Kapitel 1
Wie messen und erhöhen Sie Ihren Körperintelligenzquotienten?
Geht es Ihnen so wie mir, dann sind Sie nicht mit der Vorstellung groß geworden, dass man seine körperliche Intelligenz – den KIQ – fördern und erhalten sollte, so wie das Lesen, Schreiben und Rechnen. Nun wenden Sie vielleicht ein, dass in den meisten Kulturen die Verneinung der eigenen körperlichen Bedürfnisse um der »Leistung« willen als Zeichen der Reife gilt. Und ja, es ist wichtig, dass man in der Lage ist, körperliche Belohnungen aufzuschieben und dass man sich um Nahrung und ein Dach über dem Kopf kümmert. Doch in unserer Kultur haben die meisten völlig den Kontakt zu dem reichen inneren Wissen verloren, das unser Leben gesünder machen und uns viel Freude und Spaß bringen könnte. Und wer wollte das nicht?
Die Weisheit des Körpers verstehen
Für wirkliche Körperkompetenz muss man auf vier Ebenen körperintelligent vorgehen. Ich stelle mir das so vor, dass wir zunächst Informationen über unser Wohlbefinden zusammentragen, und zwar erst im Außen und dann, indem wir nach innen schauen. Als Erstes sammeln wir Messdaten, zum Beispiel Laborergebnisse oder die Daten von Fitness-Trackern. Zweitens achten wir auf körperliche Empfindungen. Drittens spüren wir unseren Gefühlen nach, die mit diesen Empfindungen einhergehen, und viertens versuchen wir, Muster zu erkennen, durch die wir verstehen, was wir spüren und fühlen. Die vierte Stufe des Erkennens können Sie sich als Detektivarbeit vorstellen – hier laufen all unsere gesammelten Daten, Empfindungen und Gefühle zusammen. Durch all das zusammen bekommen wir eine tiefere Einsicht in unsere Gesundheit und unser Wohlergehen.
Den Körpercode verstehen: So geht’s
1. Messen: Tragen Sie messbare Beobachtungen und Gesundheitsdaten zusammen.
2. Spüren: Achten Sie auf körperliche Empfindungen.
3. Fühlen: Schreiben Sie Gefühle und Eindrücke auf, die mit Ihrem Körper zu tun haben.
4. Erkennen/Unterscheiden: Achten Sie auf Verhaltensmuster – auch auf solche, die vom Unterbewusstsein beeinflusst werden, wie Träume, Visionen und Zeichen –, die Ihnen etwas sagen wollen.
Messen
Vor ein paar Jahren kam John zu mir in die Praxis, einer der reizendsten und freundlichsten Männer, die ich jemals getroffen habe. Er litt unter ständigen Kopfschmerzen. Was er nicht wusste, war, dass sein Blutdruck bei 200 zu 120 lag (normal gewesen wäre 135 zu 85 oder weniger). Seine Kopfschmerzen hatten damit zu tun, dass ihm das Blut zu Kopf stieg. Bei einem großen Blutbild kam heraus, dass sein Cholesterinspiegel und seine Entzündungsmarker stark erhöht waren. John war eine tickende Zeitbombe. Und deshalb wurden wir auf allen Ebenen aktiv: Stressreduktion, Sport, Ernährungsumstellung und Blutdrucksenker. Mittlerweile wiegt John zehn Kilogramm weniger und ist ein Sportenthusiast. Seine Cholesterinwerte sind spitze, die Entzündungswerte und der Blutdruck (dank eines Blutdrucksenkers) normal. Und richtig: Er hat keine Kopfschmerzen mehr. Die Messung beziehungsweise Bestimmung von Johns wichtigsten Gesundheitsparametern hat ihm also buchstäblich das Leben gerettet.
Bei John war es der Kopf, der seinen hohen Blutdruck »angezeigt« hat. Aber meistens spüren wir nicht, wenn Blutdruck oder Puls zu hoch sind, weshalb wir sie regelmäßig messen lassen sollten. Paul hingegen kam zu mir in die Praxis, weil er seinen Blutdruck gemessen hatte. Seltsamerweise aß er so gesund, wie es nur geht, war normalgewichtig und machte regelmäßig Sport. Auch in seiner Familie war Bluthochdruck nicht verbreitet. Da er keine Medikamente nehmen wollte, haben wir es zunächst mit Nahrungsergänzungsmitteln, Stressreduktion, Meditation und mehr Bewegung probiert. Doch nichts passierte. Dann haben wir Medikamente probiert, drei verschiedene Präparate. Wieder nichts. Sein Blutdruck war immer noch erhöht. Beim nächsten Termin kam seine Frau mit (ich schwöre, das ist der Grund, warum verheiratete Männer länger leben als alleinstehende!). Sie fragte: »Hast du eigentlich der Ärztin schon von deinem Schnarchen erzählt?« Hm. Zuerst war Paul nicht so begeistert von der Idee, eine Schlafuntersuchung vornehmen zu lassen. Bei dieser würde er in einem Schlaflabor schlafen müssen, während seine Sauerstoffsättigung, der Puls und die Schlafphasen über angeschlossene Geräte beobachtet würden. Deshalb ließen wir ihn zunächst ein einfaches Gerät ausprobieren, das die Schlafphasen zu Hause misst. Das Ergebnis? Er hatte überhaupt keine Tiefschlafphasen. Doch die sind für die Gesundheit essenziell.
Fehlende Tiefschlafphasen können durch alles Mögliche verursacht sein, doch der häufigste Grund ist die Schlafapnoe – das nächtliche Aussetzen der Atmung. Weil ein Atemstillstand, der mehr als fünf Minuten anhält, lebensgefährlich ist, wird der Schläfer von seinem Körper geweckt, sobald der Atem einige Zeit aussetzt. Dieser Vorgang wiederholt sich dann unter Umständen die ganze Nacht etwa alle sechs Minuten, wobei das Schnarchen zur Apnoe führt, die durch den Aufwachimpuls unterbrochen wird. Die langfristigen Folgen sind Tagesmüdigkeit, Konzentrationsprobleme, Depression und, Sie haben es sicher schon erraten, Bluthochdruck sowie ein signifikant erhöhtes Herzinfarktrisiko.
Weil das häusliche Messgerät gezeigt hatte, wie schlecht es um Pauls Schlaf stand, war Paul nun bereit, an einer richtigen Schlafuntersuchung im Schlaflabor teilzunehmen. Und in der Tat wurde dabei eine schwere Schlafapnoe festgestellt. Seitdem verwendet Paul regelmäßig eine CPAP-Schlafmaske (CPAP steht für Continuous Positive Airway Pressure steht – konstanter Druck in der Luftröhre). Dadurch bleibt seine Luftröhre die ganze Nacht offen und sein Blutdruck kann sich normalisieren. Davon einmal abgesehen, hat er nun mehr Energie und ist zufriedener.
Manchmal braucht es eine kleine Datensammlung (Blutdruck, Schlafphasen, Schlafüberwachung), um zu verstehen, was uns unser Körper sagen will. Mit ein wenig Hilfe erhalten auch Sie Messdaten zu Ihrer Gesundheit: Blutdruck und Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Blutzuckerspiegel, Cholesterinspiegel, Gewicht und Körperfettanteil, die Anzahl der Schritte, die Sie an einem Tag gehen, Schlafphasen und andere Parameter. Geräte zur Erfassung von gesundheitsbezogenen Daten sind leicht zugänglich, etwa ein Pulsmesser oder eine Personenwaage mit Körperfettmessung. Die neuen Fitness-Tracker werden als Armband getragen oder sind als App auf dem Smartphone integriert. Mit ihnen können wir den Puls fühlen, die Schrittanzahl des Tages messen, die Übungsdauer beim Training festhalten oder die Schlaf- beziehungsweise Aufwachphasen festhalten. Damit entsteht ein ganz neuer Zugang zu unserer Gesundheit, und zwar im Alltag. Die Daten lassen sich online nachvollziehen oder mit denen unserer Freunde vergleichen. Dann gibt es natürlich medizinische Messgeräte im engeren Sinne wie Blutdruckmanschetten sowie Laborwertebestimmung des Blutes und des Urins oder die Messung der Körperzusammensetzung aus Körperfett, Wasseranteil und Magermasse – allesamt allgemeine Gesundheitsindikatoren. Speziellere medizinische Untersuchungen können dann etwa zur Bestimmung des Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungsrisikos vorgenommen werden. Man kann guten Gewissens sagen, dass wir heute über so viele Geräte und Messindikatoren verfügen wie nie zuvor, mit denen wir unser Verständnis von Gesundheit und Wohlbefinden erweitern. In Kapitel 2 werden wir einige Geräte vorstellen und Empfehlungen geben. Wenn wir nun dieses Faktenwissen mit praktischer Intuition in puncto eigenes Wohlbefinden kombinieren, hilft uns das, gesund zu bleiben.
Spüren
Nachdem Sie nun solide Daten über Ihr Wohlbefinden von außen ermittelt haben, wenden Sie sich Ihrem Körperinneren zu. Die einfachste Form des inneren Wissens liegt in der Wahrnehmung einfacher körperlicher Signale: Schläfrigkeit, Hunger, Durst, muskuläre Erschöpfung, Benommenheit, den Druck, auf die Toilette gehen zu müssen, verschiedene Schmerzempfindungen, sexuelle Erregung und so weiter. So manche Empfindung ist einfach zu interpretieren: Durst bedeutet, dass Sie mehr trinken sollten. Doch manchmal ist es komplizierter. Zum Beispiel könnten Sie sich matt fühlen, weil Sie mehr Schlaf brauchen oder weil Ihr Blutzuckerspiegel niedrig ist und Sie etwas essen müssen. Oder Sie sitzen gelangweilt in einer Nachmittagskonferenz. Wenn wir wirklich auf unsere körperlichen Signale hören, erlangen wir ein differenzierteres Verständnis von unseren körperlichen Bedürfnissen.
Das klingt vielleicht für manche von Ihnen merkwürdig, doch nicht alle Menschen können ihre körperlichen Empfindungen ohne Weiteres spüren. Es ist nicht so, dass der Körper dieser Leute nicht »spräche«, doch bei manchen ist die Wahrnehmungsschwelle im Gehirn heruntergeregelt, sie »hören« einfach nicht zu. Da ist der klassische Stoiker, unempfindlich, was Schmerz oder Hunger angeht. Gelegentlich sind wir alle einmal stoisch, aber für manche von uns ist eine Gewohnheit daraus geworden – eine gefährliche sogar. Ich behandle beispielsweise eine Frau, die zwanghaft isst, um ihre emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen (und tun wir das nicht alle ab und an?). Sie aber hat dabei ihr Sättigungsgefühl verloren. Ohne dieses wird das Reinhauen normal, weil es kein...