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E-Book

Dschihad und Kreuzzugsbewegung

Heiliger Krieg, Politische Pragmatik und Modus Vivendi

AutorMehmet Akyazi
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl92 Seiten
ISBN9783668418592
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Dieses Buch bietet einen Überblick über die Geschichte der Heiligen Kriege bis zum Ende des Dritten Kreuzzuges. Die Sakralisierung von Krieg und Kriegern in der islamischen und christlichen Welt wird vor dem Hintergrund historischer, gesellschaftlicher, sozialer, politischer und individueller Voraussetzungen beleuchtet. Im Hauptteil des Buches dienen diese Voraussetzungen zur Analyse der Geschichte der Kreuzzüge, beginnend mit den ersten Kreuzzugsbewegungen in den Orient (1096) und endend mit dem Waffenstillstand zwischen dem englischen König Richard Löwenherz und Sultan Saladin (1192). Das Werk bietet einen Einblick in die Kreuzzugsgeschichte, insbesondere auch aus der islamischen Perspektive, die oftmals in der modernen Kreuzzugsforschung vernachlässigt wird. Die Kreuzzugsbewegung war allerdings nicht nur ein Anlass für eine Konfrontation zwischen der islamischen und christlichen Welt. Mit der Etablierung von Kreuzfahrerreichen fanden zwangsläufig auch Begegnungen zwischen den beiden Welten statt. In den meisten Fällen stellten sie allerdings lediglich eine erträgliche Form des Zusammenlebens dar (modus vivendi) und oblagen zudem auch der politischen Pragmatik der jeweiligen Herrscher. So werden dem Dschihad und der Kreuzzugsbewegung gewisse Grenzen gesetzt, die sich oftmals von dem heutigen Verständnis von Heiligen Kriegen unterscheiden. Aus dem Inhalt: - Kreuzzug; - Dschihad; - Sakralisierung; - Heiliger Krieg; - Löwenherz; - Saladin

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Leseprobe

1 Einleitung: Begegnung und Konfrontation im Vorderen Orient


 

„Die alten Geschichtsbücher wie die Überlieferungen der Morgenländer berichten uns, daß zu der Zeit als der Kaiser Heraklius das römische Reich regierte, die verderbliche Lehre Muhameds, des Erstgeborenen des Satans, der mit seiner Lüge, daß er ein gottgesandter Prophet sei, die Morgenlande und hauptsächlich Arabien verführte, solche Kraft gewonnen hatte, in sämtlichen Provinzen aber zugleich eine solche Schlaffheit herrschte, daß die Nachfolger des falschen Propheten sich nicht mehr die Mühe nahmen, durch Predigt und Ermahnung zu überzeugen, sondern mit der Gewalt des Schwertes die Völker zum Irrtum zwangen.“[1]

 

Abgesehen von einer Vorrede, die das Werk „historia rerum in partibus transmarinis gestarum“ einleitet, beginnt der Erzbischof Wilhelm von Tyrus (1130-1186) mit diesen Worten seine Geschichte über die Taten jenseits des Meeres. Der Abschnitt bildet einen Teil des Vorspanns, der die Situation im Heiligen Land bis zum Ersten Kreuzzug darstellen soll. Es handelt sich wahrscheinlich um einen summarisch bearbeiteten Abschnitt aus seinem bislang verschollenen Werk über die Geschichte des islamischen Orients.[2] Das abendländische Bild vom Islam war entscheidend von der Ansicht geprägt, dass rücksichtslose Gewalt den Grundzug der islamischen Religion bilde und somit im völligen Gegensatz zur christlichen Religion der Liebe stehe.[3] Mit dem Aufruf zum Ersten Kreuzzug wurde dieses negative Islambild auch in der Politik wirksam.[4] Der Glaube diente den lateinischen Chronisten als das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zum muslimischen Gegner und in vielen Fällen galt der Islam gar nicht als monotheistische Religion, sondern als Heidentum polytheistischer Ausprägung oder sogar als Häresie des Christentums.[5] Einige arabische Chronisten versuchten ein ähnliches Bild vom christlichen Gegner zu zeichnen, denn die sogenannten Franken (ifrandsch oder farandsch) wurden nicht selten als Anhänger eines Irrtums und der Vielgötterei bezeichnet.[6] Vor allem das Gefühl kultureller und religiöser Überlegenheit bestimmte lange das Selbstbild in der islamischen Welt, weswegen man sich bis zum Beginn der Kreuzzüge auch kaum für das in ihren Augen rückständige Abendland interessierte.[7]

 

Nahezu das gesamte Mittelmeer stellte eine große Trennungslinie zwischen den beiden Weltreligionen dar, sodass während der Kreuzzüge die westeuropäische Kenntnis der bewohnten Erde nach Osten hin eine gewaltige Ausdehnung erfuhr.[8] So wurde der Erste Kreuzzug zwar als etwas Neues wahrgenommen, allerdings beruhte das Unternehmen auf einer Reihe von Grundlagen, die oft weit zurückreichen konnten.[9] Die islamischen Länder befanden sich zum Zeitpunkt des Ersten Kreuzzuges in einem Zustand politischer und religiöser Zerstrittenheit und von den frühen arabischen Chronisten wurde der Kreuzzug nicht als ein besonders neues Phänomen wahrgenommen, sondern stand für sie in einen Zusammenhang mit weiter zurückreichenden Angriffen der Christen.[10] Erst in der Mitte des 12. Jahrhunderts erlebte der dschihad-Gedanke eine „Wiedergeburt“, der zunehmend als ideologisches Rüstzeug gegen die Franken diente.[11] Bis dahin kam es nicht nur auf diplomatischer und politischer Ebene zu zeitweiligen Bündnissen, sondern auch zur Verständigung untereinander, allerdings handelte es sich bei dem friedlichen Kontakt zwischen Franken und Muslimen vielmehr um eine Art modus vivendi.[12] Die Vereinigung islamischer Länder, begleitet von einer intensiven Propaganda für einen dschihad oder auch die militärische Unterstützung durch die Kreuzzugsbewegung aus dem Westen konnte die politische Situation im Vorderen Orient entscheidend verändern. Deswegen war die Haltung eines Kreuzfahrers, der sich bereits niedergelassen hatte, nicht unbedingt von einer größeren Toleranz gegenüber dem andersgläubigen Gegner geprägt, sofern man überhaupt solch einen Begriff für das Mittelalter verwenden möchte. Ein wesentlicher Unterschied zu den christlichen Glaubensbrüdern im Westen bestand wohl in der Kenntnis von dem anderen Glauben, da auch außerhalb des Kampfes Begegnungen stattfinden konnten. Ein arabischer Zeitgenosse von solchen Begegnungen mit den Franken im Königreich Jerusalem war Usama ibn Munqid (1095-1188), der auch als Diplomat die Kreuzfahrerreiche bereiste:

 

„Als ich Jerusalem besuchte, war ich oft in der al-Aqsa-Moschee, neben der eine kleine Moschee liegt, die die Franken in eine Kirche umgewandelt hatten. Wenn ich die al-Aqsa-Moschee betrat, in der sich meine Freunde, die Tempelritter, befanden, ließen sie mich in jener kleinen Moschee allein, damit ich dort beten konnte. Eines Tages ging ich wieder dorthin, sprach >Allah ist groß< und stellte mich zum Gebet auf. Da fiel einer der Franken über mich her, packte mich und drehte mein Gesicht nach Osten. >>So mußt du beten!<< sprach er. Gleich eilte eine Gruppe Tempelritter zu ihm, nahm ihn und führte ihn von mir weg. Ich widmete mich wieder dem Gebet. Doch der Franke überrumpelte die Tempelritter, fiel noch einmal über mich her und drehte mein Gesicht wieder nach Osten. >>So mußt du beten!<< rief er. Die Templer kamen zurück und holten ihn hinaus. Dann entschuldigten sie sich bei mir: >>Er ist noch fremd. Erst dieser Tage ist er aus dem Frankenland angekommen. Er hat noch nie jemand gesehen, der nicht nach Osten gewendet betet!<<“[13]

 

Zwar bezeichnet Usama in diesem Beispiel die Tempelritter als Freunde, allerdings änderte das wohl kaum etwas an seiner eigenen Überzeugung. Auch wenn einige Aspekte des islamischen Glaubens den Tempelrittern offenbar nicht mehr fremd waren, so muss das nicht bedeuten, dass hierdurch ein Verständnis für den anderen Glauben erzeugt wurde. So berichtet Usama wenig später von der Unterhaltung zwischen einem Emir und einem Franken, das wie auch sein gesamtes Werk, den arabischen Leser belehren soll. Bei dem folgenden Beispiel werden muslimische Vorstellungen von einem christlichen Polytheismus unmittelbar bestätigt:

 

„Er fragte den Emir: >>Willst du Gott als Knaben sehen?<< Der Emir bejahte. Der Franke ging vor mir her, bis er uns das Bild von Maria und dem Messias – Heil ihm – als Knaben in ihrem Schoß zeigte. >>Das ist Gott als Kind!<< meinte der Franke. Hocherhaben ist Allah über das, was die Ungläubigen da sagen!“[14]

 

Trotz zweier Jahrhunderte persönlicher Kontakte und Erfahrungen mit den Kreuzfahrern wurden die Vorurteile und Einschätzungen der Muslime kaum relativiert, im Gegenteil, außer der Bescheinigung von Kampfesmut und militärischer Tüchtigkeit, sahen sich die Muslime wohl durch eigenen Augenschein und genauere Kenntnis eher bestätigt.[15] Wie kein anderer Kreuzzug hatten aber auch die christlichen Kreuzzüge in das Heilige Land die Selbst- und Fremdbilder des lateinischen Europa geprägt und konfrontierten das Abendland erstmals mit einer dauerhaften Niederlage gegen einen andersgläubigen Gegner, obwohl bislang der Sieg des Kreuzes als gewiss galt.[16] Die Begegnung mit der andersartigen Kultur führte aber weniger zu einem größeren Verständnis, sondern war vielmehr ein Beitrag zur Selbstfindung im Christentum und auch im Islam.[17] Es wurde in der Universalchronistik des lateinischen Europa auch versucht, die Muslime als andersgläubige Gegner zu erfassen, allerdings noch immer in abendländischen Kategorien.[18] Natürlich konnte das Leben im Orient auch das Selbstverständnis des Kreuzfahrers selbst verändern und die oft zitierte Textstelle bei Fulcher von Chartres (1059- 1127) gibt das gewissermaßen wieder, allerdings scheint eben auch der eigene Glaube eine zentrale Rolle bei der Gestaltung des neuen Lebens im Orient zu spielen:

 

„Wir, die wir Abendländer waren, sind Orientalen geworden […] Wir haben schon unsere Geburtsorte vergessen; mehrere von uns wissen sie schon nicht mehr, oder wenigstens hören sie nicht mehr davon sprechen. Manche von uns besitzen in diesem Land Häuser und Diener, die ihnen gehören wie nach Erbrecht; ein anderer hat eine Frau geheiratet, die durchaus nicht seine Landsmännin ist, eine Syrierin oder Armenierin oder sogar eine Sarazenin, die die Gnade der Taufe empfangen hat.“[19]

 

Die Geschichte der Kreuzzüge ist eine Geschichte von Begegnungen und Konfrontationen zugleich. Für den dauerhaften Erfolg im Vorderen Orient waren Heiliger Krieg, politische Pragmatik und modus vivendi unerlässliche Elemente der Herrschaftspraxis. Der vorliegenden Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass diese drei Aspekte, trotz ihrer zeitlichen Begrenzung, bis zum Ende des 12. Jahrhunderts eine wesentliche Rolle für die Gestaltung der Verhältnisse im Vorderen Orient spielten.

 

Die Arbeit beginnt weder mit dem Hilfeersuchen der Byzantiner, noch dem Aufruf zum Kreuzzug in Clermont im Jahr 1095. Zum einen wird die islamische Geschichte dadurch stark vernachlässigt, zum anderen ist der Heilige Krieg das Ergebnis von Entwicklungen, ohne die man ihn lediglich als erschütterndes Ereignis im Mittelalter erfassen kann. Ausgehend von einem weit umspannenden Kriegsbegriff, werden...

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