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E-Book

Der friedvolle Krieger und das Geheimnis der verborgenen Schrift

AutorDan Millman
VerlagAnsata
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783641218782
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der friedvolle Krieger kehrt zurück
Ein verschollenes Schriftstück, das nichts weniger als die tiefsten Geheimnisse der menschlichen Existenz enthüllen soll. Eine Reise durch Licht und Dunkelheit, Triumph und Zweifel - hin zum Erwachen in einer neuen, grenzenlosen Bewusstheit: Die Suche nach dem Tagebuch seines verstorbenen Lehrers Socrates wird für Dan Millman zum größten Abenteuer seines Lebens. Was Dan nicht ahnt: Er ist nicht der Einzige, der alles dafür tun würde, dieses Buch in seinen Besitz zu bringen. So entwickelt sich ein atemberaubender Wettlauf über die Kontinente - von der Abgeschiedenheit der Mojave-Wüste in die Glitzerwelt asiatischer Großstädte, hin zum verbotenen Tempel in den Wäldern Chinas.

Dan Millmans Erfolgssaga begeistert Millionen Leser weltweit. Sie lässt jenes innere Potenzial entdecken, das in jedem von uns steckt: die unendliche Kraft, Weisheit und Genialität des friedvollen Kriegers.

Dan Millman, in jungen Jahren einer der besten Kunstturner Amerikas, später Coach von Spitzensportlern, unterrichtet seit nunmehr fast vierzig Jahren verschiedenste Formen des körperlich-geistigen Trainings. Seine Werke über die Lebenshaltung des friedvollen Kriegers sind zu wahren Kultbüchern geworden und haben eine Auflage von mehreren Millionen in neunundzwanzig Ländern erreicht.

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Leseprobe

Eins

Im Morgengrauen betrachtete ich das wirbelnde Laub vor dem regennassen Fenster meines Hotelzimmers auf Oahu. Die dunklen Wolken passten prima zu meiner trüben Stimmung. Ich hing zwischen Himmel und Erde, trieb wurzellos, ziellos durchs Nirgendwo. Der Sommer mit Mama Chia auf der Insel Molokai war wie im Flug vergangen. Mein Stipendium war auf neun Monate angelegt, dann würde ich mich wieder meiner Lehrtätigkeit widmen müssen.

Ich schlich in Unterwäsche über den weichen Teppichboden, blieb vor dem Badezimmerspiegel stehen und betrachtete mich von oben bis unten. Habe ich mich verändert?, geht man da fragend in sich. Meine muskulöse Gestalt – geformt durch das Leistungsturnen auf dem College und die körperlichen Anstrengungen auf Molokai – sah aber aus wie immer. Ebenso das gebräunte Gesicht, das markante Kinn sowie mein Haar, das ich üblicherweise kurz trug und mir erst tags zuvor hatte schneiden lassen. Nur die Augen, die mir aus meinem eigenen Spiegelbild entgegenblickten, sie schienen verändert. Ob ich wohl eines Tages meinem alten Lehrer Socrates ähnlich sehe?

Als ich vor einigen Tagen auf Oahu angekommen war, hatte ich umgehend meine sieben Jahre alte Tochter angerufen. »Daddy, ich gehe auch weit weg, genau wie du!«, hatte sie aufgeregt berichtet. Sie und ihre Mutter waren im Begriff, nach Texas zu reisen, um dort mehrere Monate, wenn nicht länger, bei Verwandten zu bleiben. Nun wählte ich erneut die Nummer, die sie mir genannt hatte, doch niemand nahm ab. Also schrieb ich ihr eine Postkarte und versah sie mit spielerischen Verzierungen am Rand – wohl wissend, dass alle Postkartengrüße und -küsse einen abwesenden Vater nicht ersetzen konnten. Ich vermisste meine Tochter. Die Entscheidung, eine mehrmonatige Reise anzutreten, war mir nicht leichtgefallen. Ich steckte die Postkarte in ein ledergebundenes Notizbuch, das ich mir vor Kurzem gekauft hatte, um es als Reisetagebuch zu benutzen. Die Karte wollte ich später am Flughafen einwerfen.

Nun war es also wieder Zeit zu packen. Ich holte meinen Rucksack aus dem Schrank, der mir auf vielen Reisen gute Dienste geleistet hatte, und breitete meine Habseligkeiten auf dem Bett aus: zwei Hosen, zwei T-Shirts, Unterwäsche, Socken, eine dünne Jacke und ein Polohemd für besondere Anlässe. Laufschuhe komplettierten meine minimalistische Garderobe.

Zum Schluss nahm ich die etwa fünfundzwanzig Zentimeter große Samuraifigur zur Hand, die ich in einer Meereshöhle vor Molokai gefunden hatte – für mich ein Zeichen dafür, dass Japan mein nächstes Ziel sein sollte. Schon lange wünschte ich mir, vor Ort einen direkten Einblick in Zen-Praxis und bushido – den »Weg des Kriegers« – zu erhalten. Ja, und womöglich war ja in Japan die verborgene Schule zu finden, von der Socrates gesprochen hatte. Mein Flug war für den morgigen Tag gebucht. Während ich also den alten Rucksack packte, stieg ein kaum wahrnehmbarer, aber wohlbekannter Geruch daraus auf. So duftete der fruchtbare rote Boden des hawaiianischen Regenwaldes.

Ein paar Minuten später fiel mir ein, dass ich die Postkarte wohl vergessen würde, wenn ich sie nicht aus dem Buch nahm. Ich öffnete den Rucksack erneut und versuchte, es herauszuziehen, ohne die halbwegs säuberlich gefaltete Kleidung wieder in Unordnung zu bringen. Aber es bewegte sich keinen Millimeter. Verärgert zerrte ich daran. Offenbar hatte sich seine Metallschließe im Innenfutter verfangen. Ich hörte und spürte, wie der Stoff riss, während ich ungeduldig zog. Als ich hineingriff, berührte ich eine leichte Ausbuchtung an der Stelle, wo sich das Futter gelöst hatte. Meine Hand ertastete dort etwas, und ich zog es heraus. Zu meiner Überraschung stellte es sich als Briefumschlag heraus. Darauf befand sich eine Notiz in Mama Chias Handschrift:

Socrates hat mich gebeten, dir diesen Brief zu geben, wenn du bereit dafür bist.

Bereit wofür?, fragte ich mich verwirrt. Vor meinem geistigen Auge erschien meine hawaiianische Lehrerin mit dem silbernen Haar und dem offenen Lächeln, ihren fülligen Leib in einen Muumuu mit Blumenmuster gehüllt. Ganz aufgeregt vor Neugier, öffnete ich den Umschlag und las Socrates’ Brief.

Dan, das einzige Heilmittel für die Jugend sind Zeit und wachsender Durchblick. Als wir uns zum ersten Mal begegneten, flogen meine Worte an dir vorbei wie Laub im Wind. Du wolltest sie verstehen, aber du warst noch nicht bereit, sie zu hören. Ich spürte, dass es nicht einfach für dich werden würde – umso mehr, da du der Überzeugung warst, weiser als deine Altersgenossen zu sein.

Da dir Chia diesen Brief überreicht hat, suchst du nun wohl im Osten nach Antworten. Aber wer als Suchender im Osten um milde Gaben der Einsicht bettelt, wird nur ein paar winzige Krümel empfangen. Geh nur, wenn du selbst etwas von Wert auf den Tisch der Weisheit legen kannst. Das ist kein leerer Spruch. Zuvor musst du ein Buch finden, das ich vor Jahrzehnten in der Wüste verloren habe.

Wieder einer von Socs typischen Scherzen, fiel mir dazu nur ein. Ich konnte sein Pokerface und sein Augenzwinkern förmlich vor mir sehen! Ich soll nicht nach Japan fliegen, sondern ein Buch in der Wüste suchen? In welcher Wüste überhaupt? Der Stoßseufzer blieb mir jedoch im Halse stecken, während ich weiterlas.

Ich glaube, was ich damals in diesem Buch, meinem Tagebuch, notiert habe, könnte eine Brücke zwischen Tod und Wiedergeburt schlagen, vielleicht ist es sogar das Tor zur Unsterblichkeit. Diese Einsichten wirst du gut gebrauchen können, bevor all dies vorüber ist. Aber das sind nur Vermutungen, da ich leider vergessen habe, was genau in dem Buch steht und wo es zu finden ist.

Die Geschichte des Buches ist eng mit meiner eigenen verknüpft: Ich wurde vor beinahe hundert Jahren in Russland geboren und als Kind auf eine Kadettenanstalt geschickt. Viel später, als ich mich bereits auf dem Pfad des Kriegers befand, begegnete ich im zentralasiatischen Pamirgebirge einer Gruppe verwirklichter Meister: einem Zen-R-oshi, einem Sufi, einem Kabbalisten und einer christlichen Nonne. Sie lehrten mich vieles, doch das meiste davon vermochte ich erst viele Jahre später in mein Leben zu integrieren. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs, ich war etwa Mitte vierzig, wanderte ich in die Vereinigten Staaten aus. Ich besuchte die Abendschule und lernte unter großen Mühen, Englisch zu schreiben und zu sprechen wie ein Amerikaner. Anschließend arbeitete ich erst auf dem Bau und dann als Automechaniker, wofür ich eine gewisse Begabung hatte. Ich zog nach Oklahoma, wo meine Tochter als Lehrerin arbeitete. Zehn Jahre später kehrte ich nach New York zurück.

In meinem sechsundsiebzigsten Lebensjahr spazierte ich eines Abends durch das Viertel, das heute als Greenwich Village weltberühmt ist. Unter der Markise eines bestimmten Antiquariats blieb ich immer gern stehen, um die Bücher im Schaufenster zu betrachten. Heute schob mich eine plötzliche Windbö förmlich in den Laden hinein. Eine Klingel kündigte meine Ankunft an und verstummte sofort wieder, als hätte man eine Decke darüber geworfen. Der muffige Geruch Tausender alter Bücher erfüllte die Luft. Ich schlenderte durch die engen Gänge zwischen den Regalen und schlug ein paar Bände auf. Sie knarzten beim Öffnen wie arthritische Gelenke. Normalerweise würde ich mich an solche Details weder erinnern noch sie erzählen, doch was an jenem Abend geschah, hat sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt.

Mein Blick fiel auf die wohl älteste Frau, die ich je gesehen hatte. Sie saß an einem kleinen Tisch. Während ich sie musterte, legte sie die Linke auf ein Büchlein mit ledernem Verschlussband und Schnappschloss. Es sah mir nach Tagebuch beziehungsweise persönlichem Notizbuch aus. Mit der Rechten blätterte sie beiläufig in einem der anderen Bücher auf dem Tisch und griff dann nach einem Stift, als wollte sie etwas notieren. Doch stattdessen wandte sie sich um und sah mich an.

Die Haut ihres faltigen Gesichts ähnelte dem Ledereinband des Buchs vor ihr, aber unter den buschigen Augenbrauen funkelten überraschend junge Augen. Schwer zu sagen, ob sie lateinamerikanische, indianische oder asiatische Wurzeln hatte. Ihr Antlitz schien sich ständig zu verändern, je nachdem, wie das Licht darauf fiel. Ich nickte ihr noch kurz zu und wollte schon wieder gehen, als sie mich zu sich rief. Zu meiner Überraschung sprach sie mich mit einem Spitznamen aus meiner Jugend an – demselben Namen, bei dem auch du mich riefst.

»Socrates.«

»Anscheinend kennen Sie mich, aber ich weiß nicht, wer Sie …«

»Nada«, sagte sie. »Mein Name ist Nada.«

»Sie heißen ›Nichts‹?«, fragte ich erstaunt.

Sie lächelte und entblößte ihre wenigen verbliebenen, gelben Zähne.

Ich versuchte fieberhaft, mich daran zu erinnern, wann und wo wir uns begegnet sein konnten. Um Zeit zu schinden, erkundigte ich mich danach, was sie da schrieb.

»Unsere Zeit ist kostbar«, lautete die unerwartete Auskunft. Sie sprach mit spanischem Akzent und legte eine Hand auf meinen Arm. »Meine Arbeit ist beinahe vollbracht.« Sie schrieb etwas auf einen Zettel und gab ihn mir. »Komm morgen zu dieser Adresse. Du wirst wissen, was zu tun ist.« Sie richtete sich langsam auf. »Komm nicht zu spät. Die Tür ist offen.«

Am nächsten Morgen fand ich mich kurz nach Sonnenaufgang bei dem Mietshaus ein, dessen Adresse sie mir aufgeschrieben hatte. Ich ging in den ersten Stock und klopfte leise an eine Tür am Ende eines dunklen Flurs. Keine Antwort....

Blick ins Buch

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