komplett auszukurieren, bis die Symptome verschwunden sind und man sich wieder fit und leistungsfähig fühlt. Ein solches Verhalten würde „Rückfälle“ vermeiden. Diese sind in der Regel neue Ansteckungen mit anderen Viren oder Infektionen mit Bakterien, begünstigt durch das überlastete Immunsystem.
Doch leider wird diese alte, in der Evolution bewährte Botschaft in unserer hektischen Zeit meist ignoriert. Wer kann oder will sich schon bei jeder Erkältung krankmelden? Trotzdem: Grippale Infekte sind zwar harmlose, aber eben doch Krankheiten, und ansteckend noch dazu. Also schonen Sie sich und Ihre Kollegen, soweit das geht. Und wenden Sie die Techniken dieses Buches an, spätestens am Abend des ersten Erkältungstages!
Tag 2 der Erkältung ist oft der unangenehmste. Verstopfte Nase und Nebenhöhlen, Druckgefühle im Gesicht und an der Stirn, ständiges Niesen, dünnflüssig laufende Nase, Kopf- und Gliederschmerzen: Man fühlt sich krank.
Ab dem 3. Tag wird der Nasenschleim gelblich und beginnt abzugehen. Dies ist der Effekt weißer Blutkörperchen, die die Erreger bekämpfen und gemischt mit abgestorbenem Gewebe und Flüssigkeit als Eiter abfließen. Der Höhepunkt der Erkrankung ist damit zwar überstanden, jedoch dauert es bis zur vollständigen Niederlage der Viren und zum Abheilen der Schleimhäute oft noch ein paar Tage, manchmal sogar insgesamt 2 Wochen. Meist harmlos, aber keine gute Zeit. Eine gelegentliche Folge des entzündeten Rachens und angeschwollener Schleimhäute sind fortdauernder Reizhusten und bakterielle Entzündungen. Der Schnupfen „hört ja gar nicht mehr auf“. Spätestens jetzt ist ein Arztbesuch fällig.
Ein evolutionärer Wettlauf
Wer hat sich, verschnupft wie er war, nicht schon einmal nach dem Sinn des Ganzen gefragt? Aus Sicht der Viren ist die Sache sehr einfach: Man infiziere Wirte, in diesem Fall den Menschen, und verbreite sich so gut es geht in deren Populationen. Da Viren nur parasitär auf Kosten der Wirtszellen leben können, wird der Wirt dabei mehr oder weniger stark geschädigt. Stirbt der Wirt, bevor sich die Viren vermehren und verbreiten konnten, stirbt diese spezielle Virenkolonie aus. Um als Virus überleben zu können, gibt es also mehrere Strategien. Verbreitet sich der Virus sehr effektiv (z.B. Influenza, echte Grippe) oder ist die infizierte Art nur ein Nebenwirt (Beispiel Ebola), kann der Tod des Wirts in Kauf genommen werden. Oder der Virus setzt sich im Wirt fest, ohne ihn zu sehr zu schwächen. Dann kann der Wirt weiterhin Kontakt zu noch nicht infizierten Artgenossen haben und den Virus weiterverbreiten. Letztere Strategie ist die auf lange Sicht erfolgreichere und setzt sich üblicherweise in der Evolution durch, so auch bei der Vielzahl von Schnupfenviren. Sie alle sind mehr oder weniger strikt an „ihre“ Menschen als Reservoir angepasst. Wir Menschen werden sozusagen seit Urzeiten als mobile Brutkästen benutzt — und deshalb lassen uns die Heerscharen verschiedener Schnupfenviren am Leben.
Schnupfenviren sind nicht nur gut an uns Menschen angepasst, sondern optimierten (durch Selektion) ständig ihre Infektionsfähigkeit in unserer speziellen Umwelt und tun das natürlich auch in der modernen Gesellschaft. Ihr Gegenspieler ist das menschliche Immunsystem, das die Viren entdeckt und vernichtet, ja regelrecht auffrisst und abbaut. Bisher haben die Viren die Nase vorne. Denn, wie man sieht, vermehren und verbreiten sie sich in immer neuen Subtypen schneller, als dass sie unschädlich gemacht werden. Die Achillesferse des Immunsystems ist also seine relativ langsam aufbauende Abwehrreaktion.
Ein starkes Immunsystem
Allerdings werden nicht alle Menschen einer Population von Schnupfenviren infiziert. Manche hatten bei früheren Infektionen mit demselben Virus-Subtyp bereits spezifische Antikörper gebildet; sie sind (teil)immunisiert. Das Immunsystem reagiert bei erneutem Kontakt schnell genug und dezimiert die Erreger, bevor die Krankheit wieder ausbrechen kann. Das Immunsystem hat sozusagen ein „Gedächtnis“, das man auch bei Impfungen ausnützt. Impfungen gegen die vielen verschiedenen Schnupfenviren gibt es zwar (noch) nicht. Aber manche Menschen sind aus früheren Erfahrungen des Immunsystems heraus schon besser auf Neuinfektionen vorbereitet, als andere. Häufige Erkältungen bei Kindern könnten also durchaus den Sinn haben, das Immunsystem zu trainieren und den Erwachsenen allzu häufige Infekte zu ersparen. Schließlich mussten unsere Vorfahren in der nicht allzu fernen Vergangenheit Mammuts und anderes wehrhaftes Getier jagen gehen. Eine Erkältung kam da wohl genauso ungelegen wie zum Quartalsschluss im Büro.
Natürlich gibt es auch allgemeine individuelle, altersabhängige und situationsbedingte...